SSRQ ZH NF II/3 110-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, by Rainer Hugener
Citation: SSRQ ZH NF II/3 110-1
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Bericht über einen Streit um die Rechte der Gemeinde Maur
1754 November 21. Maur
Metadata
- Shelfmark: StAZH A 123.7, Nr. 257
- Date of origin: 1754 November 21 Transmission: Aufzeichnung (Doppelblatt)
- Substrate: Papier
- Format h × w (cm): 21.5 × 32.0
- Language: German
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Im Februar des Jahres 1754 war es zu einem Konflikt zwischen Säckelmeister Hans Jakob ZollingerPerson: sowie dem Gerichtsherrn David HerrlibergerPerson: gekommen, weil sich der Säckelmeister und andere Leute weigerten, für ihre Hausleute den Einzug zu bezahlen (StAZH A 99.3, Nr. 142). Während sich der Gerichtsherr auf Präjudizien im Gemeindebuch berief (StAZH F II b 125), argumentierte der Säckelmeister, der Gerichtsherr könne in dieses Buch schreiben, was er wolle. Der Gerichtsherr berief daraufhin eine Gemeindeversammlung ein, auf der das Vorgefallene behandelt und eine neue Ordnung für das Säckelmeisteramt aufgestellt wurde. Diese betonte die Gehorsamspflicht gegenüber dem Gerichtsherrn und die Verbindlichkeit des Gemeindebuchs. Zum neuen Säckelmeister wurde Heinrich KrauterPerson: gewählt, womit ZollingerPerson: seines Amts enthoben war (Schmid 1963, S. 202, S. 226-228). Diese Abwahl wurde zum Ausgangspunkt für den im vorliegenden Stück behandelten Konflikt, denn in der Folge scharte ZollingerPerson: rund 70 Männer um sich, die mit ihm zusammen ihre Unzufriedenheit mit dem Gerichtsherrn und der Einsetzung eines neuen Säckelmeisters zum Ausdruck brachten. Ein dem Stück beiligendes Verzeichnis zählt die Namen aller Männer aus MaurPlace: , HellPlace: , GuldenenPlace: , LoorenPlace: und StuhlenPlace: auf, die gemäss den Angaben von Hans Jakob ZollingerPerson: an den unerlaubten Gemeindeversammlungen teilgenommen haben (StAZH A 123.7, Nr. 256).
Als nach Ablauf der zweiwöchigen Bedenkzeit, die man ZollingerPerson: und seinen Gesinnungsgenossen gewährt hatte, keine Antwort erfolgte, wandte sich HerrlibergerPerson: im Februar 1755 an den Zürcher RatOrganisation: , um ZollingerPerson: zur Anerkennung der fraglichen Schriftstücke zu bewegen (StAZH A 123.7, Nr. 266). Der Rat setzte am 23. April 1755 eine Kommission ein, die den Gemeinde- oder Freiheitsbrief untersuchen sowie den alt Säckelmeister ZollingerPerson: und seine Gesinnungsgenossen verhören sollte (StAZH A 123.7, Nr. 263). Am 8. August 1755 erstattete der Landvogt von Greifensee, Salomon WaserPerson: , Bericht über den Konflikt. Er habe ZollingerPerson: einbestellt, ihn sowie seine Anhänger mit einer Busse belegt und ihnen verboten, weitere Versammlungen durchzuführen. Die Leute hätten sich jedoch nicht daran gehalten und an ihrer nächsten Gemeindeversammlung den Landschreiber Hans Jakob ZureichPerson: als Vertreter des Landvogts bedroht und übel beschimpft. Das Schreiben endet mit der Warnung, dass man solche aufrührerischen Tendenzen unterbinden müsse, weil sonst niemand mehr die Obrigkeit respektieren würde und die Amtsträger ihres Lebens nicht mehr sicher wären (StAZH A 123.7, Nr. 265).
Die Kommission, die im April eingesetzt worden war, griff diesen Bericht auf und befragte am 21. August 1755 die Rädelsführer, neben alt Säckelmeister ZollingerPerson: auch dessen Vater Hans Jakob ZollingerPerson: sowie Heinrich StauberPerson: aus StuhlenPlace: . Diese lenkten nun zwar teilweise ein und zeigten sich bereit, den fraglichen Einzug zu bezahlen, wenn dies auch alle anderen täten. In wesentlichen Punkten beharrten sie jedoch auf ihren Argumenten und stellten sogar in Frage, ob die vom Landvogt ausgestellten Schriftstücke die gleiche Rechtskraft hätten wie jene mit dem grossen Siegel des Zürcher RatsOrganisation: (StAZH A 123.7, Nr. 264). Der Ausgang dieses Konflikts ist leider nicht dokumentiert. Offenbar liess es die Obrigkeit dabei bewenden, die Bevölkerung von MaurPlace: zu ermahnen, «daß sich hinkömfftig mänigklich gegen den grichtsherrn als ihrem natürlichen oberherren respectuos und gehorsam erzeigen sollen» (Schmid 1963, S. 228). Nichtsdestotrotz bezeugen die erhaltenen Dokumente, dass sich das Verhältnis zwischen Obrigkeit und Untertanen zu wandeln begann und ein neues Zeitalter anbrechen sollte.
Edition Text
Kurzer entwurff
von
der den 21 novembris 1754Date: 21.11.1754
gehaltner gemeind zu MaurPlace: Organisation:
[p. 1]Page break
HsHans Jacob ZollingerPerson: mit verdeüt- und anzeigung, er habe
70 männer auf seiner seiten, ihre klägten schrifftlich eingelegt und vorlesen lasen, die ohngefahr darinn bestehen,
daß der hrherr grichtsherr die so gentgenannten weibelgüter für eigen
prætendiern, wider recht einen neüwen seckelmeister gemacht und in seinem neüwen buch die bueßen verstärckeret habe. Darauf die gmeind angebracht, hrherr grichtsherr
soll ihnen ihren gmeindbrieff vorlesen, auch müller HsHans
Rudolff ZollingerPerson: gesagt hat, es sey ein gmeindbrieff da
gewesen, er mög seyn, wo er wolle. HHerr grichtsherr aber gesagt, er wüße von keinem gmeindbrieff, vielicht verstehind sie das durch seinen freyheitsbrieff, so aber kein
gmeindbrieff, oder den einzugbrieff etcAbbreviation. Die sie aber gar
nicht dardurch verstehen wollen, sonder lediglich einen gmeindbrieff begehrt, in welchem ihre freyheiten ausgesezt. Von
solch einem aber hherr grichtsherr gar nichts wüßen will,
ihnen aber ein freyheitsbrieff wolte machen können.
brieffschafften:
einzug schuldig, anno 1655Date: 1655,5
gmeind MaurPlace: Organisation: , anno 1696Date: 1696,6
gmeind MaurPlace: Organisation: anbetreffende den einzug, anno 1716Date: 1716,7
hrherr grichtsherr gesagt, er wolle ihnen aus den gemeindrechnungen
beweisen, daß solche von vorigen herren grichtsherren und auch
von ihme der gmeind vorgelesen worden, worauf endtlich
auch hrherr grichtsherr sein begehren der gmeind vorlesen laßen,
also lautende:
geringste nicht zu processieren, sonder verlangen lediglich
nichts anders, als daß sie und ganze gmeind bey habenden
brieff und siglen, auch schrifften der vorigen hherren grichtsherren,
gmeindschlüß und erkantnußen seyn und geschüzt, mithin
laut diesen brieff und siglen einem jeden das seinig
in holz und feld sicher und ohnbeschädiget verbleiben möchte.
Wann sich aber andere darwider sezen, nicht verstehen oder verglichen und kösten haben wollen (maßen diesfahls das gmeindgut nicht angegriffen werden soll), so bittet man mnghmeine gnädigen herren
um ein gnädige untersuchung, mithin dem gegentheil
und kläger aufgetragen werden möchte, daß er all seine vermeinende klägten zu papyr bringen laße, welches dann
auch solle von dem hherren grichtsherren und mithafften schrifftlich beantwortet werden, damit man eigentlich wüßen möge,
worinn klag und antwort bestehe und das befinden desto
beser untersucht werden könne.
mit seinen 70 männeren über die 4 letsteren brieff ein 14
tägigenDuration: 14 days verdanck begehrt, der ihnen auch bewilliget und die
sachen wol zu überlegen insinuiert worden.
præsentbspræsentibus herr landvogt WaserPerson: und beamtete.
Canzley GreiffenseePlace: Organisation:
Notes
- Salomon WaserPerson: (im Amt 1754-1760, vgl. Dütsch 1994, S. 112).↩
- Gemeint ist die Aufzeichnung der Rechte der Gerichtsherrschaft MaurPlace: aus dem Jahr 1604 (SSRQ ZH NF II/3 91-1).↩
- Gemeint ist der Einzugsbrief der Gemeinde MaurPlace: Organisation: vom 26. November 1629 (ERKGA Maur I A 11).↩
- Gemeint ist die Bestätigung der Bussenordnung der Gemeinde MaurPlace: Organisation: betreffend Holzfrevel vom 12. Januar 1646 (ERKGA Maur I A 17).↩
- Gemeint ist ein Ratsentscheid betreffend Einzugsgeld des Gerichtsherrn von MaurPlace: vom 2. April 1655 (StAZH B II 490, S. 45-46).↩
- Gemeint ist die Flurordnung der Gemeinde MaurPlace: Organisation: vom 22. September 1696 (ERKGA Maur I B 7).↩
- Gemeint ist ein Urteil betreffend Einzugsgeld der Gemeinde MaurPlace: Organisation: von 1716 (ZGA Maur II A 8).↩
Regest