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SSRQ SG III/4 62-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, XIV. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons St. Gallen, Dritter Teil: Die Landschaften und Landstädte, Band 4: Die Rechtsquellen der Region Werdenberg: Grafschaft Werdenberg und Herrschaft Wartau, Freiherrschaft Sax-Forstegg und Herrschaft Hohensax-Gams, by Sibylle Malamud

Citation: SSRQ SG III/4 62-1

License: CC BY-NC-SA

Graf Wilhelm VIII. von Montfort-Tettnang und seine Ehefrau Clementa von Hewen übergeben Hans Friedrich Hewer die Verwaltung der Herrschaft Wartau

1471 June 6.

Graf Wilhelm VIII. von Montfort-Tettnang und seine Ehefrau Clementa, geborene von Hewen, urkunden, dass Heinz Vittler von Werdenberg und seine Ehefrau Margaretha Beeli in die Ehe ihrer Tochter Barbara Vittler auf Bitten der Aussteller mit Hans Friedrich Hewer, dem unehelichen Halbbruder von Clementa von Hewen, eingewilligt haben. Barbara Vittler wird aus der Leibeigenschaft entlassen und erhält die Nutzung einiger Güter. Ihr Ehemann Hans Friedrich Hewer erhält bis zu seinem Lebensende die Verwaltung der Herrschaft Wartau, ein jährliches Einkommen von 40 Gulden sowie Nutzungsrechte an Eigengütern des Grafen und der Alp Plategg, Zehntrechte in Azmoos und den Hanf-, Flachs- und Obstzehnten zwischen der Stadt Werdenberg und dem Belenbach.

Die Aussteller siegeln.

  • Shelfmark: StAGR D V/04a, Nr. 131, S. 47–49
  • Date of origin: 1500
  • Transmission: Abschrift, Buch (250 Seiten) in Ledereinband
  • Condition: Wasserflecken
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 22.0 × 30.0
  • Language: German

  1. Am 12. November 1470Date: 12.11.1470 verpfändet Jörg Schenk von LimpurgPerson: die Herrschaft WartauPlace: an Graf Wilhelm VIII. von Montfort-TettnangPerson: (Druck: Graber 2003, Anhang Nr. 24). Durch den Kauf wird die Herrschaft Wartau wieder mit der Grafschaft WerdenbergPlace: unter einem Herrn vereint. Wilhelm VIII. will nach der Veräusserung seiner Gerichte in GraubündenPlace: seinen Stammsitz Werdenberg ausbauen (Burmeister 1991, S. 24). Kurz nach dem Kauf überträgt Wilhelm VIII. die Burg Wartau an seinen Schwager Hans Friedrich HewerPerson: . Hans Friedrich Hewer, auch Schramhans genannt, ist der uneheliche Sohn von Freiherr Friedrich II. von HewenPerson: und Halbbruder von Wilhelms Ehefrau Clementa von HewenPerson: . Durch die Übertragung wird die Versorgung des unehelichenTerm: Bruders sichergestellt. Zu Hans Friedrich Hewer, den Vater der späteren Wartauer Reformatoren HansPerson: und Jakob HewerPerson: vgl. Gabathuler 2017, S. 37–40 und Graber 2003, S. 67.

    Auf die Bedeutung der bisher wenig bekannten und nicht edierten Urkunde (erwähnt bei Burmeister 1991, S. 25), die nur als Abschrift in der Marschlinser Dokumentensammlung im StAGR überliefert ist, hat mich Heinz Gabathuler aufmerksam gemacht, wofür ich ihm danke. Die Urkunde ist nicht nur hinsichtlich des Herrschaftsausbaus oder der Versorgung unehelicher Kinder in adligen Familien interessant, sondern erwähnt auch zum ersten Mal die zur Burg Wartau gehörigen Güter.

  2. Nach dem TodTerm: von Wilhelm VIII.Person: 1483Date: 1483 heiratet seine Witwe Clementa von Montfort-TettnangPerson: Graf Johann Peter von Sax-MisoxPerson: , wodurch Werdenberg und Wartau in Besitz des Saxers kommen. Das Ehepaar verkauft die Grafschaft Werdenberg mit der Herrschaft Wartau jedoch bereits 1485Date: 1485 an LuzernOrganisation: (vgl. dazu StALU URK 207/2989; URK 207/2990). Mit dem VerkaufTerm: von Werdenberg und Wartau 1485Date: 1485 gehen auch die Zehntrechte bei der Stadt WerdenbergPlace: , die Hans Friedrich HewerPerson: gehören, an Luzern. Deshalb kommt es zwischen Hans Friedrich Hewer und Johann Peter von Sax-Misox zum Streit um den Hanf-, Flachs- und Obstzehnt von der Stadt Werdenberg bis an den BelenbachPlace: . Laut einem Schiedsspruch vom 27. November 1488Date: 27.11.1488 muss Johann Peter diesen ZehntTerm: von Hans Friedrich Hewer mit 120 Gulden ablösen (LAGL AG III.2409:005; Gabathuler 2017, S. 39).

  3. Mit der uneheliche Geburt innerhalb adliger Familien verlieren die Betroffenen ihren adelige Status, doch im Namen bleibt der Hinweis auf die adlige Abstammung durch eine Neubildung des ursprünglich adligen Namens: So wird z. B. von HewenOrganisation: zu HewerOrganisation: und von MontfortOrganisation: zu MontforterOrganisation: (vgl. dazu Heinrich MontforterPerson: oder Hans Friedrich HewerPerson: ). Zur Versorgung illegitimer Geschwister in adeligen Familien vgl. auch die Übertragung von Gütern in der Grafschaft Werdenberg durch Graf Wilhelm VIII. von Montfort-Tettnang an seinen unehelichen Halbbruder Heinrich MontforterPerson: am 28. Mai 1472Date: 28.5.1472 (LAGL AG III.2411:002).

Edition Text

Wir, Wilhelm, grauf zuͦ Montfort, herre zuͦ WerdenbergPerson: , und wir, Clementa von Montfort, geborn von HewenPerson: , sin elicher gemahel, bekennen offenlich mit disem briefe, fu̍r unß, unßer erben und nachkomen und thuͤgend kund mengklichem, als denn der ersam Haintz VitlerPerson: von Werdenberg und Margreta BelinPerson: , sin eliche husfrow, ir elichen tochterTerm: Barbaren VittlerinPerson: durch unser flyssiger byt willen unsermm, der vorgenanntenIn the original: vorgnten Clementa von MontfortPerson: , ledigenTerm: bruͦderTerm: Hansen FridrichPerson: zuͦ elichem stant zuͦ gefuͤgt und zuͦ ainer elichen husfrowenTerm: geben hand. Das wir durch sunderlicher liebin und fruntschafftTerm: wegen dieselben Barbara VitlerinPerson: , die unß mit aigenschaftTerm: irs lypsTerm: zuͦ gehoͤrt haut, solicher aigenschaft, lehenschaftTerm: und aller unser rechten an ir lyb und guͦt fu̍r unß, och unser erben und nachkomen, gar und gantzlich erlaussen haben, ainer lutren gantzenAddition above the linea verzyhungTerm: , wie recht ist und sin sol nach allen rechten. Und sy zuͦ sampt dem gemelten Hansen FridrichenPerson: , irem elichen man, und ir baider elichen lyberbenTerm: und nachkomen fu̍r und fu̍r fryg, ledig und loß sagen mit kraft ditz briefs und och also, das sy wol anderschwahin ziehen mugen mit lyb und guͦt, es syg under herren, stett und lender und wahin sy wellent und verlustet, gantz ungesumpt und ungeirt unser, unserer erben und nachkomen und mengklichs von unsert wegen, doch also unseren burgerenTerm: der statt zuͦ WerdenbergPlace: an ir stu̍reTerm: , so sy jaͤrlich schuldig sind zuͦ geben, und an aller ir gerechtikait, unvergriffen und one schaden, on intrag und boͤß gefaͤrde.
[1] Item darzuͦ, so geben wir dem gemelten Hansen FridrichenPerson: unser schloß und huß WartowPlace: 1 sin leptagTerm: uß in pflegTerm: und vogteswise in mit siner zuͦgehoͤrung mit namen Sant MartinßbergPlace: und die waidTerm: umb das schloßTerm: gelaͤgen mit sampt dem stadelTerm: , darzuͦ och die alprechtTerm: in PlateckPlace: , in mauß wir sy ainem vogtTerm: zuͦ WartowPlace: vorbehalten hand, und umb das veld und die wisen, so zuͦ dem schloß WartowPlace: gehoͤrend, wenn wir die verlihen wellen und ob er sin begert.
[2] Im och umb ain glichen zinßTerm: verlihen nach billichen dingen und geben im von soͤlicher pflegTerm: und vogtyeTerm: jaͤrlichsRepeated duration: 1 year viertzig Rynisch guldinCurrency: 40 guilders of Rhineland uff sant MartinPerson: ß tagDate: 11. November, vierzehen tagDuration: 14 days vor ald nach ungefaͤrlich, on allen sinen kosten und schaden. Ob wir ald unser erben und nachkomen daran su̍migTerm: waͤrend und das also nit daͤten, als obstaut, so sol und mag der genannteIn the original: gent Hanß FridrichPerson: sollich obgenanntenIn the original: obgnt sinen guldin selbs innemen und inziehen an den nutzen, gulten ald guͦtern, so b [p. 48]Page breakzuͦ dem genanntenIn the original: gnten schloß WartowPlace: gehoͤrend, bytz er ußgericht und bezalt wirt umb die genanntenIn the original: gnten viertzig guldin und schaden, ob er deß dehainen schaden gennommen hette.
[3] Och ist hierinn bedingt worden, ob der offtgenanntIn the original: offtgnt Hanß FridrichPerson: die pflaͤg und vogtye woͤlt uffgeben, deß sol er gewalt haben, es syg uber kurtz oder lang zyt. Und sol unß als denn dasselb schloß von imm ledig sin und sind imm die viertzig guldin dannenthin der pfleg halb nit me schuldig zuͦ geben, ungefaͤrlich.
[4] Und ob wir fu̍rnemen wurdint, utzit an dem obgenanntenIn the original: obgnten schloß WartowPlace: ze buwenTerm: ald ze bessern, deß sol der gemelt Hanß FridrichPerson: noch sin husfrow dehainen costenTerm: noch schaden nit haben.
[5] Deßglichen ob es sich begebe von kriegsTerm: oder andrer sachen wegen, daß man das schloß wyter besorgen oder versehen muͤste, deß sol der dickgenanntIn the original: dickgnt Hanß FridrichPerson: noch sin husfrow aber enkainen kosten noch schaden nit enpfahen noch haben in dehainen weg, alles ungefarlich.
[6] Item darzuͦ, so haben wir fu̍r unß, och unser erben und nachkomen dem offtgenanntenIn the original: offtgnten Hansen FridrichenPerson: , sinen erben und nachkomen zuͦ der obgenanntenIn the original: obgnten Barbaren VittlerinPerson: , siner husfrowen, recht, redlich, aigenlich und urpflechtzTerm: geben und ergeben, bestaͤutlich und unwiderruͤffenlich, dise nachbenempte, unsere aigen stuck und guͤter und geben inen och die wissentlich mit krafft ditz briefs:
[6.1] Item deß ersten, unsern hanfTerm: , flachsTerm: und opstzehendenTerm: zwischent unser statTerm: WerdenbergPlace: und dem BoͤlenbachPlace: , so dann vormaulen Uͦlrich JaͤgerPerson: , saͤliger gedaͤchtniyßNotable spelling, inhends gehept haut mit allen rechten und zuͦ gehoͤrden.
[6.2] Item darzuͦ unßer aigen wisenTerm: ze WartowPlace: ze MalansPlace: gelaͤgen, gennant PramalansPlace: , mit sampt dem ackerTerm: an anandergelaͤgen, och mit allen rechten und zuͦgehoͤrden, und stost ainhalb an den Mu̍lbachPlace: , anderthalb an der BentzOrganisation: en guͦt von FuntnaußPlace: , uswert an Malanser VeldPlace: , inwert an ander unser guͦt, so zuͦ dem schloß WartowPlace: gehoͤrt.
[6.3] Item darzuͦ und damit alle unsere geraͤchtikait und vordrung und ansprach in und an dem zehendenTerm: ze AtzmausPlace: und also sollend und wellen wir und all unser erben und nachkomen dero offgenanntenIn the original: offtgntn Hansen FridrichsPerson: und BarbarenPerson: , siner elichen husfrowen, aller irer erben und nachkomen hierumb und daruff iro recht, guͦt und getruw waͤrenTerm: , fu̍rstenderTerm: und versprecherTerm: sin und sy gnaͤdiklichen darby hanthaben und schirmen uff allen gaisthlichen und weltlichen lu̍ten und gerichten und anderen stetten, wa inen das jemer not ald durftTerm: beschicht, doch nach recht und alle fart in unseremm costen on iren schaden, by guͦten truwen on alle widerrede, uffzu̍g und gefaͤrde.
[7] Och ist hierinn naͤmlich beredt und bedingt worden, ob sich fuͤgen und begeben wurde, das die me genanntenIn the original: gnten Hanß FridrichPerson: und BarbaraPerson: , sin elich wip, one recht elich lyberbenTerm: , die von iren liben geborn werint, abgiengint und sturbint, so sol das obgenanntIn the original: obgnt guͦt, so wir demselben Hansen FridrichenPerson: zuͦ der gemelten siner husfrowen also gegeben hand, als vil und deß uff die zyt nach sinem abgangTerm: vorhanden ist, wider umbher vallen an unß und unser erben und nachkomen on allen intrag, ungefaͤrlich. Deßglichen sol och geschehen umb das guͦt, so die dick gemelt Barbara VittlerinPerson: also und in der mauß nach ir tod verliesse, och vallen wider umb an iren stammenTerm: , dannen her es komen waͤre, [p. 49]Page break dann zuͦ maul vom vatterTerm: ald von muͦterTerm: , ir rechter erbTerm: ist, och on intrag und boͤß gefaͤrde.
Und deß alles zuͦ warem und offem urkund, jetzo und hienach, haben wir, obgenantem grauf Wilhelm von MontfortPerson: und Clementa von MontfortPerson: , sin elicher gemahel, baide unsere insigel zuͦ gezu̍gnyß dirre sach fur unß und unser erben und nachkomen offenlich laussen hencken an disen briefe, der geben ist uff den nechsten donstag nach sant BonifaciusPerson: , deß hailgen baupstz, tag ze ingendem brachot nach CristiPerson: geburte vierzehenhundert sibentzig und ain jǎrDate of origin: 6.6.1471.

Notes

  1. Addition above the line.
  2. Deletion: zuͦ.
  1. Obwohl nur die Burg WartauPlace: genannt wird, ist die Herrschaft Wartau gemeint. Hans Friedrich Hewer erhält die Herrschaft auf Lebenszeit zur Verwaltung.