check_box_outline_blank zoom_in zoom_out
SSRQ ZH NF I/1/3 78-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), by Michael Schaffner

Citation: SSRQ ZH NF I/1/3 78-1

License: CC BY-NC-SA

Ordnung der Stadt Zürich betreffend Haftung von Ehefrauen bei Schuldforderungen an den Ehemann bei gemeinsam betriebenem Gewerbe

1512 July 12.

Bürgermeister und Räte ordnen an, dass im Fall einer Betreibung gegen einen verheirateten Mann, im Zuge derer nicht alle Gläubiger aus dem Gut des Schuldners befriedigt werden können, seine Ehefrau mit ihrem zugebrachten Gut, ihrer Morgengabe sowie ererbtem oder auf andere Weise empfangenem Gut für die Schulden ihres Ehemanns mithaften muss, sofern die Eheleute zuvor gemeinsam ein Gewerbe oder Handwerk betrieben haben. Sofern die Ehefrau jedoch nicht in geschäftlicher Verbindung mit ihrem Mann gestanden hat, bleiben die ihr zustehenden Vermögensanteile von der Betreibung gänzlich unberührt.

Die vorliegende Ordnung präzisiert einen Ratsbeschluss des Jahres 1443, in dem bereits festgelegt worden war, dass eine verheiratete Frau für Schulden ihres Mannes nur dann mithaftete, wenn sie mit ihm in einer geschäftlichen Beziehung gestanden war und die Schulden mit ihrer Zustimmung eingegangen worden waren (Zürcher Stadtbücher, Bd. 3/1, S. 95-96, Nr. 94). Die vorliegende Präzisierung besteht darin, dass die betroffenen Vermögensanteile der Ehefrau (namentlich zugebrachtes Gut und Morgengabe) explizit benannt werden. Im Jahr 1550 erliess der Rat eine weitere Bestimmung, wonach Frauen, die für die Schulden ihres Ehemanns bereits gehaftet hatten, jedoch nicht alle Forderungen hatten erfüllen können, im Fall einer späteren Erbschaft nicht weiter belangt werden sollten (StAZH B III 4, fol. 41v-42r). Klärungsbedarf gab es in der Rechtspraxis zudem hinsichtlich der Frage, wie die durch die Eheleute betriebene geschäftliche Beziehung (in der vorliegenden Ordnung allgemein umschrieben als «gwu̍n und gwerb») näher definiert werden sollte. Zu diesem Zweck wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts verschiedene erläuternde Beschlüsse gefasst (vgl. Weibel 1988, S. 55-56).

Zum Schuldenmachen durch Eheleute sowie zur wichtigen Rolle von Frauen beim Eintreiben und Begleichen von Schulden vgl. Matter-Bacon 2016, S. 204-211.

Edition Text


Welliche frow zebangk unnd zegaden mit
irem eeman stat, die bezalt fuͤr in


a–Uff sannt MargrethenPerson: aͧbent anno domini mo vc xijDate of origin: 12.7.1512 habent sich min
herren burgermeister und raͤt der statt Zu̍richPlace: Organisation:
Text variant in StAZH B III 54, fol. 51r: Wir haben unns ouch
–a b erkennt
und fu̍rbaß dem nachzekomen uff gesetzt und geordnot, wann es sich
hinfu̍r begebe, das ein uffal der schuldfordrer uff einen burger Zu̍richPlace: Addition above the linec kaͤme
und die schuldforderer d von des selben burgers, uff den der uffal bescheche,
eigenem guͦt nitAddition above the line by insertion marke bezalt und vernuͤgt werden moͤchten, haͧt dann der selb
burger ein efrowen, die mit inn zuͦ banck oder gaden in gwu̍n oder
gwerb, welicherley handtierung und gwerbs sich joch der selb f gebrucht haͧt,
gestanden ist, so sol ouch der selb siner efrowen guͦt allencklich, es sig
ir zugebracht guͦt, ir morgengab, g ererbt oder sunst u̍berkommen guͦt,
in dem gantz nu̍tz ußgenommen, umb soͤlich irs mans schulden behaft
und verfangen sin und sy im also darmit und daruß helffen bezalen
biß an das underhembd, so sy anCorrection overwritten, replaces: mh iremAddition above the linei lib treit.
Aber wann ein uffal
uff einen burger kaͤme und er ein efrowen hette, die nit mit im zuͦ banck
und gaden inOmitted in StAZH B III 54, fol. 51rj gwu̍n und gwerb etcAbbreviationOmitted in StAZH B III 54, fol. 51rk gestanden were, so sol ir dis obgeschriben
erkantnuß an irem zuͦgebrachten guͦt, ir morgengab oder anderm irem
zuͦgehoͤrigen guͦt gantz und gar unvergriffenlich und unschedlich sin
und sy darumb, wie bißhar der bruch gewesen ist, usgericht werden.1
Text variant in StAZH B III 4, fol. 41v; StAZH B III 54, fol. 51r: Unnd ob eyn man ettwas verschlahen ald
verbuͤßenn oder sunst ettwas mit fraͤfel, on der
froͧwen schuld, verwürgken wurde, das soll sy zuͦbezalen ouch nit schuldig sin. Erlüttert uf sanct
MartinsPerson: tag 1542
Date of origin: 11.11.1542
, pntpresentibus herr HabPerson: , raͤth unnd
burger.
l

Notes

  1. Text variant in StAZH B III 54, fol. 51r: Wir haben unns ouch.
  2. Deletion by blackening text in another hand: einhellencklich.
  3. Addition above the line.
  4. Deletion: nit.
  5. Addition above the line by insertion mark.
  6. Deletion of the addition above the line by insertion mark: burger.
  7. Deletion: oder.
  8. Correction overwritten, replaces: m.
  9. Addition above the line.
  10. Omitted in StAZH B III 54, fol. 51r.
  11. Omitted in StAZH B III 54, fol. 51r.
  12. Text variant in StAZH B III 4, fol. 41v; StAZH B III 54, fol. 51r: Unnd ob eyn man ettwas verschlahen ald
    verbuͤßenn oder sunst ettwas mit fraͤfel, on der
    froͧwen schuld, verwürgken wurde, das soll sy zuͦbezalen ouch nit schuldig sin. Erlüttert uf sanct
    MartinsPerson: tag 1542
    Date of origin: 11.11.1542
    , pntpresentibus herr HabPerson: , raͤth unnd
    burger.
  1. Die Ehefrau konnte in diesem Fall die ihr zustehenden Vermögensanteile zurückfordern, wie wenn ihr Ehemann gestorben wäre. Dies geht aus der Verordnung betreffend Vorrang von Ehefrauen in Konkursen hervor (SSRQ ZH NF I/1/3 63-1).