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SSRQ ZH NF I/2/1 77-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, by Bettina Fürderer

Citation: SSRQ ZH NF I/2/1 77-1

License: CC BY-NC-SA

Statuten der Herrenstube in Winterthur

ca. 1448 – 1458.

Die Statuten der Herrenstube in Winterthur regeln die Zahlung der Zeche (1), die Übernahme des Wirtsamts (3) und die Erhebung von Bussgeldern bei Verstössen gegen die Verhaltensnormen (4-6). Mitglieder und Gäste, die in Streit geraten und sich nicht beruhigen lassen, können aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (7). Gleiches gilt für diejenigen, die Spielschulden nicht begleichen, wobei Spielen bei Gewitter untersagt ist (2). Zerbrochene Gläser und andere Schäden müssen ersetzt werden (8). Die Mitglieder können Personen, die kein Stubenrecht besitzen, aus triftigen Gründen den Zutritt verwehren (9). Den Statuten geht eine Mitgliederliste voraus.

  • Shelfmark: STAW AH 99/2 Zü
  • Date of origin: ca. 1448 – 1458 (Der Schreiber amtiert in diesem Zeitraum.)
  • Transmission: Aufzeichnung (Einzelblatt)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 29.0 × 42.0
  • Language: German
  • Scribe: Hans Engelfried

In vielen Städten gab es neben den Trinkstuben der Handwerksverbände respektive Zünfte auch Versammlungslokale für die sogenannten Müssiggänger, Angehörige des niederen Adels und Geistliche aus der Stadt und dem Umland sowie hochrangige Amtsträger. Die Gründung einer Trinkstube für die Oberschichten konnte eine Reaktion auf den wachsenden Einfluss neuer Gruppen innerhalb der städtischen Führung sein, doch nicht immer lässt sich ein solcher Zusammenhang herleiten, vgl. Kälble 2003, S. 34-45. Wann und aus welchen Motiven die WinterthurerPlace: HerrenstubeOrganisation: entstand, ist nicht bekannt. Der erste Hinweis auf ihre Existenz datiert aus dem Jahr 1405 (Kläui 1956, S. 107). Ihre Organisationsform entsprach derjenigen vergleichbarer Gesellschaften in anderen Städten: Unter den Vorstehern der Trinkstube, hier «stubenmeister» genannt, wechselten sich die Mitglieder («gesellen») bei der Bewirtung ab. Die Trinkstuben hatten eigene Bedienstete («stubenknechte»). Verhaltensnormen wurden verschriftlicht und kollektiv überwacht. Besondere Anlässe wie Feiertage oder die Wahl der Stubenmeister wurden mit Festbanketten begangen. Vgl. allgemein Rogge 2003, S. 103-109; Cordes 1993, S. 105-107, 112-113, 130-131; zu WinterthurPlace: Ziegler/Kläui 1956, S. 31-37, 55-64.

Der WinterthurerPlace: HerrenstubeOrganisation: gehörten 1521 Pfarrer und Kapläne aus den Dekanaten WinterthurPlace: und ElggPlace: , die Äbte von PetershausenPlace: , FischingenPlace: und RütiPlace: , der Hofmeister des Frauenklosters TössPlace: Organisation: , das Kloster BeerenbergPlace: Organisation: , die Chorherrenstifte EmbrachPlace: Organisation: und HeiligbergPlace: Organisation: , eine Reihe Adliger sowie der Schultheiss, der Spitalmeister, der Stadtschreiber und der Schulmeister an, wie aus einem Verzeichnis in dem zu Beginn der 1540er Jahre angelegten Mitglieder- und Rechnungsbuch hervorgeht (STAW Dep. 22/1, S. 3-6; Edition: Kläui 1956, S. 113-115), vgl. Kläui 1956, S. 108-109, 116-121. Nach der Aufhebung der Klöster im Zuge der Reformation übernahmen die Verwalter der ZürcherPlace: Klosterämter TössPlace: , WinterthurPlace: und EmbrachPlace: das Stubenrecht (StAZH B IV 27, fol. 200v-201r; StAZH A 156.1, Nr. 43). Im Jahr 1608 bestätigten Bürgermeister und Rat von ZürichPlace: Organisation: die Verpflichtung der Prädikanten des WinterthurerPlace: KapitelsOrganisation: , ihren Mitgliedsbeitrag von 10 Schilling und alle ausstehenden Beträge zu entrichten, und wiesen ihre Amtleute an, die Ausstände gegebenenfalls vom Pfründeinkommen der säumigen Zahler zu begleichen (Entwurf: StAZH B V 44, fol. 23v-24r; Abschrift: STAW URK 2803; vgl. den ZürcherPlace: Ratsbeschluss vom 10. Februar 1608 in StAZH B II 303, S. 14, Eintrag 3). Seit Mitte des 16. Jahrhunderts wurde von Geistlichen, die das Bürgerrecht besassen, die Mitgliedschaft in der HerrenstubeOrganisation: erwartet, auch wenn sie nicht dem WinterthurerPlace: KapitelOrganisation: angehörten (STAW Dep. 22/1, S. 73-74, 102). Aus der vorliegenden Namensliste, die aufgrund der Amtszeit des Schultheissen Jakob HopplerPerson: in den Zeitraum 1448 bis 1458 zu datieren ist, lässt sich schliessen, dass auch Mitglieder des KleinenOrganisation: und des Grossen RatsOrganisation: der HerrenstubeOrganisation: angehörten wie Jörg von SalPerson: , Rudolf BruchliPerson: , alt Schultheiss Heinrich RüdgerPerson: , Hans KarrerPerson: , Konrad ReinboltPerson: , Hans BrechterPerson: , Rudolf LochliPerson: , Hans WeberPerson: , Bartholomäus StuckliPerson: , Stefan AltenburgPerson: , Jos EitlingerPerson: , Ruedi Huber von WagenbergPerson: , HegnauerPerson: und LosserPerson: (STAW B 2/1, fol. 109r, 117r, 121r). Doch war die Mitgliedschaft qua Amt noch längere Zeit nicht institutionalisiert, wie ein Urteil des RatsOrganisation: im Streit zwischen Stadtschreiber Gebhard HegnerPerson: , der das Stubenrecht der OberstubeOrganisation: von seinen Vorfahren geerbt hatte, und den Meistern der HerrenstubeOrganisation: aus dem Jahr 1529 zeigt. Solange diese nicht nachweisen konnten, dass HegnerPerson: als Stadtschreiber ihrer Stube beitreten müsse, durfte er weiterhin in der OberstubeOrganisation: verbleiben (STAW B 2/8, S. 123). Gemäss den Beitragslisten gehörten 1564 Schultheiss, Stadtschreiber, Spitalmeister und Verwalter der Prokurei «ampts halben uff die herrenstuben» (STAW Dep. 22/1, S. 100) und 1570 auch die elf Ratsherren (STAW Dep. 22/1, S. 134). Zur Mitgliederstruktur der HerrenstubeOrganisation: vgl. Ziegler/Kläui 1956, S. 28-29, 42-46.

Die WinterthurerPlace: HerrenstubeOrganisation: bestand bis ins Jahr 1798 fort, dann wurde sie aufgelöst und ihr Vermögen unter die Mitglieder verteilt. Doch schon wenige Jahre später erfolgte die Neugründung, vgl. Ziegler/Kläui 1956, S. 65-71. Heute befindet sich das Archiv der HerrenstubengesellschaftOrganisation: als Depositum im Stadtarchiv Winterthur. Ein Wappenbuch der Gesellschaft aus dem 16. Jahrhundert hat sich in der Sammlung Winterthur der Winterthurer Bibliotheken erhalten (winbib Ms. Fol. 138).

Bei der vorliegenden Stubenordnung lassen sich drei Redaktionsstufen unterscheiden, die erste von der Hand des Stadtschreibers Hans EngelfriedPerson: in Kanzleischrift, die zweite von der Hand eines unbekannten Schreibers sowie die dritte in EngelfriedsPerson: Konzeptschrift. Auf der Rückseite des Blatts befinden sich Urkundenentwürfe aus dem Jahr 1454 von seiner Hand.

Edition Text

ab–Diß sond wirt sinAddition on the top–b1

cd–
Her Hanns von ClingenbergPerson: 2
Addition interlinear
–d,
schultheis HopplerPerson: 3,
e–Joͤrg von SalPerson: Deletion in a later hand–e,
jungkher Hanns von GoldenbergPerson: ,
Rudolff BruchliPerson: ,
alt schultheis RudgerPerson: 4,
stattschriber,
Uͤlrich WalspergPerson: ,
Hanns KarrerPerson: ,
ReynboltPerson: ,
Hanns BrechterPerson: ,
Ruͤdy LochliPerson: ,
Hanns WaͤberPerson: ,
FurterPerson: ,
StugklyPerson: ,
f–Steffan AltenburgPerson: Deletion in a later hand–f,
Jos EytlingerPerson: ,
Huͤber von WagenbergPerson: ,
HegnoͤwerPerson: ,
RuͤspergPerson: ,
Hanns CristanPerson: ,
LosserPerson: ,
BuͤhelmanPerson: .

Priester:Addition inline by g Tegen5,
h–tegen ialtenDeletion in a later hand–h,
her Heinrich BalberPerson: 6,
her Uͤlrich MuntigelPerson: 7,
her Uͤlrich BinderPerson: 8,
her RuͤpprechtPerson: 9,
her Hanns LindoͤwPerson: 10,
her Hanns MoͤrgenliPerson: ,
her Hanns BircherPerson: 11,
her Hanns BrunPerson: .
[p. 2]Page break
jk–
Item wenn man die u̍rten, so sol ein stubenmeister, ein l nu̍wer oder alter,
da by sin mitt sampt dem wirt, die oͤch nu̍t hinderlegen sond m zuͦ den
eren nach ir erkennen und den fu̍rling glich in die bu̍chs legen. Und
wer sust hinder leiti ze nachtDuration: night oder des tagsDuration: day, der sol es selb geben. Und sol
der knecht allwegen am abentDuration: evening sagen dem, der wirt mornendes sol sin,
und wenn er es nu̍t teͣt, so sol er die pen fu̍r inn geben.
Addition below the line
–k
n–
Wenn oͤch einer mitt dem andern spilet o uff dem breͣtt oder susst
naͤch gewonheit der stuben, waz denn einer verlu̍rt, daz sol er geben oder
die stuben miden biß er es betzalt.
Addition below the line
–n p–Ouch wenn men q r–s–fur dazUncertain reading–sAddition above the line–r
wetter lutet, so sol man alle spil miden.
Addition inline by
–p
t
Item dis vorbenempten gesellen sol ye einer nah dem andern wirt sin, als digk und
als vil es an inn kompt. Wellicher aber das nit tuͤt, der sol ze pen gen vj ħCurrency: 6 hallers oder
einer moͤge sich denn entschulgen, das er sachen ze schaffenn hab, die in iren und
er soͤlichs nit tuͤn moͤg, uv–
oder einen andren
an sin statt
erbitten
Addition on the left margin by insertion mark
–v.
Ouch so sint die herren und gesellen luter mit einander
eins worden, wellicher der ist, der einen schwuͤr tuͤt, der sye klein oder groß,
der sol gestrafft werden nach erkantnu̍ß der gesellen, ouch nach dem und er
einen schwuͤr tuͤtt. Wellicher aber im schwuͤr nempt «verch», der gitt an all gnad
einen schilling hallerCurrency: 1 shilling .
Ouch wellicher den andren heist lu̍gen, der sol die stuben
miden nach erkantnu̍ß der gesellen.
Ouch wellicher uff dem tistNotable spelling lit, so win da
ist, der git j pfenningCurrency: 1 penny , als digk er es tuͤt.
Wellicher ouch mit dem andren haderet
wx–
und einer stuben recht hat und der ander nu̍t, wenn man denn den, der nu̍t stubenrecht haͤt, heist schwigen und er es nu̍t
tuͦtt, den sol man heissen die stuben miden. Hand si aber bed stubenreͣcht
Addition on the bottom by insertion mark
–x,
y wenn mann zdennAddition above the lineaa einen heist schwigen abac–oder bedAddition above the line by insertion mark–ac und er solichs nit tuͤn wil, der sol ouch
die stuben miden nach erkantnu̍ß der gesellen.
Wellicher ouch u̍tzit zerbricht
uff der stuben, es sye glesser oder anders, der sol es bezalen, weß es denn wert
ist.
adae–
Wer oͧch sach, daz jeman heruff gieng, der nu̍t stuben recht hetti und einen oder mer der stuben gesellen missvellig
wer umb redlich sach, den sol man heissen da niden sin.
Addition on the bottom
–ae

Notes

  1. Change of hand.
  2. Addition on the top.
  3. Change of hand: .
  4. Addition interlinear.
  5. Deletion in a later hand.
  6. Deletion in a later hand.
  7. Addition inline by .
  8. Deletion in a later hand.
  9. Change of hand.
  10. Change of hand.
  11. Addition below the line.
  12. Deletion: alter.
  13. Deletion: denn.
  14. Addition below the line.
  15. Deletion: in oder.
  16. Addition inline by .
  17. Deletion, uncertain reading: gen dem.
  18. Addition above the line.
  19. Uncertain reading.
  20. Change of hand: .
  21. Change of hand.
  22. Addition on the left margin by insertion mark.
  23. Change of hand.
  24. Addition on the bottom by insertion mark.
  25. Deletion: und.
  26. Change of hand.
  27. Addition above the line.
  28. Change of hand.
  29. Addition above the line by insertion mark.
  30. Change of hand.
  31. Addition on the bottom.
  1. Die Namen sind in zwei Spalten angeordnet, in der linken sind die Personen weltlichen Stands, in der rechten die geistlichen Stands aufgeführt. Möglicherweise bezieht sich dieser Titel nur auf die Namen in der linken Spalte.
  2. Ritter Hans von KlingenbergPerson: amtierte 1452 und 1453 als Landvogt der Herzöge von ÖsterreichOrganisation: im ThurgauPlace: (Meyer 1933, S. 286).
  3. Jakob HopplerPerson: ist für die Amtsjahre 1448/1449, 1452/1453, 1453/1454, 1454/1455 und 1457/1458 als Schultheiss von WinterthurPlace: belegt (STAW B 2/1, fol. 109r, 117r, 121r; STAW URK 914; StAZH C II 13, Nr. 511; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 10015; StAZH C I, Nr. 2538; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 10057; STAW URK 985; STAW URK 988; STAW URK 991).
  4. Heinrich RüdgerPerson: amtierte letztmals 1446/1447 als Schultheiss von WinterthurPlace: (Ziegler 1919, S. 89).
  5. Vermutlich ist hiermit der Dekan des WinterthurerPlace: LandkapitelsOrganisation: gemeint. Um 1450 ist der Leutpriester von OberwinterthurPlace: , Simon BomhartPerson: , in dieser Funktion belegt (STAW URK 874, zu 1449; STAW URK 909, zu 1452; vgl. Kläui 1968, S. 284). Zum Amt des Dekans und seinen Aufgaben vgl. Pfaff 1990, S. 239-240.
  6. Kaplan des Altars des Johannes evangelistaPerson: in der Pfarrkirche in WinterthurPlace: (REC, Bd. 4, Nr. 10197; STAW URK 772).
  7. Leutpriester der Kirche St. Jakob auf dem HeiligbergPlace: (StAZH C II 16, Nr. 335; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 9334; StAZH C II 16, Nr. 339; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 9500; Thommen, Urkunden, Bd. 5, Nr. 134).
  8. Leutpriester der Kirche in DinhardPlace: (StAZH C IV 2.1 a; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 10394; REC, Bd. 4, Nr. 12266).
  9. Für das Jahr 1431 ist ein Kaplan des Nikolausaltars in der Pfarrkirche in WinterthurPlace: namens RuprechtPerson: belegt (STAW URK 674), 1454 war Ruprecht KiefferPerson: Kaplan des Katharinenaltars (STAW URK 934).
  10. Kaplan der Kirche in ElggPlace: (StAZH C I, Nr. 2233 c; Regest: URStAZH, Bd. 6, Nr. 7924).
  11. Kaplan der Pfarrkirche in WinterthurPlace: (UBSG, Bd. 6, Nr. 5976).