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SSRQ ZH NF II/3 42-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, by Rainer Hugener

Citation: SSRQ ZH NF II/3 42-1

License: CC BY-NC-SA

Vergleich in einem Streit um den Neurodungszehnten und die freie Priesterwahl in Fällanden

1492 March 27.

Die beiden Ratsherren Ritter Hartmann Rordorf und Junker Johannes Meiss vermitteln in einem Streit zwischen dem Zürcher Grossmünsterstift und den Bewohnern von Fällanden über die Wahl des Vikars an der Kapelle Fällanden, die eine Filiale des Grossmünsters ist. Die Fällander bringen vor, dass sie bis anhin ihren Vikar selber hätten wählen dürfen und dafür freiwillig für dessen Unterhalt gesorgt hätten. Im Gegenzug habe die Propstei die Neubruchzehnten (Novalia) der Kapelle beziehungsweise dem Vikar überlassen. Nun aber habe die Propstei eigenmächtig Michael Fischer als Vikar eingesetzt und die Zehnten eingezogen. Es wird entschieden, dass die Fällander selber den Vikar wählen dürfen, dieser aber vom Leutpriester des Grossmünsters als eigentlichem Inhaber der Seelsorgerechte bestätigt werden muss. Dafür soll der Vikar dem Leutpriester jährlich auf Martini zwei Mütt Hafer und zu Ostern einen Anteil der am Karfreitag vor dem Kreuz geopferten Eier sowie dem Propst und dem Kapitel 8 Schilling geben. Die Neubruchzehnten in Fronholz und Bannwald stehen hingegen den Kirchgenossen für die Kapelle zu, während der Vikar die Zehnten aus Gemeinwerk und privatem Waldbesitz erhält. Der Vikar wird verpflichtet, in Fällanden zu wohnen, er muss dafür aber nicht am Kapitel teilnehmen. Bei Streitigkeiten zwischen Vikar und Gemeinde sollen Propst und Kapitel des Stifts entscheiden. Auf begründete Beschwerden hin können diese den Vikar seines Amtes entheben, doch bleibt es diesem vorbehalten, seine weltlichen Forderungen vor Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich zu rechtfertigen. Propst und Kapitel sowie Hartmann Rordorf und Johannes Meiss siegeln.

  • Shelfmark: StAZH C II 1, Nr. 742
  • Date of origin: 1492 March 27
  • Transmission: Original (A 1)
  • Substrate: Pergament
  • Format h × w (cm): 57.0 × 36.5 (Plica: 7.0 cm)
  • 4 seals:
    1. Propstei des Stifts ZürichPerson: , wax, oval, sealed on a parchment tag, well-preserved
    2. Kapitel des Stifts ZürichPerson: , wax, round, sealed on a parchment tag, well-preserved
    3. Hartmann RordorfPerson: , wax, round, sealed on a parchment tag, well-preserved
    4. Johannes MeissPerson: , wax, round, sealed on a parchment tag, well-preserved
  • Language: German

  • Shelfmark: StAZH C II 1, Nr. 746 b
  • Date of origin: 1492 March 27
  • Transmission: Original (A 2)
  • Substrate: Pergament
  • Format h × w (cm): 51.0 × 34.5 (Plica: 5.0 cm)
  • 4 seals:
    1. Propstei des Stifts ZürichPerson: , missing
    2. Kapitel des Stifts ZürichPerson: , missing
    3. Hartmann RordorfPerson: , missing
    4. Johannes MeissPerson: , missing
  • Language: German
  • Shelfmark: StAZH G I 1, Nr. 44
  • Date of origin: 16. c.
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt)
  • Condition: Löcher in Faltung, teilweise geklebt
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 21.5 × 31.5
  • Language: German
  • Shelfmark: ERKGA Fällanden I B 1
  • Date of origin: 16. c.
  • Transmission: Abschrift (Doppelblatt)
  • Condition: Löcher in Faltung
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 20.5 × 33.0
  • Language: German

Das GrossmünsterstiftOrganisation: hatte zunächst angestrebt, den Streit vor dem geistlichen Gericht des Abts von KappelPlace: schlichten und die FällanderOrganisation: mit dem Bann belegen zu lassen. Dies wurde ihm vom Zürcher RatOrganisation: allerdings untersagt, wie aus einem Eintrag im Ratsmanual vom 23. Dezember 1491 hervorgeht (StAZH B II 20, S. 102). Stattdessen kümmerte sich der Rat selber um die Schlichtung, indem er den vorliegenden Vergleich ausarbeitete.

FällandenPlace: war damit eine der ersten Gemeinden auf der Zürcher LandschaftPlace: , die ihren Priester selber wählen konnte (Leonhard 2002, S. 67-68; Dörner 1996, S. 160-161; Graf 1941, S. 12-13; Nüscheler 1864-1873, S. 397). Dadurch lud sich die Gemeinde aber so hohe Kosten für den Unterhalt und die Entlöhnung auf, dass sie die Kollatur 1552 der Stadt ZürichPlace: verkaufen musste (SSRQ ZH NF II/3 71-1).

Edition Text

Zuͦ wu̍ssen sye allermennglichem, als spenn und stoͤss ufferwachsen und gestannden sind zwu̍schen den erwirdigen herrn bropst und cappittel des gotzhus sannt FelixPerson: und sannt RegulenPerson: Organisation: der bropstye Zu̍richPlace: Organisation: an einem und den erbern lu̍ten, gemeinen unndertanen zuͦ VellanndenPlace: am GreyfennsePlace: , dem anndern teil, antreͣffennd die versechunng der cappell daselbs zuͦ VellanndenPlace: , die dann ein vilial ist der lu̍tpriesterye des obgenannten gotzhus zuͦ der bropstyeOrganisation: .
Da die gemelten unndertanen fu̍rwanten und vermeindten, nach dem sy ettwievil jaren har einen eignen priester zuͦ enntladnu̍ss eines lu̍tpriesters obgenannt und als einen vicarie und helffer desselben by inen gehept und dem uß der obgeruͤrten cappel ouch kein eignen guͦt, desglich durch ir hanndtreichunng, diennst und arbeit sovil getan hetten, damit einer by inen beliben und sy mit dem gotzdiennst und in der geistlicheit versechen moͤchte, und soͤlichs frig und unverdinngt beschechen, naͧch dem es kein bestaͤtte oder gewidmete pfruͦnnd were und die gemelten hern bropst und cappittelOrganisation: inen bishar zuͦhannden der beruͤrten cappell, desglich irem vicarie, der sy also verseche, die novaͧlia oder zechennden in den nu̍wbru̍chen daselbs zuͦ VellanndenPlace: irs teils gelausen, so hetten sy doch yetz unnderstannden, inen daran intrag zetuͦn und sy annders und witter zuͦ beschweͣren, dann aber ir alt harkomen und gerechtikeit weͣre mit dem, das sy herr Michel VischerPerson: , den sy nu̍wlich zuͦ irem vicary und versecher also angenommen und bestelt, hinder inen bestaͤttiget, des sy aber irem alten harkomen naͧch nit macht hetten, zuͦ dem unnderstuͤnnden sy, inen die beruͤrten novalia zuͦ speren und zuͦ ennzu̍chen, u̍ber das inen die vormaͧls nachgelaͧssen weren, mit beger, sy by irem alt harkommen, und wie sy das lannge jaͧr gebrucht hetten, zuͦ bliben laußen.
Und da gegen die obgenannten hern bropst und cappittelOrganisation: vermeindten, das sy zuͦ soͤlichem guͤten fuͦg und des wol macht gehept hetten, so wyt das deshalb beyd parthyen durch ir vollmeͣchtig anwaͤlt und botten für die strenngen, fu̍rsichtigen, ersamen und wisen bu̍rgermeister und raͧt der stat Zu̍richPlace: Organisation: kommen und gegen einannder in byweͣsen des obgenannten herr Michel VischersPerson: verhoͤrdt worden sind, die ouch daruff etlich uss irem raͧt zuͦ den parthyen mit beveͣlch zuͦ arbeitten, ob sy soͤlicher spenn guͤtlich betragen werden moͤchten, verordnet, als ouch die selben getaͧn, und an beiden teillen sovil erlannget, damit sy die in byweͣsen und mit gunst und willigung des genannten herr Michel VischersPerson: guͤtlich vereindt und bericht haben in wyß und maͧß, als hernach volget.
Dem ist also, das die obgenannten von VellanndenPlace: und ir naͧchkommen hinfu̍r als bishar by irem bruch und alt harkommen bliben soͤllen also, das sy einen priester, so dick sich das begipt, annemmen und bestellen und mit dem verkommen mogen, by inen mit hushablicher wonung zuͦ sitzen und sy als ein vicary und helffer eines lu̍tpriesters zuͦ der bropstyOrganisation: obgenant zuͦversechen. Und wenn sy also einen bestelt und mit imm verkomen haben, das sy dann den einem lu̍tpriester zuͦ der bropstyeOrganisation: fu̍rbringen und anntwurten, der inn uff stunnd beweͣren und erkunnen sol, ob er gnuͦgsam und togenlich sye, sy also zuͦversechen, und ob er also geschickt gnuͦgsam erfunnden wirdt, so sol im dann der selb willigen und vollkomnen gewalt geben, die cappell zuͦ VellanndenPlace: und die undertaͧnen daselbs an siner stat und als sin vicary und helffer in der geistlicheit zuͦ regieren und zuͦversechen, und zuͦ bekanntnuß desselben so sol der selb sin vicary zuͦ FellanndenPlace: im jerlichRepeated duration: 1 year geben uff sannt MartinsPerson: tagDate: 11. November (period) zwen mu̍t haber und zuͦ osternDate: floating holiday (deadline), so er im die heillikeit gibt, einen erlichen zympeltag von denAddition above the linea eyern, so am karfritagDate: floating holiday (deadline) zuͦ dem cru̍tz geopfert weͣrden, darzuͦ sol der selbig vicary den obgenannten herren bropst und cappitelOrganisation: jerlichRepeated duration: 1 year uff sannt MartisPerson: tagDate: 11. November (period) geben acht schilling guͦter Zu̍richer pfennigCurrency: 8 shillings of Zurich und darumb soͤllen sy inn schyrmen, das er zuͦ dheinem cappittel zegan bezwunngen weͣrde. Es soͤllen ouch die selben herrn probst und cappittelOrganisation: noch ir lu̍tpriester dhein recht zuͦ der lichung haben noch dheinen, so von den unndertaͧnen, als obstat, genommen und bestelt wirt, bestaͤttigen oder investigyeren, und ob es daru̍ber bescheche, das soͤlichs dhein krafft noch macht haben sol.
Und damit die selben von VeͣllanndenPlace: also einen eignen priester by inen haben und ein lu̍tpriester zuͦ der bropstyeOrganisation: dester fu̍rer entladen weͣrden moͤge, so haben die selben herrn bropst und cappittelOrganisation: fu̍r sich und all ir naͧchkommen gewilligt und naͧchgelaußen, das die novalia oder zechennden der nu̍wbru̍chen daselbs zuͦ VellanndenPlace: , sovil inen an dem ennd gefaͧllen und zuͦgehoͤren moͤchte, allweg an die cappell zuͦ VellanndenPlace: und einem verweͣser oder vicary der selben, so von den unndertanen also genommen ist, dienen und gelanngen soͤllen in naͧchgemelter formm, namlich was novalia in rechten gemeinen fronhoͤltzern und eewaͤlden gevallen, das die den unndertaͧnen zuͦ hannden der cappell werden soͤllen, damit sy desterbas erstatten mogen das, so sy irem vicary geben und tuͦn muͤßen. Was aber in andern gemeinwerchen oder in hoͤltzern, so zuͦ einichen hoͤfen und guͤtern daselbs insonnders gehoͤren, novalia gevallen, die soͤllen einem vicary daselbs werden und gelanngen. Es sol ouch der selb vicary personlich by inen wonen und sy selbs getru̍wlich und nach noturfft verseͣchen, besunders naͧch dheiner bestaͤttigung weͣrben noch dheinen weͣchsel oder u̍bergebunng mit niemans unnderstan.
Und ob sich begeͣbe, das zwu̍schen einem vicary und den unndertanen zuͦ VellanndenPlace: spenn oder zweytraͤcht gemeinlich erwu̍chsen, also das sy gemeinlich oder merenteyls vermeinten, das sy mit im nit verseͣchen weͣren oder er inen nit taͤtte, das er von billicheit tuͦn soͤlte oder unpriesterlich und ungepu̍rlich hielte, oder er sust mit einem, zweyen oder me in zweytreͣcht und unwillen keͣme, das sy gegen im nit verkiesen welten, darumb soͤllen und mogen sy inn fu̍rnemmen vor den obgenannten herrn bropst und cappittelOrganisation: und einem lu̍tpriester der bropstyeOrganisation: , und wie sy von den selben enntscheiden weͣrden, daby soͤllen sy beydersydt bliben aͧn waͤgern und appellieren. Und mogen ouch die selben uff behafftig ursachen und fu̍rwennden der unndertaͧnen inn des vicaryats und soͤlich verwesunng enntsetzen, und ob das beschicht, so sol er dannethin sy an dem ennd umbeku̍mbert lausen, und namlich so mogen sy imm dann einhalb jar vor sannt JohannsPerson: tagDate: 24. June (period) zuͦ su̍nnwennden abku̍nnden und sy darnach uff den selben sannt JohannsPerson: tagDate: 24. June (period) einen anndern annemmen und bestellen.
Ob er aber hinwiderumb an die unndertaͧnen gemeinlich oder sunndrig personen vordrunng und spru̍ch von weltlicher geschaͤfften weͣgen meinte zuͦ haben, darumb sol und mag er sy fu̍rnemen und rechtvertigen vor den obgenanntenn burgermeister und raͧt der stat Zu̍richPlace: Organisation: , doch zins und zechennden mag er von inen inzu̍chen ye mit dem rechten, als annder geistlich in der stat Zu̍richPlace: oder irn gebieten wonhafft tuͦn mogen. Und sol ouch ein yecklicher, so er von den unndertaͧnen, als obstat, angenommen wirdt, inen gnuͦgsame sichrung tuͦn, daby zuͦ bliben und dem also zuͦ leben und nachzekommen.
Und wann diser guͤtlicher vertrag durch u̍nns, obgenannten probst und cappittel der bropstye Zu̍richPlace: Organisation: , eins und gemein unndertanen zuͦ VellanndenPlace: annderteils mit guͦttem wu̍ssennthafften willen angenommen und by guͦten tru̍wen zuͦ halten zuͦgesagt und versprochen ist, so haben wir, die selben bropst und cappittelOrganisation: , u̍nnser bropstye und cappittelsOrganisation: insigele offennlich hieran tuͦn henncken, u̍nns und u̍nnser naͧchkommen des wu̍ssenntlich zuͦ bezu̍gen, und wir, die gemeinen unndertanen zuͦ VellanndenPlace: , haben aber mit ernnst erbetten die strenngen, frommen und vesten herr Hartman RordorffPerson: , ritter,1 und junckherr Johanns MeisenPerson: , beid des raͧts Zu̍richPlace: Organisation: , als unndertaͤdinger in dieser sach, das sy ir eigen insigele ouch fu̍r unns gehennckt haben an disen brieff, doch inen und irn erben one schaden, der geben ist uff zinstag nach u̍nnser lieben frowen tag in der vasten nach Crists u̍nnsers lieben herren gepurt, do man zalt tusennd vierhunndert nu̍ntzig und zwey jareDate of origin: 27.3.1492.

[fol. v]Page break
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:] b–Der vertrag mitt denen von VellandenPlace: iren priesters halbDamage through faded ink, uncertain reading–b
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:] VellanderPlace: pfruͦnd nüwgerütt
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:] VellandenPlace: des priesters und novalien halb
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:] 1492Date of origin: 1.1.1492 – 31.12.1492
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 18th century:] Copiert 1268 et sequentesIn the original: sqq

Notes

  1. Addition above the line.
  2. Damage through faded ink, uncertain reading.
  1. Ritter Hartmann RordorfPerson: besass selber einen Teil des Zehnten in FällandenPlace: (StAZH C II 1, Nr. 739).