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SSRQ ZH NF I/2/1 161-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Zweite Reihe: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur. Band 1: Die Rechtsquellen der Stadt Winterthur I, by Bettina Fürderer

Citation: SSRQ ZH NF I/2/1 161-1

License: CC BY-NC-SA

Übereinkunft im Kompetenzstreit der Städte Winterthur und Zürich um die Hochgerichtsbarkeit in Hettlingen

1493 October 9.

Schultheiss und Rat von Winterthur haben Knechte aus Hettlingen bestraft, die unerlaubt Solddienst geleistet und somit ihren Eid missachtet haben, und Bussgelder erhoben. Sie haben sich darauf berufen, dass ihnen das Dorf Hettlingen mit allen Herrschaftsrechten seit langem unterstehe und ihnen von den Herzögen von Österreich als Inhabern der Grafschaft Kyburg die Freiheit gewährt worden sei, dass niemand den Hettlingern Kriegssteuern auferlegen dürfe und dass diese nur der Stadt Winterthur Kriegsdienst leisten müssten. Ferner hätten die Leute von Hettlingen stets den Winterthurern geschworen und gehuldigt, nicht den Zürchern wie die anderen Untertanen der Grafschaft Kyburg. Die Zürcher beanspruchen die Hochgerichtsbarkeit in der Grafschaft Kyburg für sich, überlassen den Winterthurern aber aus Gnade die bisher verhängten Bussgelder.

Seit 1434 ist das in der Landvogtei KyburgPlace: gelegene Dorf HettlingenPlace: im Besitz der Stadt WinterthurPlace: nachweisbar, vgl. Niederhäuser 2014, S. 135-136. Die Kompetenzabgrenzung zwischen ihr und der Stadt ZürichPlace: in Bezug auf die Ausübung der Hochgerichtsbarkeit im Dorf war strittig. Schultheiss und Rat von WinterthurPlace: Organisation: reklamierten in ihrem Schreiben an Bürgermeister und Rat von ZürichPlace: Organisation: vom 15. September 1493 noch die hohe Gerichtsbarkeit und insbesondere die Kompetenz, Reisläufer zu bestrafen, für sich (StAZH A 155.1, Nr. 35), konnten sich aber nicht durchsetzen.

Im sogenannten Älteren Weissen Buch, einem um 1534 angelegten Kopialband der Herrschaft KyburgPlace: , ist vermerkt, dass die Niedergerichtsbarkeit in HettlingenPlace: den WinterthurernOrganisation: zustehe, die von ihnen ebenfalls beanspruchte Hochgerichtsbarkeit jedoch zu KyburgPlace: gehöre. Daher müsse die Gemeinde auf eigene Kosten einen Landrichter stellen (StAZH F II a 271, S. 136). Tatsächlich wiesen die WinterthurerOrganisation: im November 1494 einen Hochgerichtsfall in HettlingenPlace: , das gebrochene Eheversprechen eines Schmiedknechts gegenüber der Mutter seines Kindes, an Bürgermeister und Rat von ZürichPlace: Organisation: (StAZH A 155.1, Nr. 36). Dessen ungeachtet galten die Verfügungen des WinterthurerPlace: RatsOrganisation: über die Bestrafung von Reisläufern vom 19. Juni 1497 auch für HettlingenPlace: (SSRQ ZH NF I/2/1 171-1).

Am 31. Juli 1536 prüften die ZürcherOrganisation: abermals die Hoheitsrechte der WinterthurerOrganisation: in HettlingenPlace: und kamen zu dem Ergebnis, dass diesen dort die Steuern, das militärische Aufgebot, gewisse Dienste sowie die hohen und niederen Gerichte zustünden, doch müsse das Dorf weiterhin einen Richter an das Landgericht KyburgPlace: entsenden (SSRQ ZH NF I/2/1 274-1). Diese Pflicht implizierte die Anerkennung dieser Institution, vgl. Hürlimann 2000, S. 32; Kläui 1985, S. 88.

Zu den Gerichtsrechten in HettlingenPlace: vgl. Kläui 1985, S. 87-90; Schmid 1934, S. 34-35. Beispiele für die Ausübung der Blutsgerichtsbarkeit im 16. und 17. Jahrhundert durch WinterthurPlace: finden sich bei Häberle 1985, S. 243-246.

Edition Text


Als u̍nser lieben getru̍wen, schultheis und raͧt zuͦ WinterthurPlace: Organisation: , sich haben understanden, die knecht von
HettlingenPlace: , so u̍ber ir eids pflicht in reis geloffen sind, zestraͧffen und soͤlich straͧfgelt zuͦ iren handen
inzenemmen und innzehaben,1 als sy des fuͦg und recht zehaben vermeinten us der ursach, das HettlingenPlace:
das dorf mit aller gewaltsammy und herlicheit (hindan gesetzt die oberkeit der hohengerichten) vor langen
ziten frylich und ledigklich zuͦ der stat WinterthurPlace: ergeben sige und also von einr herschaft von OͤsterrichOrganisation: ,
dannzuͦmaͧl herren und innhaber der graͧfschaft KiburgPlace: , loblich gefrygt, das uff soͤlich dorf niemands weder
reis noch bruch gelt nit legen, oͧch nu̍t jemannds andern dann der stat WinterthurPlace: ze reisen pflichtig sin
soͤllen, innhalt der fryheit briefen, so die stat WinterthurPlace: hab. Und als nun demnach soͤlich dorf HetlingenPlace:
in gemelter wis zuͦ iren handen komen were, so hetten sy und ir vordern das von der selben langen zit har
mit potten, verboten und aller gewaltsammy bis an die hohenherlicheit inngehept, ruͤwig und unansprechig,
und sy umb all u̍berfaren gepuͤsd und soͤlich straͧfgelt zuͦ der stat WinterthurPlace: handen genommen. Die
selben von HettlingenPlace: weren ouch je welten von den u̍nsern us der graͧfschaft KyburgPlace: soͤlher maͧs gesu̍ndert
gewesen, das sy bishar jemands andern dann der stat WinterthurPlace: gesworn und gehuldet haben.
Und aber
wir den bemelten von WinterthurPlace: (wie glich wol wir inen in allen zimlichen sachen zebegegnen
geneigt sind) soͤlichs nit haben moͤgen gestatten inansehung des, das die oberkeit der hohen gerichten
an dem end u̍nser stat Zu̍richPlace: graͧfschaft KyburgPlace: zuͦstat und soͤlich buͦsen, die mit u̍bersehung
der eiden verschult werden, den hohen gerichten zuͦ dienen, und wa wir soͤlichs an dem end naͧch
liesen, das es u̍ns und gemeiner u̍nser stat gegen andern und in andern grafschaften und herschaften
ouch abbru̍chlich sin moͤcht etcAbbreviation, so habent die selben von WinterthurPlace: u̍ns durch ir ersamm
raͧtspotten in u̍nserm versamelten rautOrganisation: zuͦ antwurt gegeben, von der selben von WinterthurPlace:
wegen, das die selben von WinterthurPlace: u̍ns als underthenig gehorsamm lu̍t gantz geneigt sigen
und umb das u̍ns gegen andern kein abbruch beschehen und sy von WinterthurPlace: gegen u̍ns
danckbarkeit empfahen, so welten sy das naͧchlausen also, das wir nun hinfur soͤlich reisloͤiffer
als ander in u̍nsern gerichten und gepieten strauffen moͤchten. Mit pitt, inen dagegen naͧch
zelausen, das ingenommen straͧfgelt, und so bis jetz verfallen und noch nit ingezogen were, das och
moͤgen inzuͦziehen und innzuͦhaben zuͦ der stat WinterthurPlace: handen, als ouch soͤlichs von u̍ns
inen us gnad und milty naͧchgelausen ist.
Actum sant DyonisiusPerson: tag, anno domini momillesimo
cccc lxxxxiijo
Date of origin: 9.10.1493
.

Notes

    1. Die Urfehdeerklärung der gefangenen Söldner gegenüber dem Schultheissen und Rat der Stadt WinterthurPlace: Organisation: datiert vom 11. Dezember 1487 (STAW URK 1620).