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SSRQ SG III/4 110-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, by Sibylle Malamud

Citation: SSRQ SG III/4 110-1

License: CC BY-NC-SA

Bekenntnis der Einwohnerschaft von Werdenberg wegen ihres Ungehorsams gegenüber Glarus (Verzicht- oder Gnadenbrief)

1525 November 29.

Die Bewohnerschaft der Landvogtei Werdenberg stellt nach erfolglosem Aufstand Landammann, Rat und ganzer Gemeinde von Glarus auf Vermittlung von Hieronymus Schorno von Schwyz, Landvogt im Sarganserland, und Christoph Kramer, Schultheiss von Sargans, den sogenannten Verzicht- und Gnadenbrief aus. Die Werdenberger verlieren dabei das alte Recht, werdenbergische Übeltäter gefangen zu nehmen, vor ihr eigenes Hochgericht zu laden und zu bestrafen.

Für die Aussteller siegeln Hieronymus Schorno von Schwyz, Landvogt im Sarganserland, und Christoph Kramer, Schultheiss von Sargans.

  • Shelfmark: StASZ HA.II.936
  • Date of origin: 18. c.
  • Transmission: Abschrift
  • Substrate: Papier
  • Language: German
  • Shelfmark: LAGL AG III.2455:142
  • Date of origin: 18. c.
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt, 3 Seiten beschrieben)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 20.5 × 33.5
  • Language: German
  • Shelfmark: LAGL AG III.2458:002a
  • Date of origin: 18. c.
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt, 3 Seiten beschrieben)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 21 × 33.5
  • Language: German
  • Shelfmark: LAGL AG III.2458:002b
  • Date of origin: 18. c.
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt, 3 Seiten beschrieben)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 21 × 34
  • Language: German
  • Shelfmark: StANW C 1025/6:194
  • Date of origin: 18. c.
  • Transmission: Abschrift
  • Substrate: Papier
  • Language: German
  • Shelfmark: StAZH A 247.8.1, Nr. 2
  • Date of origin: ca. 1719 – 1722
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt)
  • Substrate: Papier
  • Language: German

  1. Die Reformationsbewegung löst im süddeutschen Raum sowie in vielen Gebieten der Schweiz nach 1519Date: 1519 sozialpolitische Bewegungen aus. Vielerorts, wie z. B. in den Herrschaften RheintalPlace: oder SargansPlace: , verweigern die Landleute ihrem Landesherr die Entrichtung der Abgaben und die Leistung der Frondienste (Tschirky 2005, S. 61; zu den Reformationswirren im Sarganserland vgl. SSRQ SG III/2.1, S. LV–LVI; Nr. 136; Nr. 142; Nr. 143). Auch in der Glarner Landvogtei WerdenbergPlace: kommt es zu UnruhenTerm: . Die UntertanenTerm: verlangen von Glarus UrbareTerm: und andere Dokumente zum Beweis der glarnerischen Rechte in Werdenberg. Als GlarusOrganisation: ihrem Ansuchen nicht nachkommt, verweigern sie jegliche AbgabenTerm: , Leistungen und den Gehorsam. Deshalb nimmt Glarus die Pfarrer von SevelenPlace: und Wartau-GretschinsPlace: gefangen und droht den Untertanen bei weiterem Ungehorsam mit Gewalt. Bevor es jedoch zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, lenken die Untertanen unter Vermittlung von Hieronymus SchornoPerson: von Schwyz, Landvogt im Sarganserland, sowie Christoph KramerPerson: , Schultheiss von Sargans, ein. Mit dem Versprechen von Glarus, niemanden mit dem Tode zu bestrafen, wird der sogenannte Verzicht- oder GnadenbriefTerm: (wie er häufig genannt wird) ausgestellt, in dem Glarus seinen Untertanen nach einem Schuldgeständnis verzeiht. Dabei verwirken die Werdenberger für immer ihr altes Recht, strafwürdige VerbrecherTerm: vor ihrem eigenen GerichtTerm: zu verurteilen. Der Forderung der Werdenberger auf ein unparteiisches Gericht wird nicht entsprochen. Die Schuldigen werden durch fünf Glarner Strafrichter verurteilt und mit Geldbussen und Gefangenschaft bestraft. Auch die einzelnen Gemeinden werden gebüsst (Beusch 1918, S. 26–27; Hess 1991, S. 68–79; Tschirky 2005, S. 61–62; Winteler 1923, S. 17–20).

  2. 1526Date: 1526 fördert Landvogt Jost TschudiPerson: in Werdenberg die ReformationTerm: und bis 1532Date: 1532 ist Werdenberg vollständig reformiert. Der LandesvertragTerm: von Glarus, in dem die Zugehörigkeit der ReligionTerm: innerhalb Glarus geregelt wird, anerkennt am 21. November 1532Date: 21.11.1532 (SSRQ GL 1.1, Nr. 117) das Verbleiben der Werdenberger beim neuen Glauben, unter Vorbehalt, dass der katholische Glaube auf Wunsch der Landleute gestattet ist (Beusch 1918, S. 27; Hess 1991, S. 69; Sulzberger 1875; Winteler 1923, S. 21–22).

  3. Die UnruhenTerm: von 1525Date: 1525 bleiben nicht ohne Folgen für die Werdenberger EinwohnerOrganisation: . Jenseits des Rheins und in der Nachbarschaft werden sie seither als meineidigeTerm: , ehrlose Leute angesehen (SSRQ SG III/4 138-1). Deshalb gelangen die Werdenberger 1565Date: 1565 mit der Bitte an Glarus, ihnen ihre Ehrbarkeit offiziell zu bestätigen. Gleichzeitig möchten sie eine eigene Fahne, um sich im Kriegsfall als MannschaftTerm: um so geordneter und besser darstellen zu können. Im sogenannten FähnlibriefTerm: bestätigt Glarus der Einwohnerschaft ihre EhrbarkeitTerm: und bewilligt ihnen unter gewissen Bedingungen in KriegszeitenTerm: ein BannerTerm: (SSRQ SG III/4 138-1).

  4. Das Dokument spielt im Werdenberger Landhandel (1719–1725)Term: eine grosse Rolle (SSRQ SG III/4 216-1).

Edition Text


Wir, die insaͤssen unnd wonhafften all gemeinlich inn der graffschafft unnd lanndtschafft zuͦ WerdennbergOrganisation: , jung unnd altt, niemantz
ußgenommen, bekennend, verjeͤchendt unnd tuͦnd kund meͣngklichem jedem unnd allen dene, so dißen brieff seͣchend oder hoͤrend leßen:
Als dann
kurtz vergangner zitt spenn, stȯßTerm: , misshellung unnd unruͦwTerm: sich ingewürtzletTerm: unnd begeͣben, die durch uns entsprungen unnd ufferwachßen zwûschend
und gegen denn frommen, vestenn, fûrsichtigen unnd wißen lanndtamann, raͤtt unnd gantz gemeind zuͦ GlarusOrganisation: , ûnnßern gar gnêdigen unnd
natûrlichen rêchtten oberherren. Weliche speͣnn unnd zwitratztCorrected: zwitrachta nun ein zitt geweͣrott unnd wir ûns als die ungehorsamen unnd ûbertreͣtterTerm:
iro pflichtt unnd gebotten zuͦ uffruͦrTerm: inn allweͣg geflissen unnd ertzeigt habend, ouch inen ir gepürlich eigennschafftt, herrlicheit, reͣnnt unnd
gûltt, so wir inen billich zetuͦn schuldig, etwas zitz verspertt unnd muͦtwillig vorgehan unnd eͣntwertt. Ûber iro vil unnd meͣnigfaltig frûntlich und
guͤtlich ersuͦchen unnd ervordren, durch pitte, brieff unnd botten, ouch fûrschlachung des reͣchtten fûr die altten siben ortt der EidtgnosschafftOrganisation: , alle
gemein oder eins besonnders an ûns geton, gelangt unnd gebracht. Dero wir domaln keins nichtt anneͣmmen, sonders inn soͤlichem fürgenommen
fraͤvenTerm: unnd irthumm als die unvernünfftigen, klein versteͣnndigen verharrett, bis zuͦ leͣtst wir empfunden und in erkantnus kommen sind, ûnßer ûbermuͤtigenn
unbillichen handlung, so wir an ûnßern natûrlichen herren, dero eigenlüttTerm: wir sind, begangen. Unnd habent also ûns gegen den selben ûnßern gneͣdigen
herren von GlarusOrganisation: ûnßers unreͣchten und irthumms bekeͣnnt und in iro straff, gnad und ungnad, frywillig und underwürfflich ergeͣben, mit underteͣniger pitt, meͣngklichen
an sinem leͣben zuͦsichern und nieman zeentlibenTerm: . Das wir also durch mittel und fûrbittung der frommen, fürsichtigen und wißen Jeronimus SchorenPerson: von SwitzPlace: ,
dero zitt landtvogtt in SanganßerlandPlace: , und Cristoffel KramerPerson: , schultheis zuͦ SangansPlace: , und andrer biderber lûtten an inen gneͣdigklich erlangt:
Also, das meͣngklich
am leͣben gefrischtTerm: und gesichret worden, ußgenomen welicher obgntnobgenannten ûnßern gneͣdigen herren zuͦgeredt hett, das iro gnaden glimpffTerm: und eerTerm: beruͤren moͤcht. Also
sind wir von den gedachten ûnßern gnedigen herren in gnaden uffgenomen in iro straff on witer ûberziechenTerm: und emboͤrungeTerm: , ouch miltigklich nach barmhertzigkeit
und allen gnaden gestrafft und mit uns nichtz unbillichs fûrgenomen noch gehandlet.
Und under anderm ûns ouch zuͦ straff uffgelegt und angedingett,
als dann wir inn vergangnem by uns zegebruchen vermeinten, dheinen faͤngklich anzuͦneͣmmenTerm: lassen, welicher trostungTerm: zegeͣben hett, ouch mitt keinem straffwirdigenn
niendert reͣchtlichen zehandlen, dann allein vor ûnßerm gerichtTerm: . Soͤlichs bruchsTerm: entziechendTerm: und entsagend wir uns gentzlichen aller maß und inn allweͣg und
bekeͣnnend und verjechend, das die dickgenannten ûnnßer gnedig herren von GlarusOrganisation: rêcht, gwaltt und macht habend und haben soͤllend, sy unnd ir nachkomen hinfûr
eweͣngklich on unßer inreͣdTerm: einen jeden ungehorsamen, widerspaͤnnigen, straffwirdigen ubeltaͤtterTerm: oder einen, so das malefitzTerm: verschuldt hett, feͣngklichen anzuͦnemmen,
ze thürnenTerm: und ze vahenTerm: und mit imm zehandlen, zeschaltten, zewaltten und zestraffen am guͦt, am lib und am leͣben, mitt oder one reͣchtt, wie sy guͦtt billich
und zum rechten bedunckt, von ûns und meͣngklichem unverhindertt und ongeirtt, ouch on intrag ûnßers obgemelten bruchs, des wir ûns entzigen fûr ûns
und unßer nachkomen unnd der selben gereͣchtigkeit niemer mer gebruchen, beheͣlffen noch haben soͤllend noch wellend, zuͦ allen zitten und in allweg trûwlich
und ongevarlich, boͤß arglist herinn vermitten und ußgeschlossen.
Dißer und aller obbeschribner dingen zuͦ warem, vestem urkund
und bekrefftigung, so habent wir, obbemelten landtlüt der grafschafft WeͣrdenbergPlace: , mit sonderm fliß und hochem ernst erpaͤtten die frommen, fûrsichtigen und wißen Jeronimus SchornPerson: von SchwitzPlace: , dero zitt landtvogtt inn Sanganßer LandPlace: , und Cristoffel KromerPerson: , schultheis zuͦ SangansPlace: , das sy allbeyd
ire insigel und ûnßer beͣtte wegen fûr ûns und ûnßer nachkommen offenlich an dißen brieff gehenckt habend, doch inen, irn erben und nachkomen in alweͣg
unvergriffen und one schaden, der geͣben ist an santt AndreasPerson: , des heiligen zwoͤlffbotten, abendt von Cristus purtt gezalt tußent funffhundertt
zweintzig und fûnff jare
Date of origin: 29.11.1525
.
[Sigillant’s notes on the parchment tag:]
Herr schultheis KramerPerson: .
|Page break
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:]
Dero von WerdenbergOrganisation: entzychung
von wegen der empörung im 1525.
[Registratur’s sign on the reverse side in a hand of the 19th century:] XXV C. 24. No 231;
308?

Notes

  1. Corrected: zwitracht.