SSRQ ZH NF I/2/1 12-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Neue Folge, Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur, Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur, Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, by Bettina Fürderer
Citation: SSRQ ZH NF I/2/1 12-1
License: CC BY-NC-SA
Verordnung über die Appellation gegen in Winterthur ergangene Gerichtsurteile und die Höhe der Bussgelder
1324 October 6.
Metadata
- Shelfmark: STAW URK 56
- Date of origin: 1324 October 6 Transmission: Original
- Substrate: Pergament
- Format h × w (cm): 27.0 × 23.0 (Plica: 2.5 cm)
- 1 seal:
- Stadt WinterthurOrganisation: , sealed on a parchment tag, missing
- Language: German
-
Edition
- UBZH, Bd. 10, Nr. 3913
- Schneller, Stadtrecht, S. 33-34
Regest
- QZWG, Bd. 1, Nr. 105
Comments
Bis 1417 war die Gerichtsbarkeit in WinterthurPlace: der Stadtherrschaft vorbehalten, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 51-1. Das 1264 durch den Grafen Rudolf von HabsburgPerson: kodifizierte städtische Recht gestand den Bürgern zwar zu, vor Gericht über die Schuld oder Unschuld eines Angeklagten zu urteilen, das Strafmass war jedoch festgelegt. Delinquenten, die Betrug, schwere Untreue, Blendung, Verstümmelung, Totschlag oder Mord begangen hatten, verloren die Huld des Stadtherrn, bei Körperverletzung unter Einsatz einer Waffe wurde ein Bussgeld von 5 Pfund verhängt oder die Hand abgeschlagen, bei sonstigen Vergehen drohte eine Strafe von 3 Pfund oder die Ausweisung aus der Stadt für ein Jahr (SSRQ ZH NF I/2/1 5-1, Artikel 4, 11). Eine städtische Rechtsaufzeichnung aus dem Jahr 1297 präzisiert die Strafbestimmungen: Der Schultheiss sollte über Delinquenten, welche die Huld des Stadtherrn eingebüsst hatten, nicht richten, sondern sie mit ihrem Besitz zuhanden des Stadtherrn in Gewahrsam nehmen. Wem ein Bussgeld von 3 Pfund auferlegt wurde, musste dieses binnen acht Tagen bezahlen oder die Stadt für Jahr und Tag verlassen, darüber hinaus standen dem Kläger und dem Schultheissen jeweils 3 Schilling zu (SSRQ ZH NF I/2/1 7-1, Teil III, Artikel 1).
Delinquenten, die nicht zahlungsfähig waren, konnten ihre Strafe bisweilen auch abarbeiten, wie der Fall des jungen TürlerPerson: im Jahr 1459 beweist. Statt die Strafe von 20 Pfund zu bezahlen oder ein Pfand zu stellen, sollte er sie nach Übereinkunft mit dem WinterthurerPlace: RatOrganisation: «verdienen mit wercken». Der Aufenthalt in der Stadt war ihm unter der Voraussetzung erlaubt, sich mit den Hinterbliebenen des Opfers zu einigen (STAW B 2/1, fol. 127v), weitere Beispiele bei Gut 1995, S. 212 (für WinterturPlace: ); Burghartz 1990, S. 88-89 (für ZürichPlace: ); Schuster 2000, S. 250-252 (für KonstanzPlace: ). TürlersPerson: Fall verweist auf die Bedeutung des Ausgleichs zwischen Täter und Opferfamilie, der sogar Priorität vor einem gerichtlichen Verfahren haben konnte, vgl. hierzu allgemein Schuster 2000, S. 140-155; die bei Gut 1995, S. 133-134, aufgeführten Fälle betreffen jeweils Angehörige der Herrschaft KyburgPlace: , keine Bürger von WinterthurPlace: .
In dieser Urkunde wird erstmals der Bestimmungszweck der Gerichtseinkünfte, die Finanzierung städtischer Baumassnahmen, genannt. Nominell standen die Bussgelder jedoch noch immer dem Stadtherrn zu, wie deren zeitlich befristete Überlassung durch Herzog Leopold von ÖsterreichPerson: in den Jahren 1400 und 1406 beweist (STAW URK 352; STAW URK 401). Ausserdem wird deutlich, dass Schultheiss und Rat von WinterthurPlace: Organisation: nur in Absprache mit dem Stadtherrn oder seinem Vertreter vor Ort, dem Vogt von KyburgPlace: , neue strafrechtliche Bestimmungen erlassen durften.
Edition Text
Wir, Marquart GevetterliPerson: , sulthais, Johans von SalaPerson: der alte, Uͦlrich NegelliPerson: , Johans der ZwiherroPerson: , Johans der SculthaisPerson: , Herman von SalaPerson: und
Johans StehelliPerson: , der ratOrganisation: , und alle die burger ze WinterturPlace: Organisation: gemainlich, ku̍nden allen, die disen brief an sehent oder hoͤrent lesen, das wir
dur u̍nser stat nûz und êre mit des erberen ritters hern Eberhartes von EpenstainPerson: , unsers vogtes,1 gunst und rate dise nah gescribenun
ordenung und gesezzede verscriben und gesezzet haben, und gebieten und wellen, das man su̍ steͣte habe jemerme. Des ersten haben
wir gesezzet, was die alten brief u̍nser stat gewonhait oder rehtes hant, das man die steͣte habe und oͧch die selbun gewonhait
und das selbe reht niender fu̍rbas zuhen su̍ln wan an die selben briefe und hantvesti u̍nser stat. Wir haben oͧch gesezzet, was
sache von u̍nseren burgeren verscriben und besigelt ist oder wirt mit dem grossem gemainemNotable spelling insigel der stat oder mit des ratesOrganisation: insigel,
das daz steͣte sin sol, an alle widerrede, und sol oͧch niender fu̍rbas gezogen werden. Und wer da wider den briefen wissentlich redot,
der sol von allem sinem rehten sin und dem andern sol sin reht gevalen sin. Wir haben oͧch gesezzet, was urtailden an u̍nserm
gerihte zer hellent, die man zu̍hen sol, das man die fu̍r den amman in den rat ze CostenzPlace: Organisation: zu̍hen sol und niender anderswa.
Wir haben oͧch gesezzet an u̍nser stat bû, swer ain freveli2 tuͦt, der burger ist, der sol an der stat bû geben fûnph schiling
phennigeCurrency: 5 shillings bi der tag zit, so er beclagt wirt, oder man sol im die stat verbieten. Ist aber er ain gast, so sol er zwivalt buͦsse
geben. Tuͦt aber ain burger ain wundatun oder ain hainsuͦchi, so sol er zehen schillingCurrency: 10 shillings geben an der stat bû, oͧch bi der tagzit, so er beclagt wirt, oder man sol im die stat verbieten. Ist aber er ain gast, so sol er aber zwivalt buͦsse geben. Tuͦt
aber ain burger ainen todslag inrunt dem fridekraisse, der sol die stat miden, unz daz er git an der stat bû zehen phunt
phenigeCurrency: 10 lb , und sol du̍ berihten, êe das er wider in die stat kome, mit phenningen oder mit phanden, du̍ ain jude umbe
so vil guͦtes geneme. Und komet er dar uber in die stat, so sol in der sculthais vahen und sol ime des ain ratOrganisation: und
du̍ gemaindeOrganisation: gehu̍lfig sin und swen er dar zuͦ vorderot. Ist aber, das ain gast ainen todslag tuͦt inrunt dem fridkraisse,
der sol die stat miden, unz das er berihtet zwainzeg phuntCurrency: 20 lb in allem rehte als der burger du̍ zehenu̍Currency: 10 lb . Ist aber, daz dekainer umb den todslag gevangen wirt, als vor gescriben ist, er si burger oder gast, den sol man ainen manodDuration: 1 month behalten.
Und swanne der manodDuration: 1 month ûs kumet, git er nu̍t den ainung, als vor gescriben ist, so sol man imCorrection overwritten, replaces: na die hant ab slahen,
da mitte er es getan hat.3 Wir haben oͧch gesezet, swas frevilan an u̍nserm gerihte gevallent, swa su̍ beschehen
sint, inrunt dem fridekraisse oder usserunt, das man die u̍nser stat besseron sol, dar nah als du̍ frevili und der ainung
danne gesezzet sint. Und ze ainem gewer und steͣten urku̍nde der vor gescribenen ordenung und gesezzede so haben
wir disen brief besigelt mit u̍nser stat insigel. Dirre brief wart gegeben, do von gottes gebu̍rte waren
dru̍zehenhundert jar zwainzeg jar, darnah in dem vierden jare, an dem nehsten samstag nah sant MichelsPerson: tagDate of origin: 6.10.1324.
b–Wir haben oͧch gesezzet umb den totslag, der geschiht usserunt dem fridekraisse, ist, das u̍nser burger aine ainen totslag
tuͦt an dem andern unserm c burger usserunt dem fridekraisse, der git oͧch zehen phuntCurrency: 10 lb in allem dem reht, als
vor gescriben ist. Ist oͧch, das ain gast ainen totslag tuͦt an u̍nserm burger ainem usserunt dem fridekraisse, der git oͧch
zwainzeg phuntCurrency: 20 lb in allem reht, als vor gescriben ist. Wir haben oͧch gesezzet, wer den, der ainen totslag getan hat, als
vor benemmet ist, hûset oder hovet, êe er sich mit der stat berihtet, als vor gescriben ist, der git dru̍ phuntCurrency: 3 lb an der stat
bû und sol die oͧch berihten mit phanden oder mit phennigen, die ain jude umb sôvil guͦtes geneme, als vor gescriben ist.Addition on the bottom with different ink–b
Notes
- Correction overwritten, replaces: n.↩
- Addition on the bottom with different ink.↩
- Deletion: unserm.↩
- Addition inline with different ink.↩
- Der Vogt von KyburgPlace: war der Vertreter der Stadtherrschaft vor Ort, vgl. Niederhäuser 2014, S. 107.↩
- Zu dieser Deliktgruppe vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 194-1.↩
- In einer der Stadt MellingenPlace: erteilten Auskunft über die Bestrafung von Totschlag durch Auswärtige an Auswärtigen wird dieser Fall näher erläutert: Konnte der Täter verhaftet werden, sollte der Schultheiss ihn und seinen Besitz zuhanden des Stadtherrn in Gewahrsam nehmen. Flüchtige Täter konnten sich solange dem städtischen Zugriff entziehen, bis sie wieder den äusseren Stadtgraben überquerten. Wurden sie dann verhaftet, sollte der Schultheiss sie einen Monat unter Arrest stellen, bis sie 20 Pfund zahlten oder ein Pfand hinterlegten, andernfalls wurde ihnen nach Ablauf der Frist die Hand abgeschlagen (UBZH, Bd. 13, Nr. 3913a).↩
Regest