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SSRQ SG III/4 225-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, by Sibylle Malamud

Citation: SSRQ SG III/4 225-1

License: CC BY-NC-SA

Blutgerichtsordnung, wie der Landtag (Blutgericht) in Gams gehalten werden soll

1741 November 18.

Blutgerichtsordnung von Gams: Sobald sich die Richter im Gericht eingefunden haben, hält der Landvogt als oberster Richter eine kurze Rede und fragt, ob er nach kaiserlichen Rechten und eidgenössischer Gewohnheit über das Blut richten möge. Nach der Umfrage setzen sich die Richter, der Landvogt verbannt das Gericht und danach beginnt der formalisierte Ablauf des Gerichts bis zur Urteilsverkündigung, zur Exekution und Aufhebung des Gerichts.

  • Shelfmark: StASZ HA.IV.404, Nr. 76
  • Date of origin: 1741 November 18
  • Transmission: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 21.5 × 34.0
  • Language: German

  1. Die Hochgerichtsform schildert den Ablauf einer VerhandlungTerm: des HochgerichtsTerm: in der Herrschaft Hohensax-GamsPlace: . Das formalisierte Verfahren ist im Vergleich zu älteren Hochgerichtsformen kürzer und deutlich vereinfacht, vgl. z. B. die Hochgerichtsform von GlarusPlace: (SSRQ GL 1.1, Nr. 105) oder WerdenbergPlace: (LAGL AG III.2462:012, gedruckt bei Senn, Gerichts-Form). Das Verfahren lässt kaum Rückschlüsse auf die VerfassungTerm: des Hochgerichts in Hohensax-GamsPlace: zu. Aus der Hochgerichtsform wird jedoch ersichtlich, dass der LandvogtTerm: als oberster RichterTerm: das GerichtTerm: eröffnet, bei einem TodesurteilTerm: den Gerichtstab zerbricht und das Gericht schliesst. Der sog. Grossweibel, hier wohl der LandweibelTerm: , tritt als AnklägerTerm: auf, dessen FürsprechTerm: der GesandteTerm: von SchwyzPlace: ist. Als Fürsprech des BeklagtenTerm: tritt der GlarnerPlace: Gesandte auf. Die beiden Fürsprecher geben je ein UrteilTerm: ab. Falls diese beiden nicht gleich lauten, steht dem Landvogt der Stichentscheid zu (vgl. auch den Kommentar in SSRQ SG III/4 224-1).

    Aus den wenigen Akten über vollstreckte Todesurteile in GamsPlace: sowie aus den Ratsprotokollen der beiden Orte SchwyzOrganisation: und GlarusOrganisation: wird ersichtlich, dass es sich beim Hochgerichtsverfahren in Hohensax-GamsPlace: nurmehr um ein rein formales Gerichtsverfahren gehandelt hat. Landammann und Rat der beiden Orte geben je ihre Urteile aus und schicken diese dem Landvogt im GasterPlace: . Das Blutgericht in Hohensax-GamsPlace: übernimmt danach nur noch die formale Verurteilung nach den Vorgaben von SchwyzOrganisation: und GlarusOrganisation: (vgl. dazu ausführlicher SSRQ SG III/4 224-1, Kommentar 1). Zerfallen die beiden Urteile von GlarusOrganisation: und SchwyzOrganisation: , hat der Landvogt im Gaster den Stichentscheid, Beifall genannt (StASZ HA.III.70, S. 87 [p. 298]).

    Zum NiedergerichtTerm: in der Herrschaft Hohensax-GamsPlace: und zur AppellationTerm: an den Landvogt im GasterPlace: vgl. SSRQ SG III/4 94-1.

  2. Die Hochgerichtsform von WerdenbergPlace: mit dem Originaltitel: «HochgrichtsformbTerm: etc. zuo WerdenbergPlace: » wird am 11. Mai 1690Date: 11.5.1690 von Johann Kaspar ElmerPerson: aus dem Original abgeschrieben (LAGL AG III.2462:012). Von der Hochgerichtsform existiert jedoch eine ältere Abschrift im Landbuch im PGA Buchs (PGA Buchs B 11.21-04, S. 53–69). Das Landbuch ist von Balthasar StreiffPerson: von DiesbachPlace: um 1648Date: 1648 verfasst worden, der es am 23. Dezember 1648Date: 23.12.1648 SchulvogtTerm: Niklaus EnglerPerson: (um 1610–†1673) von OberräfisPlace: (Sevelen) schenkte. Engler erweitert das Landbuch um diverse Einträge, u. a. auch um die Hochgerichtsform. Dieser Eintrag im Landbuch war die Vorlage für die gedruckte Ausgabe der Hochgerichtsform von Nikolaus SennPerson: aus dem Jahr 1874Date: 1874 (Senn, Gerichts-Form). Die Werdenberger Hochgerichtsform ist viel ausführlicher als die Gamser, da sie nicht nur die formalisierten Handlungen, sondern auch die Reden und Antworten von Richter und Fürsprecher in allen Einzelheiten verzeichnet. Nach Beusch und Winteler wurde sie 1592 nach glarnerischem Vorbild verfasst (Beusch 1918, S. 42; Winteler 1923, S. 48). Zum Hochgericht in Werdenberg vgl. auch SSRQ SG III/4 124-1.

Edition Text

Form und weiß,
wie zu GamßPlace: könfftighin die landttägTerm: sollen gehalten werden,
dahin von beyden loblloblichen orthen SchweitzOrganisation: und GlarußOrganisation: die
abgesantenTerm: zu der executionTerm: abgeschickht werden


1.mo Nach dem die richterTerm: an dem orth, wo daß gerichtTerm: befohlen
zu versamlen, sich einbefunden, macht der landtvogtTerm: als
oberster richterTerm: ein kurtze red, umb zu verdeüten, warumb
mann versamlet.

2. Ob die richter ihre sitz auf den richterstüelenTerm: nemmen,
haltet der oberst richter die umbfragTerm: , ob er möge sitzen und
über daß bluothTerm: richten nach kayserlichen rechtenTerm: und
EydgnössenOrganisation: breüchenTerm: , uebungen und gerechtigkeiten.

3. Nachdemme eß durch ein umbfrag bejaet, setzen sich die
richterTerm: auf ihre stüelTerm: .

4. Der oberste richterTerm: ziechet sein degenTerm: auß der scheidTerm: , verbantTerm:
daß gericht bey dem eydTerm: , daß keiner solle auffstehn noch
hinweg gehn, biß urtel und recht vollzogen, jedoch
gotteß gewald und ehrhaffte noth vorbehalten.

5. Der oberste richterTerm: fragt, ob jemand gericht und grecht
begehre old verlange.

6. Der grossweibelTerm: 1 tritt hervor, verlanget recht über ein
misethätterTerm: imm nahmen der hochheiten und begerth
ein vorsprechTerm: .

7. Welches ihme in einer umbfragTerm: bewilliget wird und
verlanget den hAbbreviation ehren gsantenTerm: von SchweitzPlace: , der sich entschuldiget.

8. Wird aber durch ein umbfrag darzu angehalten.

9. Behaltet ihmme vor, sich zu vorsprechen zu lassen für daß erste,
ander und dritte mahl, so vil eß von nöthen.
[fol. 1v]Page break
10. Deß grossweibelsTerm: vorsprechTerm: bittet umb ein rath, werden
ihmme zwey richterTerm: erlaubt, so mit ihmme zu rath gehn
in einem abtrittTerm: .

11. Im zurugg kommen begerth er, daß mann denn malificantenTerm:
vorstelle, so auch geschichet.

12. Deß grossweibelsTerm: vorsprech traget ihmme vor seine verbrechenTerm: .

13. Der arme sünderTerm: bittet umb einen vorsprech, welches ihmme
begünstiget, begert den hAbbreviation ehren gesanten von GlarußPlace: ,
welcher sich entschuldiget, wird aber durch ein umbfrag darzu gehalt und mit einem mehrTerm: bestättet.

14. Der vorsprechTerm: dess delinquentenTerm: begerth auch ein rathTerm:
von zwey richternTerm: , so ihmme bewilliget werden.

15. Trittet mit selbigen und dem armen sünderTerm: , so wohl
verwareth, ab.

16. Bey ruggkonfft begehret er seineß eydsTerm: entbunden
zu sein, welches auch geschicht.

17. Der vorsprechTerm: deß grossweibelßTerm: begehret, daß der gantze
process deß malificantenTerm: abgelessenTerm: werde.

18. Deß armen sündersTerm: vorsprech widerspricht eß und sagt
dem vorsprech deß grossweibelsTerm: , er solle eß mündtlichTerm:
thuon, welches auch kürtze halber mehristenß geschichet
durch ein auszug, so er von dem gantzen processTerm: seiner
begangenen misethattenTerm: gemacht hat.

19. Dess armen sündersTerm: vorsprech entschuldiget ihne, so guet er kan.

20. Der vorsprech dess grossweibels auff laib und lebenTerm: .
[fol. 2r]Page break

21. Der vorsprech deß armen sünders bittet für ihnne umb gnadTerm: .

22. Deß grossweibelsTerm: vorsprechTerm: falt ein sentzentzTerm: nach scharpfe der rechten.

23. Der vorsprechTerm: deß armen sündersTerm: gibet der sententz nach aller milte.

24. Die umbfragTerm: wird bay den richternTerm: gehalten, so alle begehren,
daß der setentzTerm: bey den hochen eröffnet und abgelesen werde.

25. Welches geschichet und gibet hAbbreviation landtvogt einem sein beyfahl,
wann solche nicht gleich lauthet.

26. Auf welches, weilen ein todtsurthelTerm: , hAbbreviation landtvogtTerm: den staab
bricht
Term:
, dem armen sünderTerm: für die füessTerm: würfft und ihmme
anzeigt, was todtsTerm: er sterben solle.

27. Der scharpfrichterTerm: wird berueffen, daß urtheil ihmme angezeigt
und der arme sünder zur executionTerm: ihmme in die hände
übergeben.

28. Mann hat zu vor ein reichßvogtTerm: 2 erwelletTerm: , so dem armen
sünder vorreithet mit seinem schwerthTerm: in der hand, der
executionTerm: beywohnet und die vollziechung dem
richter überbringet.

29. Als dann dhder herr landtvogt als oberster richterTerm: daß
bey dem eydTerm: gebanete bluethgerichtTerm: aufhebt und
nach einer umbfragTerm: alles aufstehet und auseinandern gehet.

Dise form und ordnungTerm: , ein landtagTerm: zu GamßPlace:
zu halten, ist von allhiesigem orth SchweitzOrganisation: placidiertTerm:
worden, den 18.ten 9bris 1741Date of origin: 18.11.1741,

cantzley SchweitzPlace of origin: .
|Page break
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 18th century:]
Form und weiß,
wie könfftighin
die landttägTerm: sollen
zu GamsPlace: gehalten
werden, dahin von
beyden loblloblichen orthen SchweitzOrganisation:
und GlarußOrganisation: die hhAbbreviation abgesanten zu der executionTerm: abgeschickht werden

Notes

    1. Hier ist wohl der LandweibelTerm: gemeint.
    2. Hier wird ein veralteter Begriff übernommen. Es ist der Landvogt gemeint.