check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/2/1 227-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, by Bettina Fürderer

Citation: SSRQ ZH NF I/2/1 227-1

License: CC BY-NC-SA

Urteil im Konflikt zwischen den Meistern des Gerberhandwerks in Winterthur und einem Gerber um die Beitragsgebühr

1522 February 28.

Schultheiss und Rat von Winterthur sitzen zu Gericht im Konflikt zwischen den Meistern des Gerberhandwerks als Klägern und Bartholomäus Windler um die Beitragsgebühr. Die Meister argumentieren, dass jeder, der in der Stadt wohnhaft sei und das Gerberhandwerk ausübe, den Meistern und Gesellen 8 Pfund und 5 Schilling zu zahlen habe, Windlers Beitrag aber noch ausstehe. Windler weist diese Forderung zurück, da es nicht üblich sei, von denen, die in einen Handwerksbetrieb einheiraten, den Beitrag zu fordern. Auf Antrag des Gerichts haben die Meister ein altes Verzeichnis vorgelegt, das ihre Position stützen soll, und auf das Beispiel des Sohns des Bürgers Laurenz Gisler verwiesen, der ebenfalls eine Gerberstochter geheiratet und den Beitrag geleistet habe. Schultheiss und Rat erkennen diese Beweise an und urteilen, dass Windler die Summe bezahlen solle. Auf Windlers Antrag wird das Urteil verbrieft, er kündigt Appellation an den Grossen Rat an. Die Aussteller siegeln mit dem Sekretsiegel des Rats der Stadt Winterthur.

  • Shelfmark: STAW AH 98/3/1 Ge
  • Date of origin: 1522 February 28
  • Transmission: Original (Einzelblatt)
  • Condition: Loch an der Stelle des Siegels
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 32.0 × 43.0
  • 1 seal:
    1. Rat der Stadt WinterthurOrganisation: , applied, missing
  • Language: German
  • Scribe: Josua Landenberg

Berufständische Anliegen gegenüber der Obrigkeit und den Angehörigen des eigenen Handwerks vertrat das «bott», die Versammlung der Meister. So stellten die Meister der Rotgerber von WinterthurPlace: 1640 eine Handwerksordnung auf, die Fragen betreffend Ausbildung, Betriebsgrösse, Vergütung, Versammlung der Meister, Strafkompetenz, Qualitätssicherung, Materialeinkauf und Handel regelte, und liessen sie durch den Schultheissen und RatOrganisation: bestätigen (STAW AH 98/3/7 Ge). Zu den Handwerksversammlungen in WinterthurPlace: vgl. Leonhard 2014, S. 229-230.

Der vorliegende Fall verweist auf die soziale Funktion der Handwerksverbände, vgl. auch den Kommentar zu SSRQ ZH NF I/2/1 107-1. Erwerb und Unterhalt der Versammlungslokale finanzierten die Mitglieder gemeinschaftlich, etwa über Eintrittsgebühren oder Jahresbeiträge. Oftmals schlossen sich mehrere Verbände zu einer Trinkstubengesellschaft zusammen, wie die Schuhmacher und Gerber von WinterthurPlace: , wobei die ursprünglichen Organisationsstrukturen bis zu einem gewissen Grad beibehalten wurden, vgl. SSRQ ZH NF I/2/1 162-1. Die Leitung der Gesellschaft der Schuhmacher und GerberOrganisation: war zumindest im 18. Jahrhundert paritätisch besetzt, jede Berufsgruppe stellte einen Rechenherrn und drei Vorstände, dazu kamen drei Meister (winbib Ms. Fol. 30, S. 149). Endgültig aufgelöst wurde die Gesellschaft im Jahr 1838, vgl. Rozycki 1946, S. 117-119.

Edition Text


Wir, schultheiß unnd rate zuͦ WinterthurPlace: Organisation: , thuͦnd kund mit
disem brieve, das fu̍r u̍ns zum rechten komen sind die meyster des
gerber handt wercks
Organisation:
alhie, clegere, eins-, und liesent wider Bartlime WindlerPerson: ,
anderteils, zuͦ recht fu̍rwenden, wie wol ir bruch bitzhar und vornaher allwegen gewesen und noch sige, welcher sich allher hushablich setze und
soͤlich antwerck bruchen, sige der selbig den meyster und xellen acht
pfund
Currency: 8 lb
und fu̍nff schillingCurrency: 5 shillings an iren bu̍w zegeben schuldig. Das sy an in
guͤtlich haben laussen erfordern, aber soͤlichs geltz nit mu̍gen von im
bezalt werden, darum sy verhoffen welten, daß er sy umb soͤlich su̍m
geltz us[r]Damage through hole, restored by analogyaichten und bezalen soͤlte.
Dartzuͦ BartlimePerson: reden lies, soͤlich
ir clag neme in froͤmbd, angesaͤhen, das er nit gestaͤndig sig, das der bruch
je gewesen sig, welcher ein tochter des handtwercks neme, das der
selbig schuldig sige, soͤlich su̍m geltz inen zegeben, als ob sy des handtwercks
nit sige. Er gestande ouch inen deß keinß wegs nit, bringent sy aber
das us zuͦ recht gnuͦgsam, müse er darum laussen beschaͤhen, sovil unnd
recht sige, verhoffende, er soͤlte von derUncertain readingb anclag ledig erkent werden.
Und
als sy darmit ire sachen zum rechten gesetzt, uff das haben wir u̍nns
har ine zuͦ recht erkent, das die meyster soͤllen verbringen, das es der
alt bruch gewesen und noch si[g]Damage through hole, restored by analogyce, welcher eins gerbers tochter neͣ[m]Damage through hole, restored by analogyde,
das der selbig schuldig sige, die su̍m geltz inen zegeben, und sy tuͤgent
das oder nit, soͤlle fu̍rter beschaͤhen, das recht sig.
Und als sy uff
disen hu̍ttigen tag abermalß vor u̍ns erschinen, leytent die meyster
einen alten rodel vor u̍ns dar, dar in clarlich erfunden ward, wie
das einer nach dem andern soͤlich gelt geben habe bitz uff disen hu̍ttigen
tag. Daruff die meyster reden liesen, die wil es sich erfunden, das
unsers burgers Larentz GislersPerson: su̍n, das ouch eins gerbers tochter
genomgenommen habe, muͤsen soͤlich gelt gen, so welten sy verhoffen, das sy ire sachen
gnuͦgsam us gebracht hetten und er sy umb soͤlich gelt usrichten soͤlte.

Uff das BartlimePerson: reden lies, den alten rodel, so sy dargeleit, lausse
er ein unu̍tze geschrifft sin, verhoffende, er solte nit gnuͦgsam zuͦ einem
usbringen, sonder crafftlos erkent werden.
Und als sy abermals ire sachen
damit zum rechten gesetzt, uff das haben wir u̍ns har ine zuͦ recht
erkent, das die meyster ire sachen gnuͦgsam usgebracht und [da]Damage through hole, restored by analogyeruff
BartlimePerson: sy umb soͤlich su̍m [ge]Damage through hole, restored by analogyfltz usrichten und bezalen soͤlle.
Welcher
urtail BartlimePerson: eins briefs begert, so wir im zegeben erkent, und tett
sich von soͤlicher urtail als beschwaͤrd fu̍r unsern grosen ratOrganisation: beruͤffen und
appellieren. Und des zuͦ offem urkund haben wir unsers ratzOrganisation: secret innsigel
har in getruckt.
Geben mit urturtail an fritag nach MathiePerson: , anno xxijoDate of origin: 28.2.1522.
[fol. v]Page break
[Dorsal notation on the reverse side:]
Bartlime WindlersPerson:
appappellazUncertain readingg brbrief1
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 19th century:] Anno 1522Date: 1522
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 19th century:] 1522 Freitag nach Matthäustag2 hDate: 26.9.1522

Notes

  1. Damage through hole, restored by analogy.
  2. Uncertain reading.
  3. Damage through hole, restored by analogy.
  4. Damage through hole, restored by analogy.
  5. Damage through hole, restored by analogy.
  6. Damage through hole, restored by analogy.
  7. Uncertain reading.
  8. Addition below the line in a hand of the 20th century: SeptAbbreviation 26.
  1. Aufgrund der Appellation des Beklagten wurde das verbriefte Urteil der ersten Instanz zurückgegeben und entwertet und gelangte in das städtische Archiv.
  2. «MatthiePerson: » (24. Februar) und «MattheiPerson: » (21. September) werden häufig verwechselt.