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SSRQ ZH NF I/2/1 293-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, by Bettina Fürderer

Citation: SSRQ ZH NF I/2/1 293-1

License: CC BY-NC-SA

Klageschrift der Bäckermeister von Winterthur über Missstände in ihrem Handwerk

1546 December 20.

Die Mehrheit der Bäckermeister meldet dem Schultheissen und Rat von Winterthur Missstände in ihrem Handwerk, welche nicht durch die auf ihren Versammlungen beschlossenen Gegenmassnahmen beseitigt wurden, zumal die Beschlüsse der Versammlung und die Verordnungen des Rats immer wieder missachtet wurden. Sie bitten um Bestätigung folgender Bestimmungen und um die Bestrafung Zuwiderhandelnder: Bürger, die das Handwerk nicht gelernt haben, sollen keine einheimischen oder auswärtigen Meister oder Knechte zum Backen anstellen oder ausbilden. Stadtschreiber Christoph Hegner vermerkt dazu, dass Jörg Linsi nur ausbilden darf, wenn er einen eigenen Ofen betreibt (1). Samstags soll gemäss Anordnung des Schultheissen und Rats nicht gebacken werden. Ein Nachtrag des Stadtschreibers bestätigt diesen Artikel, wobei jeder durch seinen Eid verpflichtet ist, Übertretungen anzuzeigen (2). Gemäss einem von der Kanzel verkündeten Ratsbeschluss ist der Kleinhandel mit Geflügel, Hasen oder Fischen ausserhalb des Markts verboten, dennoch halten sich manche Bäcker nicht daran, schenken überdies Wein aus, handeln mit Fleisch oder schlachten sogar selbst (3). Während der Teuerung wurde mehr grob geschrotetes Brot als Weissbrot verkauft, viele haben damals kein feines, sondern nur Brot aus grobem Mehl gebacken, backen jetzt aber Weissbrot, wobei erhebliche Qualitätsmängel auftreten. Weissbrot-Bäcker zahlen jährlich 12 Batzen Ladenzins, Hausbäcker zahlen nur 8 Batzen Zins. Da sie aber ebenfalls Weissbrot backen, fühlen sich die Weissbrot-Bäcker benachteiligt und fordern, dass man jeweils nur eine Brotsorte backen dürfe und dass die Laubenbänke an den Fronfasten per Los zugeteilt werden sollen. Aus einem Vermerk des Stadtschreibers geht hervor, dass diese Forderung abgelehnt wurde, doch sollen alle, die neben grobem auch feines Brot backen, 12 Batzen Ladenzins entrichten (4). Das Verkaufspersonal in den Lauben verhält sich unhöflich und bietet das Brot in den Wirtshäusern an. Der Stadtschreiber vermerkt, dass man das Brot nicht in den Wirtshäusern verkaufen und die Kunden in den Brotlauben nicht bedrängen dürfe, sondern dass jeder nach Belieben einkaufen solle (5). Wirte sollen nicht selbst Getreide auf dem Markt einkaufen, um Brot davon backen zu lassen. Der Stadtschreiber notiert, dass Wirte nicht mehr ausserhalb backen lassen dürfen. Bäcker, die für sie tätig sind, sollen bestraft werden. Wer aber einen eigenen Ofen unterhält, darf Brot backen und verkaufen (6).

  • Shelfmark: STAW AH 98/1/6 Bä
  • Date of origin: 1546 December 20 (Undatiert, Datierung aufgrund des Zusammenhangs mit SSRQ ZH NF I/2/1, Nr. 294)
  • Transmission: Aufzeichnung, Heft (4 Blätter)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 22.0 × 33.0
  • Language: German

Am 20. Dezember 1546 nahmen der Schultheiss und der Kleine Rat von WinterthurPlace: Organisation: Stellung zu der vorliegenden Klageschrift. Die getroffenen Anordnungen entsprechen weitgehend den Forderungen der Bäcker sowie den Anmerkungen des Stadtschreibers Christoph HegnerPerson: zu einzelnen Artikeln der Klageschrift: So durfte nur ausbilden, wer einen eigenen Haushalt und Betrieb führte (zu Artikel 1). An Samstagen galt ein Backverbot (zu Artikel 2). Fürkauf, Weinausschank und Fleischverkauf respektive Schlachten durch Angehörige des Bäckerhandwerks wurde untersagt (zu Artikel 3). Es wurde den Bäckern erlaubt, sowohl Weissbrot als auch Brot aus gröberem Mehl zu backen, doch alle, die Weissbrot herstellten, mussten den Ladenzins von 12 Batzen zahlen (zu Artikel 4). Die Bäcker sollten kein Brot in den Wirtshäusern verkaufen und die Kundschaft in den Brotlauben ungestört kaufen lassen (zu Artikel 5). Wirte durften niemanden für sich backen lassen und die Bäcker nicht für sie backen. Wer aber einen eigenen Ofen besass, durfte Backwaren produzieren und verkaufen (zu Artikel 6, durchgestrichen) (STAW AH 98/1/7 Bä.1, S. 1-2).

In WinterthurPlace: gab es, vermutlich ähnlich wie in ZürichPlace: , zwei Sparten innerhalb des Bäckerhandwerks, die Hausbäcker und die Weissbrotbäcker. Seit den 1640er Jahren musste sich ein Bäcker festlegen, ob er das gröbere Hausbrot oder das feinere Weissbrot herstellte, vgl. Rozycki 1946, S. 34-35. Zu den Verhältnissen in ZürichPlace: vgl. Brühlmeier 2013, S. 65, 144-151.

Edition Text


Die wyll nun vor etlichen jaren und der selbigen
mengs üweri burger, die meister beckenOrganisation: , das seellbig ir handt werch zuͦm trülichisten versechenn,
des gmeinen mans und vor ab üwer, miner heren,
nütz betrachtet, ouch yeder meister den anderen,
das nun sy ouch üch, min heren, woll geeret und
woll standen ist, ist es yetzund der glichen under
unß, gemeinen meisteren, gantz uß getilckett und
erloͤschen, ja in ein soͤmliche unordnung und
miß bruch komen, das doch etlich meister, namlich die alten, zuͦm hoͤchsten beduret, ouch vor
nacher zuͦm dickeren mall soͤmliche unordnig und
miß bruch mit gantzem bot mit mer aller gmeinen meisteren zuͦm dickeren mall abgestelt, ist es
doch von etlichen, die zelestUncertain readinga am bott ir mer
dran gen hand, nit gehalten. Dar zuͦ ir wiber
und kindt, die mer und satzungen der meisteren
ver achtet und nie kein stund gehalten, ja der
articklen nit einer, die do ze malls und yetz hie
nach geschriben stand.
Dar durch etliche, das
meren teyll der alten meisteren, verursachet worden sindt, soͤmliche beschwerden und miß brüch
üch als ünsser günstig, gnaͤdig, lieb heren und
vaͤtter für ze halten und deren unß erclagt,
als beschaͤchen ist vorschiner tagen vor einem
erberen, wissen schulteis und rateOrganisation: . Do ze mall [p. 2]Page break
unß ein gantz früntlicher abscheid ward, der
unß zuͦm hoͤchsten froͤwet, dar durch wir
beckenn verursachet worden sindt, alle artickel,
die von althem her komen, bruch und vor nacher
von allen meisteren trülichen gehalten, die saͤlbigen artickell, so es nit wider üch, min herren,
werindt, gscCorrection overwritten, replaces: ribhrifftlichen anzoͤigt, zuͦ vorlaͤssen,
die saͤlbigen, so irs, mine heren, als die gnaͤdigen
verhoͤrindt, moͤgens an naͤmen, minderen oder
meren etcAbbreviation. Und so nun irs, mine herrenAddition on the left margin by insertion markc, als die gnaͤdigen und fürwissen unß gemeinen meisteren
in denen oder anderen articklen ze willen werdent und an saͤchendt ze halten, wenig oder mer,
wie vor gemeldet, das ze halten uns als andre
üwere gebot, welicher nit gehorsam, ouch sin
wib und kindt, dienst und wen er hette, das er
oder weliche soͤltent darum gestrafft werdenn.
Dan vor zuͦm dickeren mall von üch, vill genampten minen herren, boten und verbotten worden
ist, und aber wenig von etlichen gehalten, die
in alweg ungehorsam sind, wie vor gemeldet,
und noch uff den hütigen tag, wie irs yetzundt
ein anderen nach hoͤren werdent etcAbbreviation.
[p. 3]Page break

Erstlich, die will und nach so vill redlicher
und guͦt meister unssers handt werchs in üwer,
miner herren, statt sind, das kein burger soͤlli noch
moͤgi, er heigi glich stuben oder nit, der nit handwerchs sige noch redlich gelert hab noch des
handtwerchs bruch von althem her, keine meister
noch knaͤcht, es sigent burger oder ußlaͤnder, anstellen soͤlli ze bachen noch keiner soͤlle also leren.
Als namlich yetzund Joͤrg LinsyPerson: under standen hatt,
ouch her nach ein anderer mer der glichen bruchen
moͤchty etcAbbreviation.
d–Ist Joͤrg LinsyPerson: zeleren abgestrickt, er welle und mache
dan ein eignen offen, alßdan er in sinem muͦß und brot wol einen
leren moͤge.
Addition inline in another hand by
–d

Am anderen handt doch irs, mine herren, vor
nacher verbotten, das keiner soͤlle am sampstagDuration: Saturday
bachen, etliche darum gestrafft, noch handtz bitz
har etliche nit gehalten, sunder zuͦm dickermal
dar an bachen, das irs nachmals das selbig unß
in ordnung zuͦ stellindt, das maͤngcklichs wüste,
waß üwer, miner herren, wyll und meinung hierinen weri.
e–Soll keiner mer am sampstagDuration: Saturday pachen. Dan welicher
daran buͤche, so sol ein yeder den anderen bym eyd leyden.
Addition inline in another hand by
–e
f–
Zuͦm driten ist ouch vor nacher von üch, vorbenaͤmpten minen herren, angesaͤchen und verbotten
offenlich an der kantzlen, das niemantz noch
keiner keinen burger noch froͤmbden soͤlli fürkouffen noch uff kouffen, weder huͤner noch tuben, voͤgel,
hassen noch visch (in summa keinerley). Man
soͤlle es alles uff offem marcht komen lassenn. [p. 4]Page break
Darinen wir pfister und andere burger vergriffen
sind und das schlechtlich gehalten. Dar zuͦ sindt
etlich witers ungehorsam, die da schaͤnckendt
vom zapffen und dar zuͦ in kouffendt fleisch
und anders, ouch selber metzgent, und gendtz umb
gelt uß ze essen, das aber ouch nit soͤlte sin.
Deletion by crossed lines in a later hand
–f

Am vierden so ist nit an, dan es dunckt
unß von noͤten sin, üch an zuͦ zeigen, wie
dan unsser vill ist und ein yeder an hept
ze bachen, got gaͤb wie es gratt. In vor verschinen thüren jaren, do das kaͤrni brott sin
kouff mer hat dan yetz und wiß wenig kouff
und louff hatt, do sCorrected: fgachendt iren vill und menger das wiß nit an ze bachen, behulffendt
sy sich des kaͤrninen. Yetz bachent sy wisses
zuͦh dissem in wisses, das niemantz weist,
oͤb es wisses oder schwartzes soll sin oder oͤb
es suͦr oder suͤsses sige, obß bachen oder noch
zuͦ ziten deig sige, der halben ir, mine
herren, zuͦ ziten das selbig funden. Es ist ouch
ein faͤll üwerthalb und der wiß pfisteren halb
ouch, als namlich, i–so achtendt wir sy als huß
pfister achtendt
Corrected: so wir sy als huß
pfister achtendt
–i, ouchAddition on the left margin by insertion markj ir, mine herren, k heigindt
sy ouch nit anders und standint in üweren verzeichneten roͤdlen üwers amptmans, der den [p. 5]Page break
louben zins von unß empfacht. Da wüssent ir woll,
das die wiß becken zwolff batzenCurrency: 12 batzen schuldig sindt
jaͤrlichsRepeated duration: 1 year zins und die huß becken acht batzenCurrency: 8 batzen , der
halben von den saͤlbigen üch ze kurtz beschicht und
wir me muͤssendt gen dan sy, das es ein unbillichs ist, sond wir wiß pfister die sin, die
üch, ouch ein gantze statt versaͤchen mit wiß brott,
den louben zins, laden zins schwaͤren und mer gen
dan die huß becken. Und sy bachen beiderley, zinsset das minder. Das ist warlich unssers dunckes ein beschwert, dar durch wir meinindt,
das üch, minen herren, und gmeinen burgerennOrganisation:
nützlicher wurde sin, das wiß pfister bim wissen
und irem griesli blipen, huß pfister ouch sich
irs baͤchs behulffindt und kein wisses sy nit
buͤchindt. So kunde man uff gnampsete jars tag
bachen, so dan das brot nit hin weg gienge, das
man ein anderen firate. Dar mit künde sich niemadts klagen, dar mit dem loß die louben benck
teyllen von einer fronvastenDate: floating holiday (deadline) zur anderen.
l–Der artikell m n–
blipt o–anderst, danAddition above the line by insertion mark–o das einer,
der grieß prot baht,
wol wyses und
der wyses pacht,
wol grieß prot
bahen moͤge. Sy
Addition on the left margin by insertion mark
–n soͤllen ouchAddition above the line by insertion markp von einem tag zuͦ dem anderen lossenUncertain readingq.
Addition inline in another hand by
–l

Am fünfften sind doch die, so stetz die
louben bruchendt, mit so unbehopleten volck
sich versaͤchent, das unsser, das merer teyll,
so wir schon gern und sy ouch doͤrfftind, das
wir unssere eigne kinder, ouch unssere dienst
nit dorffindt dar in lan, also unertig und
grobi wort, die alten gestandnen luten weri [p. 6]Page break
ze reden, als das jung volck, knaben und meitlin,
in der louben tribent. Dar zuͦ louffentz ein
stuͦnd und alle zit und tag mit brot von einem
wirtz huß in das ander, und da das brot
zuͦ ziten naͤcher gendt, dan sy es sust gemacht handt, das doch dem handt werch, ouch
gemeiner stat und anderen meisteren, ein grosse
nach red bringt und ein grosse beschwert
unß becken, als denen, die gern saͤchent, das
man noch altem bruch und ordnung des
handt werchß handlete. Soͤmlichs von üch, mine
gnaͤdigen, lieben herren, ouch verbotten, aber wenig gehalten ist, an gendtz von denen, die es
glich noch uff den hütigen tag bruchind.
r–
Sond kein brot mer in wirtzhüser tragen. Ouch so oͤthwar in brotlouben
ze kouffen keme, das sy niemand also anfallen und von einem banck zuͦ
dem anderen ziechen, sonder fryg kouffen lasen, wo ein yedes wyll.
Addition below the line in another hand by
–r

Am saͤchsten sindt doch gmein pfister
fast fronCorrected: hs, das irs, mine heren, dero und
anderen ungemelter articklen wüssenthafft und
bericht sindt, zuͦ dem künindt erkaͤnen, wie
wir etlicher wirten beschwerdt sindt, namlich
die da uff jar marckt und andere tag, ja so sy
meinendt ein müttVolume: 1 mütt , ein halben mütVolume: 0.5 mütt ze vertriben, das selbig in kouffendt und selber zebachen gendt. Etliche also für und für bachendt
by anderen meisteren, der halben das gantz [p. 7]Page break
handt werch geschwecht wirt und die meister
des sy groͤslich beschwert, guͦter hoffnung,
ir, mine herren, werdint die und die anderen
baß erlüteren und in guͦte ordnung stellen, darmit
gemein meister moͤgindt by ein anderen beliben,
ouch by gemeinen burgerenOrganisation: hussen, als billich etcAbbreviation.
t–
Hierin ist dis lüterung beschehen, das kein wirt mer im selbs
solle userthalb bachen lassen, ouch kein pfister inen das gar nit pachen
solle by einer straff, so im min heren darumb, welicher das überseche,
anleggen wurden. Es were dan sach, das einer ein eygnen offen
in sinem huß hete, der mag alßdan wol pachen und wie ein
anderer pfister das zeverkouffen uff den laden stellen.
Addition inline in another hand by
–t
u–
Weliche ouch also grieß und dar zuͦ under diewyll wyses brot
pachen, got geb, sy pachen es lützel oder vil, so soͤllen sy die xij
batzen
Currency: 12 batzen
, den laden zinß, geben und erleggen.
Addition below the line in another hand by
–u
[p. 8]Page break

Notes

  1. Uncertain reading.
  2. Correction overwritten, replaces: ri.
  3. Addition on the left margin by insertion mark.
  4. Addition inline in another hand by .
  5. Addition inline in another hand by .
  6. Deletion by crossed lines in a later hand.
  7. Corrected: f.
  8. Deletion: m.
  9. Corrected: so wir sy als huß
    pfister achtendt
    .
  10. Addition on the left margin by insertion mark.
  11. Deletion: ouch.
  12. Addition inline in another hand by .
  13. Deletion: anderst dan sy.
  14. Addition on the left margin by insertion mark.
  15. Addition above the line by insertion mark.
  16. Addition above the line by insertion mark.
  17. Uncertain reading.
  18. Addition below the line in another hand by .
  19. Corrected: h.
  20. Addition inline in another hand by .
  21. Addition below the line in another hand by .