check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF II/11 157-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, by Ariane Huber Hernández and Michael Nadig

Citation: SSRQ ZH NF II/11 157-1

License: CC BY-NC-SA

Ermahnung der Gemeinde Höngg wegen einer verbotenen Gemeindeversammlung und Bestrafung der Anführer

1740 July 20.

Bei der kürzlich erfolgten Gemeindeversammlung zur Verleihung des Wirtshauses verweigerte ein Teil der Gemeindegenossen zunächst die Teilnahme an der Versammlung. Stattdessen trafen sie sich an einem anderen Ort, stimmten ab und kamen dann an die Gemeindeversammlung, um sich dem dort bereits Beschlossenen zu widersetzen. Dies ist zwar ein schwerwiegendes Vergehen, aus landesväterlicher Milde belässt der Zürcher Rat es jedoch dabei, am nächsten Sonntag nach dem Gottesdienst in der Kirche durch Verlesung des vorliegenden Urteils der Gemeinde sein Missfallen ausdrücken zu lassen. Damit wird der Salzhausbuchhalter und alt Landschreiber Johann Kaspar Landolt beauftragt. In Zukunft sind solche Übertretungen zu unterlassen und den Obervögten die nötige Ehrerbietung zu erweisen und Gehorsam zu leisten. Bei der Verleihung des Wirtshauses an Heinrich Nötzli soll es bleiben. Diejenigen, deren Vergehen schwerer wiegt als das der anderen, nämlich Heinrich Grossmann genannt Wild, Heinrich Nötzli, Jakob und Sigmund Appenzeller und Andreas Nötzli, sollen sich anfangs nächster Woche wegen ihrer Frechheit bei den Obervögten entschuldigen und danach mit zweitätiger Gefangenschaft im Oetenbach bestraft werden.

Am 20. Juni 1740 vermittelten die Obervögte von HönggPlace: im Streit zwischen dem ehemaligen und dem neuen Wirt von HönggPlace: um die Verleihung und Nutzung des Wirtshauses. Der entstandene Kompromiss sah vor, dass weder der bisherige Wirt Kaspar RiederPerson: noch seine Söhne sich auf die anstehende Verleihung bewerben würden. Das Wahlrecht blieb bei der Gemeinde, die am folgenden Montag zur Wahl schreiten sollte. Da jedoch keine weiteren Kandidaturen bestanden, würde Heinrich NötzliPerson: der neue Wirt sein. Als solcher würde er laut Kompromiss ab JohanniPerson: (24. Juni) die zum Wirtshaus gehörende Metzgergerechtigkeit innehaben. RiederPerson: wurde jedoch zugestanden, noch drei Monate über JohanniPerson: hinaus das Wirtshaus zu betreiben und alleine Speis und Trank auszuschenken. Ebenso durfte er den von ihm angelegten Garten noch so lange nutzen. Ausserdem wurden ihm die Vorräte an Mist und Gülle überlassen. Dafür musste RiederPerson: das Antrittsmahl des Wirts ausrichten beziehungsweise als Ersatz das Geld dafür bezahlen. NötzliPerson: sollte sich jedoch daran beteiligen und seinen Anteil RiederPerson: übergeben (StAZH A 126, Nr. 168). Diese letzte Bestimmung sorgte für Unruhe in der Gemeinde. Am 1. Juli 1740 verhörten die Obervögte mehrere Gemeindegenossen, die sich vor der Gemeindeversammlung zur Verleihung des Wirtshauses am LindenbrunnenPlace: getroffen hatten (StAZH A 126, Nr. 169). Offenbar empfanden es diese als ungerecht, dass NötzliPerson: RiederPerson: etwas bezahlen sollte, die Gemeinde aber nichts davon habe, da das Antrittsmahl des Wirts, der sogenannte Mustertrunk, vor einiger Zeit abgeschafft worden war. Die Gemeindegenossen forderten die sofortige Abhaltung des Mustertrunks und drohten damit, den Keller aufzubrechen, wenn er nicht für sie geöffnet würde. Mit der Antwort, man müsse zuerst die Obervögte fragen, gaben sie sich nicht zufrieden. Sigmund AppenzellerPerson: wurde vorgeworfen, gesagt zu haben, nicht die Obervögte seien die Meister, sondern sie selbst. Auf die Frage der Obervögte, ob sie nicht wüssten, dass der Kompromiss jährliche Gemeindetrünke vorsehe, antworteten die Befragten, davon wüssten sie nichts. Teilweise beriefen sich die unzufriedenen Gemeindegenossen auch auf die von den Obervögten kurz zuvor erlassene Ordnung für die Verleihung und den Betrieb des Wirtshauses von HönggPlace: , die unter anderem Bestechung und Drohung bei der Verleihung verbot (StAZH A 126, Nr. 167), um die Zahlung von NötzliPerson: an RiederPerson: als unzulässig zu verurteilen. Allerdings scheint auch RiederPerson: seinen Parteigängern ein Mass Wein versprochen zu haben, was vermutlich zu den Unruhen beitrug (StAZH A 126, Nr. 169).

Da sich mehrere Beteiligte bereits an Ratsherren oder den Bürgermeister gewandt hatten, überwiesen die Obervögte den Fall an den ZürcherPlace: RatOrganisation: , der am 6. Juli 1740 die Ratsherren FüssliPerson: , BlarerPerson: und KellerPerson: zusammen mit den Obervögten mit der Untersuchung des Falls betraute (StAZH B II 830, S. 24-25; StAZH A 126, Nr. 170). Diese Ratsdelegation befragte die Beteiligten am 12. und 13. Juli 1740 und erstattete danach dem Rat Bericht (StAZH A 126, Nr. 171), worauf dieser das vorliegende Urteil fällte.

Die Wirtshausordnung der Obervögte war am 10. Juni 1740 erlassen worden (StAZH A 126, Nr. 167). Sie ergänzte eine nur wenig ältere Ordnung aus den 1730er Jahren um die ersten beiden Artikel zum Verbot von Bestechung und Drohung bei der Verleihung sowie zur Beschränkung der Wahlberechtigung auf Hausväter und Berechtigte am Gemeindeholz. Die letzte Ziffer der Datierung der älteren Ordnung ist aufgrund eines Tintenkleckses unleserlich, die Datierung auf Mittwoch, den 27. Mai wäre jedoch für die Jahre 1733 und 1739 zutreffend (StArZH VI.HG.A.4.:45).

Der Ersatz von Gemeindetrünken durch Geldzahlungen findet sich beispielsweise auch 1752 in OberstrassPlace: (SSRQ ZH NF II/11 161-1) oder 1763 in FlunternPlace: (SSRQ ZH NF II/11 164-1, Art. 5). Bereits 1657 war es in HönggPlace: zu Unruhen gekommen, als die Gemeinde wegen ausstehender Soldforderungen dem neuen Obervogt mit Huldigungsverweigerung drohte (SSRQ ZH NF II/11 120-1).

Edition Text


Mittwochs, den 20. juliiDate of origin: 20.7.1740,
prntbpresentibus herren burgermeister EscherPerson: und beyde räthOrganisation:

[...]Editorially irrelevant
[p. 56]Page break

Gleichwie mnghhrAbbreviation aus dem
weitlaüffigen und vollständigen
bericht der zu grundlich näherer untersuchung des neülich zu HönggPlace:
bey anlaaß geschehener wirths[p. 57]Page breakhauß verlehnung vorgegangenen
unwesens eigens in der gesezten
verordnung zu besonderem wohlgefallen zu vernehmen gehabt,
daß ein nambhaffter theil daselbstiger gemeindsgenoßen ganz ruhig,
still und gehorsamm verbliben,
also ist hingegen denenselben sehr
mißbeliebig vorgekommen, daß
der andere und mehrere theil
fraffentlich sich untergangen
dörffen, nicht allein der aus obervögtlichem befehl angestellten
gemeindsversammlung ungehorsammlich sich zuentaüßeren, sondern sogar entgegen derselben
anderwerts zusammen zulauffen,
das mehr über gewüße sachen
ergehen zulaßen, und da sie
nachgehends auch noch in die
gemeinds versammlung kommen,
dem allbereit abgehandleten
unruhiglich sich zu widersezen.

Obwohlen nun aber diseres freche
beginnen an sich selbsten sehr
schwehr und annoch mit vilen
gravirenden umständen begleitet gewesen, zumahlen
danahen auch eine ernstliche
und thätliche straff ohne anders darauf folgen solte, so
haben jedannoch hochgedacht
mnghhrnAbbreviation dermahlen noch
alle landesvätterliche gelindigkeit gebrauchen wollen,
und in solch gngnädiger intention
einhelliglich verordnet, daß hrAbbreviation
salzhauß buchhalter und alt
landschreiber Johann Caspar LandoltPerson: [p. 58]Page break
nächstkommenden sonntagDuration: Sunday morgensDuration: morning in
begleit eines stattbedienten nach
HönggPlace: sich verfüegen, nach vollendetem gottesdienst die gemeind
in der kirchen still zu stehen vermahnen, und sodann denen an obverdeüten ungebühren schuldtergenden durch belesung gegenwärtiger oberkeitoberkeitlicher erkanntnuß
einerseits mnghhrnAbbreviation mißfallen,
wiewohlen mit vorbehalt weiterer zuredstellung und abstraffung derjenigen, welche vor anderen auß mit worten oder
werken unverantwortliche
außgelaßenheiten verüebet,
ernstlich bezeügen; anderseits
aber bey vermeidung höchster
ungnad und ohnverschohnt empfindlicher straff hinkönfftig
vor dergleichen gröblichen übersehungen sich zuhüten, so auch denen dermahligen und jederwiligen hhAbbreviation obervögten alli ehrerbietung und gehorsamme pflichtmäßig zuerweisen erforderlich ansinnen, und dannethin nachsichtlich anzeigen solle, daß mnghhrnAbbreviation es bey der an lieutenant Heinrich NözliPerson: geschehenen
verlehnung des wirthshaußes
lediglich bewenden laßind, und
denen hhAbbreviation obervögten übergeben habind der anderen sachen
halber daßjenige, was sie billich und dem besten der gemeind angemeßen zu seyn
bedunkbedunken wird, oberkeitoberkeitlich zu verfüegen.
Was anbetrifft,
wie die obangeregter maaßen [p. 59]Page break
mehr als anders fehlbahr erfunden gewordene, mit nahmen Heinrich Großmann der maurer, genannt WildPerson: , Heinrich NözliPerson: der
schneider, JacobPerson: und SigmundPerson: die
Appenzelleren
Organisation:
, und Andreas NözliPerson:
anzusehen, ist darüber würklich erkennt, daß sie von seiten
der hhAbbreviation verordneten anfangs
könfftiger wochen hargefordert
und unter nochmahliger und
specialer bezeügung des oberkeitloberkeitlichen mißfallens zu gezimmender abbbitt ihrer frechheit
gegen denen hhAbbreviation obervögten
angehalten und alsdann noch
mit zweytägigerDuration: 2 days gefangenschafft
im ÖtenbachPlace: gebüßt werden
sollind.