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SSRQ ZH NF I/1/3 185-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 3: Stadt und Territorialstaat Zürich II (1460 bis Reformation), by Michael Schaffner

Citation: SSRQ ZH NF I/1/3 185-1

License: CC BY-NC-SA

Ordnung für die Austeilung von Almosen durch die Klosterämter auf der Zürcher Landschaft

1545 October 3 – 1547 December 8.

Bürgermeister, Kleiner und Grosser Rat der Stadt Zürich bringen dem Amtmann des Klosteramtes von Kappel die Bestimmungen betreffend die Gestaltung des Almosenwesens auf der Landschaft zur Kenntnis. Diese umfassen Anweisungen zur täglichen Brotausgabe, zu dessen Auslieferung an betagte und kranke Menschen, zum Umgang mit auswärtigen Bettlern, zur Überstellung von widersetzlichen Personen an den Landvogt von Knonau, zur Unterscheidung rechtmässiger und unrechtmässiger Almosenbezüger, zur Einforderung eines Leumundsscheins gegenüber den Bedürftigen sowie zur Austeilung des Almosens an Arme aus dem benachbarten Zuger Herrschaftsgebiet. Nachtrag von derselben Hand: Die Rechenherren ordnen die öffentliche Verlesung dieser Bestimmungen gegenüber allen Almosenempfängern, im Beisein ihrer Pfarrer und Seelsorger, an.

  • Shelfmark: StAZH A 61.1, Nr. 26
  • Date of origin: 1545 October 3 – 1547 December 8 (Das Schreiben datiert vom 3. Oktober 1545, der Nachtrag vom 8. Dezember 1547.)
  • Transmission: Aufzeichnung (Doppelblatt)
  • Substrate: Papier
  • Format h × w (cm): 22.0 × 32.5
  • Language: German

In der Almosenordnung der Stadt ZürichPlace: vom 15. Januar 1525 war die Armenpflege auf der Landschaft nur rudimentär geregelt worden (SSRQ ZH NF I/1/3 125-1). Zuständig für die dortigen Bedürftigen waren die Kirchgemeinden unter dem örtlichen Pfarrer und dem Stillstand, die gegenüber der städtischen Obrigkeit Rechenschaft über die Verwendung der Kirchengüter abzulegen hatten. Trotz regelmässiger Zuwendungen durch das städtische AlmosenamtOrganisation: reichten diese Mittel jedoch nicht aus. Eine wichtige Bedeutung kam deshalb den Klosterämtern zu. In Kontinuität zur vorreformatorischen Armenpflege geistlicher Institutionen stehend, unterstützten sie fremde und einheimische Bedürftige mit Nahrungsmitteln, Geld sowie fallweise durch das Anbieten von Unterkunft und Krankenpflege. In der erneuerten Almosenordnung vom 26. September 1545 wurde diese Armenunterstützung durch die Klosterämter von KappelOrganisation: , RütiOrganisation: und TössOrganisation: geregelt (StAZH B VI 256, fol. 150r-155r). Bis auf kleinere Differenzen waren die Bestimmungen für alle Klosterämter übereinstimmend. An derselben Stelle wurde auch verfügt, dass die Amtleute der Klosterämter über die erneuerte Almosenordnung unterrichtet werden sollten. In diesem Zusammenhang entstand das vorliegende Schreiben an den Amtmann des Klosteramtes von KappelOrganisation: , diejenigen für die anderen Amtleute sind nicht überliefert.

Zum Almosenwesen auf der ZürcherPlace: Landschaft vgl. Denzler 1920, S. 117-163.

Edition Text

Unsern gu̍nstigen willen unnd alles guͦtz zuͦ vor, frommer, wyser, besonders lieber unnd getru̍wer burger unnd amptman.
Wie wol wir die almuͦsen in unser statt unnd landschafft (wie die gott zuͦ lob und den armen zuͦ trost angesechen) zuͦ erhalten styffs, unverruckts gmuͤts unnd willens, diewyl aber nit allein die selben almuͦsen, sonder ouch die unsern allenthalben durch vil liederlich unnu̍tz volck, froͤmbd unnd heimschs, treffenlich beladen unnd beschwaͤrt, so sind wir uß allerley eehafften ursachen, soͤllichen mißbruch abzestellen unnd ein gebu̍rlich, notwondig insechen zetuͦnd getrungen, wie wir dann ein ordnung gestellt, unnd allen unsern ober unnd undervoͤgten zuͦ geschriben habend,1 dero wu̍ssen nachzekommen unnd gnuͦg zuͦthuͦnd, unnd damit du dich mit dem gmeinen almuͦsen inn diner ampts verwaltung dest fu̍rer wu̍ssist zuͦ halten.

[Marginal note on the left margin:] Stund zum almuͦsen
[Marginal note on the left margin:] Alt und kranck lu̍t

So wellend wir, das hinfu̍ro das taͤglichRepeated duration: 1 day uff ein bestimpte stund, namlich von den zechnenTime: 10:00 bis zuͦ zwoͤlffenTime: 12:00 nach mittem tag, an brot ußgeteylt unnd gegeben. Doch wo har alt oder kranck lu̍t kaͤmind, da man sehe, das es wol angelegt waͤre, das dann den selben muͦß, brot unnd herberg nach billikeit mitgeteylt werden.

[Marginal note on the left margin:] Landtstrycher in ɉ jarDuration: 6 months nit widerkon

Unnd was also froͤmbder bettlern, es sygen landtstrycher, stirnstoͤssel, walhen oder ander der glychen uß lendisch volck, umb das almuͦsen kumpt, sol man, als obstadt, ye nach gstallt der sach abgefertiget unnd dann die wider hinder sich uß dem land oder den naͤchsten daruß fu̍rzeziechen unnd in einem halben jarDuration: 6 months nit wider zuͦ kommen mit allem ernst wysen.

[Marginal note on the left margin:] Die ungeschickten dem vogt fengklich schicken

Wo aber einer oder mer das u̍bersechen oder sunst ungeschickte wort triben wurden, die selben gefengklich angenommen unnd unserm vogt zuͦ KnonowPlace: zuͦgeschickt werden, der die selben personen mit dem eyd ze verwysen oder sunst der notu̍rfft nach zuͦ handlen volkommen bevelch unnd gwalt haben sol.

[Marginal note on the left margin:] Ursachen, von dero wegen das almuͦsen ettlichen nit geben sol: kleydung, verthuͤyger, guͤter bewaͤrbent

Unnd der armen halb, so uns zuͦ versprechen stand, habend wir angesechen, das man hinfu̍ro keinen den unseren das gemein almuͦsen weder in unser statt noch landtschafft geben soͤlle, so da koͤstliche kleyder unnd zierd tragen unnd das ir uppenklich verthuͦnd oder noch eigne guͤter oder lechen zebewaͤrben unnd zuͦ buwen hand, daruff sy sich mit irer arbeyt wol erneren moͤchtint.

[Marginal note on the left margin:] Kupler und welber, die nit zum gots wort gond, gots lesterer, zangger, zwytracht macher

Item, welliche uppig lu̍t inziechent, enthaltend, zuͦ samen kupplend unnd underschlauff gebend. Item, die on redlich ursachen nit zuͦ den predginen gond unnd das gotzwort und goͤtliche aͤmpter weder hoͤren noch sehen wellend, gott lesterend fluͦchent, schwerend, mit den lu̍ten zanggend, kriegend, haderend, die gegen einander vorliegend, zweytracht unnd findtschafft machend.

[p. 2]Page break
[Marginal note on the left margin:] Trincker und spiler
[Marginal note on the left margin:] Das almuͦsen gehoͤrt frommen hus armen.
[Marginal note on the left margin:] Die armen soͤllend urkund anzeigen.

Item die in offne u̍rten unnd trinckstuben gond unnd wider ußgangne mandat spilend2 unnd ander der glych muͦtwillen und lichtfertigkeit handlend unnd bruchend.
Sonder das soͤllich almuͦsen allein mit geteylt werden soͤlle, nemlich hus armen, frommen, erberen lu̍ten, die in obgemelten lasteren nit begriffen sind, ouch all ir tag gewercht, geworben unnd das ir nit uppenklich verbrucht hand, sonders villicht uß verhenggnus gottes durch krieg, brunst, thu̍re, zuͦfal viler kinden, groß kranckheiten, alter und unmu̍gens halb nit erneren noch arbeiten moͤgend.
Unnd der selben armen einem yeden von einer erbarkeit sines dorffs oder wacht under irs obervogts insigel deßhalb gloublichen schin unnd brieff gegeben, also, das der maß die nothurfft vorhanden syge unnd darinn allwegen gemelt werden, wie vil kinder einer habe.

Unnd wellicher soͤllich urkund dir erzeigt unnd darleyt, dem selben solt du das almuͦsen, wie das angesehen ist, guͤtenklich mitteylen.

Doch wo du eigentlich wu̍ssen moͤchtist, das einer des almuͦsens vechig unnd darinn keinAddition above the linea gefar, so sol man dem selben kein brieff anforderen, sonders denen das gmein almuͦsen nu̍tzit dester minder geben.

So aber einer oder eine soͤllichen schin unnd glouben nit gnuͦgsam hettend, das dann die selben abgewyßt werden unnd sich arbeitens unnd werchens begon soͤllend.

[Marginal note on the left margin:] Von den armen von ZugPlace: 3

Unnd die wyl man die huß armen lu̍t von unseren eydgnossenOrganisation: von ZugPlace: unnd daselbst umb an den anstoͤssen, so das almuͦsen zuͦ KappelPlace: besuͦchent, von nachpurschafft wegen nit ußschlachen kan, unnd aber die selben ouch gfaar unnd unruw bruchent, so wellend wir, wo dir ir armuͦt unnd notturfft nit wol wu̍ssent, das du den selben nu̍t geben, sonder abwysen soͤllist, bis sy von irer oberkeit brieff unnd sygel, das sy des almuͦsens, wie vorgemelt, teylhafftig sygint, darlegend unnd erzeigend, als dann magst sy nach gstalt der sach mit dem almuͦsen bedencken unnd inen das in tru̍wen mit teylen.

Unnd ist haruff an dich unser ernstlich bevelch, du wellist harinn dinen getru̍wen flyß unnd ernst bruchen unnd innhallt obgemelter unser bekantnus unnd ordnung das almuͦsen verwenden. Damit werdend wir der froͤmbden landtstrichern und bettlern entladen, ouch die unsern, so wol zuͦ arbeyten hand unnd [p. 3]Page break moͤgend, zur arbeit gezogen, darzuͦ vilerley betrugs abgestellt unnd koͤnnend wir unnd die unsern den armen, so uns zuͦ versprechen stand, dest trostlicher zuͦ hillff kommen unnd das best thuͦn, als wir jederzit das selb zuͦ fu̍rderen insonders gneygt sinnd.

Datum samstags nach MichaelisPerson: im xlv jarDate of origin: 3.10.1545,

Burgermeister, klein unnd groß rhaͤt der statt Zu̍richPlace: Organisation: .

b– Im xlvii jar uff donnstag nach NicolaiPerson: Date of origin: 8.12.1547 ist von minen herren den rechen herrenOrganisation: erkennt, das der amptman one verzug die armen, denen das almuͦsen untzhar mittgeteylt, all, jung unnd allt, wyb unnd man, beschicken unnd den selben inbysin der predicanten unnd seelsorgeren der enden, soͤlliche angeregte ordnung soͤlle vorlesen unnd sagen, das mine herren gentzlich gsinnet sygint, by der selbigen zeblyben. Unnd das almuͦsen keinem volgen zelassenn, der des nit fehig, nach der gemelten ordnung ze wider lept, wandlet ald handlet, darnach moͤgint sy sich schicken.Addition below the line–b

[p. 4]Page break
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 16th century:] Ordnung des almuͦsens im xvc unnd xlv jarDate: 1545
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 18th century:] Ordnung wegen außtheilung des allmuͦsens auf der landtschafft, 1565Corrected from: 1545cDate of origin: 1.1.1565 – 31.12.1565

Notes

  1. Addition above the line.
  2. Addition below the line.
  3. Corrected from: 1545.
  1. Es handelt sich um die erneuerte Almosenordnung vom 26. September 1545 (StAZH B VI 256, fol. 150r-155r).
  2. Die genannten Tätigkeiten waren Gegenstand verschiedener Mandate. Prominent erwähnt wurden sie in der Verbotsliste, die in den Landvogteien und Obervogteien anlässlich der jährlichen Schwörtage verlesen wurde (SSRQ ZH NF I/1/3 169-1).
  3. Eine analoge Bestimmung enthält die erneuerte Almosenordnung vom 26. September 1545 für das Klosteramt RütiOrganisation: , wo die Bedürftigen aus der benachtbarten Grafschaft UznachPlace: zum Almosen zugelassen waren (StAZH B VI 256, fol. 150r-155r).