SSRQ ZH NF I/1/11 6-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11:
Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger
Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 6-1
License: CC BY-NC-SA
Gültordnung der Stadt Zürich
1529 October 9.
Metadata
- Shelfmark: StAZH III AAb 1.1, Nr. 14
- Date of origin: 1529 October 9 Transmission: Druckschrift, 4 Bl.
- Substrate: Papier
- Format h × w (cm): 18.5 × 30.5
- Language: German
-
Edition
- Egli, Actensammlung, Nr. 1612
Erwähnung
- Bullinger, Reformationsgeschichte, Bd. 2, S. 195 (zu November 1529)
Nachweis
- Moser 2012, Bd. 1, S. 197, Nr. 175
- Schott-Volm, Repertorium, S. 766, Nr. 159
- Vischer, Druckschriften, S. 77, Nr. C 164
- Ott, Rechtsquellen, Teil 1, S. 91, Nr. 209
- VD16 Z 611
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Zu den bedeutendsten Kreditinstrumenten im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Finanzmarkt zählten die Gülten. Dabei handelte es sich um eine Form des Bodenkredits, bei welchem der Gläubiger vom Schuldner eine regelmässig anfallende Rente kaufte und ihm dafür einen grundpfandgesicherten Kredit gewährte. Als Schuldner fungierten oft Bauern mit Grundeigentum, welche zur Überbrückung von Notlagen und zur Auszahlung ihrer Miterben bei Erbteilungen Kredite aufnahmen. Die Gläubiger waren häufig reiche Stadtbürger oder auch Städte und Institutionen, welche ihr Geld anlegen wollten. Zunächst wurden die Renten in Form von Naturalien (beispielsweise Getreide oder Wein), ab dem Spätmittelalter dann zunehmend als Geldzins bezahlt. Da die Gült wucherrechtlich als Kaufgeschäft und nicht als Darlehen galt, konnte das kirchliche Zinsverbot umgangen werden. Während es sich bei den ersten nachweisbaren Gülten im 13. Jahrhundert noch um ewige, das heisst nicht ablösbare Gülten handelte, finden sich seit dem 14. Jahrhundert in den Gülturkunden zunehmend Zusätze, welche die Möglichkeit der Ablösung der Gült durch den Schuldner und später auch durch den Gläubiger festhielten. Damit bewegte sich die Gült in Richtung eines langfristigen und kündbaren Darlehens, wobei sich seit dem 15. Jahrhundert der Zinssatz von 5 Prozent weitgehend durchsetzte.
Mit dem veränderten Kapitalanlageverhalten städtischer Gläubiger und der damit einhergehenden Zunahme der Gülten im Laufe des 15. Jahrhunderts ergaben sich vermehrt Konflikte und Schwierigkeiten. Insbesondere die Frage, ob eine Gült erkauft und damit ablösbar war oder ob es sich um ein nicht ablösbares Grund-, Erb- oder Handlehen handelte, war nicht immer klar ermittelbar. 1480 erliess der Rat der Stadt ZürichPlace: eine erste Ablösungssatzung (SSRQ ZH NF I/1/3 13-1), welche aber nur die Gülten der Geistlichkeit regelte. Im Jahre 1525 bestimmte eine Verordnung, dass die Ablösung von allen Gülten, welche für weniger als ein Mütt gekauft worden waren, zulässig war (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/2, S. 230, Nr. 149). Mit dem vorliegenden Mandat von 1529 wurde schliesslich die Ablösung von erkauften Gülten grundsätzlich erlaubt, wobei für die Kreditsumme (Hauptgut) Silbergeld und nicht mehr der Rheinische Goldgulden verwendet werden durfte. Die vereinfachte Ablösung und die Festlegung der Vertragswährung entlastete die verschuldeten Bauern, da diese aufgrund der Teuerung und der weniger starken Inflation der Goldwährungen zuvor real mehr Zinsen bezahlt hatten. Auch das Verbot von Getreidegülten begünstigte die Bauern, da die Rentenzahlungen in Getreide mengenmässig fixiert waren, ihr Wert aber aufgrund der steigenden Getreidepreise ebenfalls anstieg.
Mit dem Mandat vom 2. März 1530 wurden die Ablösungsmodalitäten differenzierter und präziser bestimmt sowie Kriterien zur Unterscheidung von ablösbaren und nicht ablösbaren Gülten aufgeführt (StAZH A 42.1.4, Nr. 15; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 1652). Bereits 1533 wurde die Gültablösung jedoch entschärft und wieder auf kleine Gülten beschränkt (StAZH A 42.1.4, Nr. 19; Edition: Egli, Actensammlung, Nr. 1971). Damit waren die Zugeständnisse an die Schuldner weitgehend rückgängig gemacht worden und die Sicherung der Geldanlagen der Gläubiger rückte stärker in den obrigkeitlichen Fokus.
Neben der Ablösung und Vertragswährung finden sich im vorliegenden Mandat auch Bestimmungen bezüglich der Ausstellung der Gültverträge (Zinsbriefe). Diese mussten zwar seit dem 15. Jahrhundert nicht mehr vor Gericht oder dem Rat gefertigt werden, aber sie durften nur noch von geschworenen Schreibern ausgestellt werden. Ausserdem waren lediglich die beiden Bürgermeister, alle Zunftmeister sowie auf der Landschaft die Obervögte befugt, die Verträge als besiegelte Urkunden auszustellen. Für die Schreiber wurde am 18. November 1529 eine eigene Ordnung erlassen (SSRQ ZH NF I/1/3 147-1). Um Betrugsfälle und Unklarheiten zu vermeiden, hatten die Schreiber die Pflicht, alle Gülten in Protokollen aufzuführen. Diese, später als Notariatsprotokolle bezeichneten Verzeichnisse, wurden ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und vor allem dann ab dem 17. Jahrhundert in vielen Kanzleien des Herrschaftsgebiets ZürichsPlace: üblich (vgl. die Gültordnung von 1653, SSRQ ZH NF I/1/11 22-1).
Zu den Gülten und Gültablösungen vgl. HLS, Agrarverschuldung; HLS, Grundpfandrecht; HLS, Gült; Köppel 1991, S. 139-147 und 330-338; Gilomen 1984, S. 141-145; Hüssy 1946a, S. 219-224; Wyss 1861.
Edition Text
Hierinn stadt geschriben und ist begriffen die ordnung / erkantnuß / gebott / und Christenlich verbesserung / von uns Burgermeyster klein und grossen Raͤdten der Statt ZürichPlace: Organisation: / der Zinsenn / ouch unzimlicher koͤuffen und verkoͤuffen halb / an unsere biderben underthonen allenthalb / inn Statt und Land ußgangen
Woodcut
[fol. 1v]Page break [fol. 2r]Page breakWir der Burgermeister / Radt unnd der groß Radt / so man nempt die Zweyhundert / der Statt ZürichPlace: Organisation: . Embietend allen und yeden unseren Burgern / Hindersaͤssen / Amptlüten / Ober unnd Undervoͤgten: ouch allen anderen Geystlichen unnd Weltlichen personen / inn unser Statt / Landen / Grichten / und Gebieten / wonhafft und gesaͤssen / unsern günstlichen gruͦß / geneigten willen unnd alles guͦtz zuͦ vor. Und thuͦnd üch sampt unnd sonders zuͦ vernemmen. Als dann yetz ein guͦte zyt dahaͤr / Gott der Allmaͤchtig unser einiger heyland / by uns / den unseren / und an vil anderen orten / syn heylsam / war / unbetruglich wort / durch wolbericht / gelert maͤnner unnd predicanten / gnaͤdigklich hat lassen an den tag kommen unnd verkündt werden. Und aber nit so vil beßrung und guͦter früchten daruß gevolget / dann das (wie leider taͤglich ougenschynlich gesehen wirdt) der gmeyn arm mensch / inn statt und land / für und für / mit unlydenlichen beschwerlichen zinsenn / ouch unzimlichen maͤrckten / koͤuffen unnd verkoͤuffen / verhefft / beladen / unnd zuͦ grund gericht wirdt / Das wir zuͦ fürdrung und uffnung der eer Gottes / unnd abstellung grosser ergernuß / nachteyl / und unkomligkeiten / so dahaͤr volgen moͤchtind / als ein Christenliche unnd ordenliche Oberkeyt / die sachen der zinsen (dero vil und mengerley sind) nach gemeynen bruch unnd rechten / gemaͤssiget habend. Doch on abgebrochen unnd one nachteil / brieff und siglen / ouch dem houptguͦt darinn begriffen / namlich also.
[5] Harinn schliessend wir uß / und behaltend heyter vor / das man von erb guͤtern / und handtlechen wo die von den lechenherren und besitzern umb zinß hingelichen und verkoufft waͤrind / oder noch in künfftigem hingelichen unnd verkoufft wurdind / den gebürlichen zinß / wie die lichungen und verkoͤuff ernempter guͤteren zuͦgebend / davon antwurten. Darzuͦ die rechten erb oder gründ zinß / jaͤrlichRepeated duration: 1 year on yntrag / geben und ußrichten: ouch niemants einich losung oder widerkouff darzuͦ haben soͤlle.
Unnd in soͤlichem argwon unnd gfar zuͦ vermyden / das einer [fol. 3r]Page break oder eine / soͤliche gerechtigkeit / wo die Zinsenden des nit enbaͤren wellend oder moͤgennd / durch lüt oder brieff / ald sunst gloubhafftenn schyn / darzuͦthuͦnd / schuldig sye.
Regest