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SSRQ SG III/4 241-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, by Sibylle Malamud

Citation: SSRQ SG III/4 241-1

License: CC BY-NC-SA

Das Urteil des Herrschaftsgerichts von Sax-Forstegg in der Schuldsache zwischen Andreas und Hans Bernegger wird nach Zürich appelliert

1767 October 3.

Landammann Hans Jakob Hanselmann urteilt in Anwesenheit des Landvogts Johann Jakob Escher in einem Schuldkonflikt zwischen Richter und Weinschenk Andreas Bernegger und Seiler Hans Bernegger, beide von Sax: Die Schwiegereltern, die Ehefrau und der Bruder von Hans Bernegger, der Geld verspielt und vertrunken hat, bringen vor, dass der Gläubiger nicht alle Schulden korrekt eingefordert habe, weshalb sie einen Posten von 15 Gulden nicht begleichen wollen. Andreas Bernegger antwortet, dass er die Wirtshausschulden in seinem Rechnungsbuch notiert habe, weshalb die Forderungen vom Herrschaftsgericht geschützt werden müssen. Das Urteil zerfällt in zwei Teile: Das Minderurteil lautet, dass Richter Bernegger einen Eid schwören soll, dass er weder die 15 Gulden empfangen noch Zins zum Kapital geschlagen noch sonst mit dem betrunkenen Hans Bernegger etwas Betrügerisches vorgenommen habe. Das Mehrheitsurteil lautet, dass Richter Bernegger bei seinem Rechenbuch geschützt werden solle. Der Seiler Hans Bernegger appelliert das Urteil nach Zürich, welches ihm gestattet wird.

Landvogt Johann Jakob Escher siegelt.

  • Shelfmark: StAZH A 346.6, Nr. 55
  • Date of origin: 1767 October 3 (den driten weinmonat)
  • Transmission: Original (2 Doppelblätter)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 23.5 × 37.0
  • 1 seal:
    1. Landvogt Johann Jakob EscherPerson: , papered seal, round, applied, well-preserved
  • Language: German
  • Scribe: Kanzlei der Landvogtei Sax-Forstegg

  1. Das vorliegende UrteilTerm: des HerrschaftsgerichtsTerm: Sax-ForsteggPlace: wird nach ZürichPlace: appelliert und dient als Beispiel eines GerichtsverfahrensTerm: unter ZürcherOrganisation: Obrigkeit nach dem Kauf 1615Date: 1615 (weitere AppellationenTerm: siehe SSRQ SG III/4 166-1, Art. 8; StAZH A 346.4, Nr. 303; OGA Sennwald Mappe Nachbarn, 04.02.1707–01.09.1707; StAZH A 346.5, Nr. 2; StASG AA 2 A 7-1b-9; AA 2 U 58; StAZH A 346.5, Nr. 93; A 346.5, Nr. 94; StAZH A 346.6, Nr. 58; Nr. 86; Nr. 95; Nr. 96; Nr. 108; Nr. 112; Nr. 116; Nr. 145; Nr. 154; Nr. 181; Nr. 234; Literatur: Aebi 1974, S. 87–88; Kreis 1923, S. 24–25).

    Unter den Freiherren von Sax-HohensaxOrganisation: können Urteile an den Herren der Herrschaft als letzte Instanz appelliert werden (vgl. SSRQ SG III/4 120-1). Unter Zürcher Herrschaft werden im LandesrechtTerm: von 1627Date: 1627 nur AppellationenTerm: an den LandvogtTerm: erwähnt. Ab wann Appellationen nach ZürichPlace: möglich waren, ist nicht klar. In den Quellen sind sie erst Ende des 17. Jh. fassbar. Das Rechtsmittel einer Appellation nach Zürich muss aber bereits vor 1687Date: 1687 bestanden haben, da in diesem Jahr bestimmt wird, dass keine Appellationen mehr unter einem Streitwert von 100 Gulden nach Zürich gezogen werden dürfen (Aebi 1974, S. 87; Kreis 1923, S. 25, beide nach Werdmüller, Memorabilia, Bd. 2, S. 107). Auch im Verwaltungsbuch von Landvogt Johannes UlrichPerson: (1746–1755 im Amt) wird die Appellation nach Zürich vom HerrschaftsgerichtTerm: erwähnt, die der LandvogtTerm: keinem verwehren soll (StASG AA 2 B 006, S. 90–91). Ein Landvogt kann aber auch mittellose Parteien in SchuldTerm: - und WegstreitigkeitenTerm: an das jährliche ZeitgerichtTerm: (falls dieses zeitlich nicht zu weit weg liegt) oder an ein Kaufgericht weisen, das aus dem Landammann und den fünf ältesten Richtern besteht. Von beiden Gerichten geht die Appellation an den Landvogt (StASG AA 2 B 006, S. 88–90, 96).

  2. Über die einzelnen GerichteTerm: in der Landvogtei Sax-ForsteggPlace: ist nur wenig bekannt, da kaum GerichtsprotokolleTerm: erhalten sind und das LandesrechtTerm: von 1627 nur ein monatlich tagendes Gericht erwähnt unter dem Vorsitz des LandammannsTerm: mit sechs RichternTerm: (SSRQ SG III/4 166-1, Art. 1). Dieses Gericht tagte bis 1627 zu unregelmässigen Zeiten. Danach wird jeweils der erste Dienstag im MonatTerm: um 9 UhrTime: 9:00 als RechtstagTerm: festgelegt. Zwischen dem monatlichen Gericht ist auch ein KaufgerichtTerm: möglich. AppellationenTerm: gehen gegen eine Gebühr von drei Talern in das SchlossTerm: ForsteggPlace: vor den LandvogtTerm: (SSRQ SG III/4 166-1, Art. 8).

    Dieses monatliche Gericht wird in der Literatur als MonatsgerichtTerm: bezeichnet, als Quellenterminus wird ab der zweiten Hälfte des 17. Jh.Date: 1.1.1651 – 31.12.1700 der Name HerrschaftsgerichtTerm: fassbar. Aus dem Quellenmaterial wird ersichtlich, dass es sich beim Herrschaftsgericht um das im Landesrecht 1627 erwähnte monatliche Gericht handeln muss. Dieses Herrschaftsgericht tagt unter dem Vorsitz des LandammannsTerm: mit den sechs RichternTerm: (so z. B. in StAZH A 346.4, Nr. 303) das Jahr hindurch; der erste Dienstag im Monat als GerichtstagTerm: ist jedoch nicht auszumachen. Nach den Quellen wird das Gericht an den unterschiedlichsten Tagen abgehalten.

    Ab Mitte des 18. Jh.Date: 1.1.1740 – 31.12.1760 nimmt die Einflussnahme des Landvogts auf das Herrschaftsgericht zu. In den Quellen wird die Anwesenheit des Landvogts am Herrschaftsgericht explizit erwähnt, der in einigen Fällen (vor allem gegen Ende des 18. Jh.) auch miturteilt (so z. B. OGA Sennwald Mappe Verschiedene Dokumente: Wuhr, Stickerei, Forst etc., 15.06.1786; StAZH A 346.6, Nr. 209). Nach der Beschreibung von Landvogt Johannes UlrichPerson: um 1755Date: 1755 sitzen in diesem Gericht neben LandvogtTerm: und LandammannTerm: nur fünf RichterTerm: . Wahrscheinlich wurde die Richterzahl von sechs auf fünf aufgrund des Einsitzes des Landvogts reduziert (siehe auch Aebi 1974, S. 88), der laut Ulrich «seine meinung zu erst oder zu lest» geben kann (SSRQ SG III/4 234-1, S. 88). Der Wechsel muss irgendwann in der ersten Hälfte des 18. Jh.Date: 1.1.1701 – 31.12.1750 erfolgt sein. 1707Date: 1707 werden in einem Streitfall sechs Richter genannt (OGA Sennwald Mappe Nachbarn, 04.02.1707), 1708Date: 1708 fünf Richter (OGA Sennwald Mappe Nachbarn, 01.05.1708). In beiden Fällen geht aber nicht klar hervor, ob es sich um ein Urteil des gängigen Herrschaftsgericht handelt oder nicht.

    Kaspar ThomannPerson: unterscheidet in seiner Beschreibung der Freiherrschaft Sax-ForsteggPlace: 1741Date: 1741 neben Ehe- und Bussengericht ein HerrschaftsgerichtTerm: mit dem LandammannTerm: als Vorsitzender und 13 RichternTerm: , ein MonatsgerichtTerm: mit dem Landammann und sechs Richtern, ein ZeitgerichtTerm: (April oder Mai) und ein Malefizgericht (Druck: Senn, Frey-Herschafft Sax, S. 21–23). Das bei Thomann erwähnte HerrschaftsgerichtTerm: mit 13 Richtern scheint auf die Zusammensetzung des HochgerichtsTerm: zu deuten, das bei Landvogt Johannes UlrichPerson: ebenfalls als Herrschaftsgericht bezeichnet wird (SSRQ SG III/4 234-1, S. 87), denn in diesem Gericht sitzt nach Thomann auch ein Richter aus der LienzPlace: . Lienz gehört zum HochgerichtTerm: der Landvogtei Sax-Forstegg, nicht aber zum NiedergerichtTerm: . Dass Lienz als eine zum Hochgericht gehörige Gemeinde wie die anderen Gemeinden von Sax-ForsteggPlace: Anspruch auf einen oder je nach Grösse der Gemeinde mehrere Richtersitze hat, liegt auf der Hand. Hingegen ist ein Lienzer Richtersitz in einem Niedergericht in Sax-Forstegg wenig wahrscheinlich. Zeitweise muss das Hochgericht jedoch nach den Landvogteirechnungen mit 24 Richtern besetzt worden sein (Kreis 1923, S. 30).

    Zu den VerhandlungenTerm: vor dem HerrschaftsgerichtTerm: vgl. z. B. OGA Sennwald Mappe Verschiedene Dokumente: Wuhr, Stickerei, Forst etc., 15.04.1687; StAZH A 346.4, Nr.  37; Nr.  61; Nr. 113; Nr. 138; Nr. 162; Nr. 280; Nr. 295 (S. 1–20); OGA Sax 05.10.1786; 10.07.1784; StASG AA 2 A 07-2-14; OGA Haag 12.07.1699.

Edition Text


Ich, Hanß Jacob HanßelmanPerson: , der zeit landamanTerm: der freyen herschafft SaxPlace: ,
beken unnd thun kundt offendlich hier mit dieserem brieff, das in gegenwart
und beysitz deß wohlgeachten, wohl edel gebohrnen, gestrengen herren, herren
Johan Jacob EschersPerson: , des mehren raths hoch1 loblichen stands ZürichOrganisation: , der mahlen regierender
landtvogt der freyen herschafft SaxPlace: , vor mich und ein gnedig herschafft grichtTerm: erschinen
Andreaß BernegerPerson: , richterTerm: und weinschennkTerm: , an einem, danne Hans BernegerPerson: , der
seilerTerm: , in beywesen schwiger elterenTerm: und bruodersTerm: , beyde aus dem dorffTerm: SaxPlace: ,
am anderen theil:
Da dan des letsteren schwiger elterenTerm: , weibeTerm: und bruoderTerm:
klagend vorgebracht, das nit nur letsteren verstrichnen sommerTerm: des obgedachten
Andreas BernegersPerson: bruoder eine schuold anforderungTerm: , welche meistens verspiltTerm:
und versoffenTerm: seyn solle, von mehr als hundert guldinCurrency: 100 guilders an ermelten Hans BernegerPerson: ,
seilerTerm: , gemacht, endlichen aber auf gütliches über geben. Hingegen die 40 Currency: 40 guilders ihme ab
gesprochen worden, nun ohne daß damahls der richterTerm: BernegerPerson: deß geringsten
werrUncertain readinga gedacht noch sich verrichten lassen. Mehr er eine gliche vor villen jahren, da der
seilerTerm: unter der elterenTerm: gewaltTerm: wahre, auf aller handt art und weyse aufgeloffen
und gegen die 94 Currency: 94 guilders sich belauffende schuld anforderungTerm: , worunter auch postenTerm: ,
sonderbahr eine von 15 Currency: 15 guilders , die er dem richter BernegerPerson: bezalt, disem aber nit
geständig, hoffend also, wie disere schulden nit nur zum schaden seines weibs
und kinderen
Term:
gereiche, sonder wider alle gesetzTerm: und ordtnugenNotable spelling gemacht und
aufgeloffen sey, werde der richterTerm: damit gäntzlich ab und zur sich gewysen
werden, setze solches zum rechten.

Worauf richterTerm: Andereaß BernegerPerson: sich dahin verantwortet, eß sey wahr, vor inUncertain readingb
circa 12Duration: 12 years biß 14 jahrenDuration: 14 years habe der seilerTerm: angefangen durch esen und trinkenTerm:
disere schuoldTerm: bey ihme zu machen, nit minder seye dan und wan vor ein halb
mas wein
Volume: 0.5 mass wine
, wehr solche bezahlen müse, darumb gekürtzweiletTerm: worden, sonsten aber
hab er mit ihme abgerechnet und sey er der rechnugNotable spelling all zeit zufriden, auch die
schuld alzeit verzinset, hooffe also, ein ehrsam herschafft grichtTerm: werde ihn lediger
dingen und ohne anderes bey seinem rechenbuchTerm: schützen und schirmen, setze auch
solches zum rechten.

Auf welches und ein weitläuffigeres vor und widerbringen der partheyen
ab hoch ehren gedachten herr landtvogt EschersPerson: nebst richterTerm: und freyhaubtmanTerm: BergerPerson:
von SalletzPlace: sich dahin erkendt und gesprochen: Der richter Andreaß BernegerPerson:
solle eidlich anloben, das er nit nur streitige 15 Currency: 15 guilders nicht entpfangen, sunderen
auch keine zinsTerm: zu capitalTerm: geschlagen noch sonsten mit dem all zeit betrukenenNotable spelling
Hans BernegerPerson: bey mahnugNotable spelling diser schuldTerm: waß betrieglichs vorgenommen worden.

Der überige und mehrere theilTerm: eines herschaffts grichtsTerm: hat einheellig sich dahin
erkendt, es solle der richter BernegerPerson: von SaxPlace: bey seinem rechenbuchTerm: geschützt und
geschirmbt werden und umb die gantze schuld der seilerTerm: ihne aus weysen
und bezahlen.
Welch letstere meynugNotable spelling offtermelter Hans BernegerPerson: , seiler, [fol. 1v]Page break
an unser gnädig heren und oberen, in hoffnugNotable spelling beser recht zu erlangen, appelliertTerm: , welches ihme nit nur willig gestattet, sonder gegenwärtiger brieff mit ob hochehren, gedachten herren landtvogt EschersPerson: secret
insigel verwahret, in gehändiget worden.
So geschehen, den driten weinmmuntUncertain readingc nach ChristiPerson: geburth, unsers heren, gezehlt siben hundert sechzig und
siben jahr
Date of origin: 3.10.1767
.

Cantzley der frey herschafft SaxPlace: .
|Page break
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 18th century:]
AppellationTerm:
an
unser gnädig herren und oberen,
wan dem mehren theil des herschafftgerichtsTerm: von SaxPlace:
an betreffende
eine von richter und färberTerm: Andreaß
Bernegger
Person:
an Hanß BernegerPerson: ,
beyde von SaxPlace: , machende schuld
anforderung
Term:
,
d 1767Date: 1767
[Registratur’s sign on the reverse side:]
Tr 150, W 5 N 1
[Registratur’s sign on the reverse side:]
ErkErkenntnis vide sub
20. febr 1768Date of origin: 20.2.1768 2
Uo M

Notes

  1. Uncertain reading.
  2. Uncertain reading.
  3. Uncertain reading.
  4. Change of hand.
  1. Die Urkunde ist flüchtig geschrieben. Das «ch» wir häufig nur als «h» geschrieben. In der Transkription wird dieses «h» jedoch zur besseren Lesbarkeit als «ch» aufgelöst.
  2. Vgl. StAZH B II 940, S. 67–68: Zürich erkennt, dass der Appellant insofern richtig appelliert habe, als dass die Schuldanforderung von Richter Bernegger «als eine liederliche und heillose schuld» nichtig sein solle.