SSRQ ZH NF I/1/11 82-1
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich, Neue Folge, Erster Teil: Die
Stadtrechte von Zürich und Winterthur, Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich, Band 11:
Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger
Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 82-1
License: CC BY-NC-SA
Mandat der Stadt Zürich betreffend Arbeitsverbot für schulpflichtige Kinder (Rastgeben) auf der Landschaft
1779 March 25.
Metadata
- Shelfmark: StAZH III AAb 1.14, Nr. 96
- Date of origin: 1779 March 25 Transmission: Einblattdruck
- Substrate: Papier
- Format h × w (cm): 44.0 × 35.0
- Language: German
-
Edition
- SBPOZH, Bd. 5, Nr. 57, S. 331-334
Nachweis
- Schott-Volm, Repertorium, S. 1035, Nr. 1847
Comments
Mit der Ausbreitung der Heimarbeit und des Verlagssystems seit dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts veränderten sich die innerfamiliären und hauswirtschaftlichen Strukturen auf der ZürcherPlace: Landschaft. Kinder ab etwa 5 oder 6 Jahren wurden zunehmend als sogenannte Kostgänger in den protoindustriellen Produktionsprozess eingebunden. Mit dem seit dem 18. Jahrhundert belegten Begriff «Rast» ist das wöchentliche Arbeitspensum gemeint, das die Kinder als Unterhaltsentschädigung zu leisten hatten. Die Arbeit der Kinder, die häufig in fremden Haushalten stattfand, wurde als «Rastgeben» bezeichnet. Abgesehen vom Arbeitspensum waren die Kinder zu keinen weiteren Arbeitsleistungen verpflichtet und konnten frei über den Mehrverdienst verfügen.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts kam es vermehrt zu kritischen Stimmen gegenüber dem «Rastgeben», wie auch im vorliegenden Mandat ersichtlich ist. Als schädlich angesehen wurde die damit verbundene Auflösung des familiären Verhältnisses zwischen Kindern und ihren Eltern, was negative Folgen auf das gesamtgesellschaftliche Zusammenleben haben würde (vgl. beispielsweise die Gravamina der HerbstsynodeOrganisation: von 1766, StAZH E I 2.11, Nr. 51). Ein Nebeneffekt des «Rastgebens» war ausserdem, dass die Kinder die Schule nicht regelmässig besuchten, was auch damit zusammenhing, dass ihre Eltern das Schulgeld oftmals nicht aufwenden konnten (vgl. Landschulordnung von 1744, SSRQ ZH NF I/1/11 44-1).
In der Herbstsynode des Jahres 1778 schlug der Dekan Heinrich EscherPerson: von PfäffikonPlace: vor, dass das Rastgeben nicht mehr ohne Vorwissen des Pfarrers und des StillstandesOrganisation: erlaubt sein solle. Zu diesem Zweck forderte er die Obrigkeit auf, eine Verfügung zu erlassen (StAZH E I 2.12, Nr. 15). Diese Forderung erfüllte der ZürcherPlace: RatOrganisation: , indem er am 25. März 1779 ein Gutachten einiger Ratsverordneten bestätigte und den Druck des vorliegenden Mandats anordnete. Darin war das «Rastgeben» zwar nicht grundsätzlich verboten, allerdings erst nach Beendigung der Schulpflicht sowie mit dem Wissen des Dorfpfarrers und des StillstandsOrganisation: . Bis zur Zulassung zum Abendmahl, was etwa mit 18 Jahren der Fall war, durften die Kinder und Jugendlichen zudem nur innerhalb ihrer Gemeinde «Rast geben». Das Mandat sollte am ersten Sonntag nach Pfingsten ab der Kanzel verlesen, an alle Ober- und Landvögte gesendet und den Pfarrern in den SynodenOrganisation: zugestellt werden (StAZH B II 984, S. 112).
Zur Protoindustrialisierung, Heimarbeit und «Rastgeben» in ZürichPlace: vgl. HLS, Haushalt; HLS, Heimarbeit; Pfister 1992, S. 304-314; Braun 1960, S. 82-89.
Edition Text
Woodcut
Wir Burgermeister und Rath der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: , entbieten allen und jeden Unsern Angehoͤrigen Unsern gnaͤdigen wohlgeneigten Willen, und dabey zu vernehmen: Demnach Wir mit innigstem Bedauren hoͤren und gewahren muͤssen, wie daß das Rasten-geben der Kinder auf Unserer Landschaft sint einigen Jahren her zu groͤstem Abbruch der in dem Gesellschaft- und haͤuslichen Leben unentbehrlichen Zucht und Ordnung so sehr uͤberhand nehme, daß zu wo nicht gaͤnzlicher Abhebung, doch zu so viel immer moͤglichen Einschrankung dieser durch ihre Folgen zu einem gefaͤhrlichen Uebel ausarten koͤnnenden Gewohnheit, Wir nach Unsern stets bestgemeynten Landesvaͤterlichen Absichten, nachfolgende Verordnungen zu errichten, und durch den Druck oͤffentlich bekannt machen zu lassen, noͤthig und gutbefunden haben.
Sollten endlich wider Unser Verhoffen und Unsere bestgemeinte Absichten, von dergleichen in eigenen oder in fremden Gemeinden wohnenden Rast-Kindern Klaͤgden einkommen, welchen die Herren Pfarrer und EAbbreviation Stillstaͤnde abzuhelfen nicht vermoͤgend waͤren, so solle es Unsern dortiger Enden verordneten Ober- oder Landvoͤgten gelaidet, und von diesen das dießfalls Noͤthige veranstaltet werden.
Damit uͤbrigens aller Unserer Angehoͤrigen gebuͤhrende Rechnung getragen werde, und Wir auf allen Fall alsobald wissen moͤgen, wer aus seinem Geburts-Ort weggezogen seye, so ergehet hiermit an saͤmmtliche Herren Pfarrer auf der Landschaft Unser Hochobrigkeitliche Befehl, uͤber alle und jede Gemeindsgenossen beyderley Geschlechts, welche auch in andern Absichten als die Rast-Kinder aussert ihre Gemeinden ziehen wuͤrden, eine genaue Verzeichniß zu verfertigen, und selbige in steter Bereitheit zu halten, damit sie Uns gutfindenden Falls vorgelegt werden koͤnne.
Indessen versehen Wir Uns, daß dieser Unserer so wohl gemeynten Landesvaͤterlichen Verordnung nachgelebt, und jedermann vor Verantwortung und Straf sich zu vergaumen wol wissen werde.
Geben Donnstags den 25. Merz, nach Christi Geburt gezaͤhlt, Eintausend, Siebenhundert, Siebenzig und Neun JahrDate of origin: 25.3.1779.
Canzley der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: .
[fol. 1v]Page breakNotes
- Gemeint ist die erneuerte Schulordnung von 1778 (StAZH III AAb 1.14, Nr. 85).↩
- Die sogenannten Repetierschulen, in denen die Kinder Lernstoff wiederholen konnten, wurden mit der Schulordnung von 1778 eingeführt (StAZH III AAb 1.14, Nr. 85).↩
Regest