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SSRQ ZH NF I/1/11 68-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger

Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 68-1

License: CC BY-NC-SA

Verordnung (Avertissement) der Stadt Zürich betreffend Kaufmenge des Getreides auf dem Kornmarkt

1770 October 24.

Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund von Schwierigkeiten auf dem Getreidemarkt (Kornmarkt) eine Verordnung mit drei Artikeln. Zunächst wird verordnet, dass Bürger, Hintersassen und nahe der Stadt wohnhafte Landleute nicht weniger als 6 Mütt Getreide pro Person auf dem Getreidemarkt einkaufen dürfen (1). Falls die erlaubte Menge zu viel für eine einzelne Person ist, dürfen sich mehrere Personen die Menge aufteilen. Allerdings darf zur Vermeidung von Gedränge auf dem Markt nur eine Person den Einkauf tätigen (2). Personen, die weniger als 6 Mütt Getreide benötigen, sollen die gewünschte Menge am Tag nach dem Getreidemarkt, nämlich am Samstagmorgen, gegen Barzahlung im Kornhaus kaufen (3).

In ZürichPlace: gab es im Mittelalter zwei Kornmärkte, die sich links und rechts der LimmatPlace: befanden. Mit der Errichtung des neuen Kornhauses vor dem FraumünsterPlace: im Jahr 1619 konzentrierte sich der KornmarktPlace: auf diesen Standort. Im 17. und 18. Jahrhundert fungierte der ZürcherPlace: KornmarktPlace: zudem nicht mehr als überregionaler Getreideumschlagplatz, sondern versorgte nur noch die Bevölkerung des erweiterten ZürichseeraumsPlace: . Da ZürichPlace: mehr Getreide verbrauchte als es produzierte, wurde der Hauptteil des Getreides auf dem KornmarktPlace: aus dem süddeutschenPlace: Raum importiert. Zu kaufen gab es entspelzten Dinkel (Kernen), Hafer, Roggen und kleinere Feldfrüchte (Schmalsaat), was in der Regel mit Hohlmassen abgemessen wurde.

Im 18. Jahrhundert fand der KornmarktPlace: in ZürichPlace: jeden Freitagnachmittag statt. Der KornmarktPlace: wurde durch das sogenannte Kernenglöcklein des FraumünstersOrganisation: eingeläutet und danach durch den Stadtknecht eröffnet. Es herrschte Marktzwang, was bedeutete, dass ausser für den Eigengebrauch kein Getreide ausserhalb des KornmarktesPlace: gehandelt werden durfte. Zuständig für den ordnungsgemässen Ablauf des Getreidemarktes waren grundsätzlich die drei Zollherren der KornhauskommissionOrganisation: . Alles Getreide, das gehandelt wurde, musste zunächst in der Zollstube angemeldet werden, wo es gezählt, gemessen, die obrigkeitliche Abgabe (1 Immi pro Mütt) eingezogen und verzollt wurde. Ausserdem wurde dort der mittlere Getreideverkaufspreis (Fruchtschlag) errechnet. Dieser bildete die Grundlage für den Mehlpreis (Mehlschlag), wobei das Verhältnis zwischen Getreide und Mehl auf den obrigkeitlich festgelegten Mehlproben basierte (vgl. Mehlprobe von 1778: SSRQ ZH NF I/1/11 81-1). Schliesslich konnte damit der Brotpreis (Brotschlag) berechnet werden (vgl. Ordnung betreffend Brotverkauf auf der Landschaft von 1774: SSRQ ZH NF I/1/11 75-1).

Die eigentliche Kontrolle vor Ort oblag zahlreichen bürgerlichen Amtleuten. Die wichtigste Person dabei war der Kornhausmeister, der für die Einhaltung der Marktordnung und für das gelagerte Getreide im Kornhaus, zu welchem er als einziger einen Schlüssel hatte, verantwortlich war. Ausserdem musste der Kornhausmeister Verzeichnisse über das gehandelte und gelagerte Getreide führen. Weitere bürgerliche Ämter waren der Sackträger, Kernenfasser, Immener, Ynzeller und Stadtknecht.

Ursprünglich galt auf dem ZürcherPlace: KornmarktPlace: das Vorkaufsrecht (Zustehrecht) für ZürcherPlace: Bürger. Dies bedeutete, dass ein Bürger, der neben einer Kauftransaktion stand, das Recht hatte, dem Käufer einen Teil des Getreides für denselben Preis abzukaufen. Im 18. Jahrhundert galt das Vorkaufsrecht nicht mehr nur für Bürger, sondern für alle Marktteilnehmer. Dies führte dazu, dass die Verkäufer häufig einen erhöhten Aufwand oder sogar finanzielle Einbussen hatten, da die einzelnen Verkaufsmengen kleiner geworden waren. Für die Käufer war das Vorkaufsrecht gemäss einer Untersuchung der KornhauskommissionOrganisation: von 1776-1778 ebenfalls mühsam, da sie bei einer Kaufabwicklung jederzeit damit rechnen mussten, dass ihnen jemand das gerade eben erstandene Getreide wieder abkaufte. Insbesondere während der Teuerung von 1770 nahm die Beanspruchung des Vorkaufsrechts stark zu (StAZH B III 328, S. 18-19).

Am 22. Oktober 1770 verfasste die KornhauskommissionOrganisation: einen Entwurf der vorliegenden Verordnung sowie Vorschläge bezüglich deren Publikation und Ausführung (StAZH B III 325, S. 56-59). So sollte die Verordnung als Avertissement den kommenden Donnstags-Nachrichten beigelegt werden (vgl. Donnstags-Nachrichten vom 25. Oktober 1770: BSB 4 Helv. 113-1766/70). Daneben sollte die Verordnung an die Türen des Kornhauses geschlagen und vor Marktbeginn vom Zollschreiber verlesen werden. Zudem schlug die KornhauskommissionOrganisation: vor, mehrere Mitglieder aus dem Grossen RatOrganisation: für die Aufsicht des Verkaufs kleinerer Getreidemengen an den Samstagen zu beauftragen. Das zu verkaufende Getreide sollte zuvor in mittelmässiger und bester Qualität von den Grossratsmitgliedern eingekauft und mit einem Preisnachlass von drei Schilling pro Mütt in kleinen Portionen (ein Viertel bis ein Mütt) verkauft werden. Für die Dokumentation aller Käufe und Verkäufe sollte ein ordentlicher Schreiber eingesetzt werden. Der Kleine RatOrganisation: genehmigte den Entwurf, die Publikationsvorschläge sowie die Empfehlungen bezüglich der Samstagsverkäufe am 24. Oktober 1770 (StAZH B II 950, S. 165-166).

Zum KornmarktPlace: in ZürichPlace: vgl. Brühlmeier 2013; Klaassen 1996, S. 27-49; Giger 1990; Sulzer 1944, S. 27-56.

Edition Text

AVERTISSEMENT

[Dorsal notation above the line in a hand of the 18th century:]
ErktßErkanntniß betreffend das
frucht-quantum
des fuͤrkaufs beim
kornmarktPlace:
1770Date: 1770.

Da Unsere Gnaͤdigen HHohen Herren vernehmen muͤssen, wie daß bey
dem eingefuͤhrten Einkauf der Fruͤchten, sowol von Verbuͤrgerten als den naͤchst-gelegenen Landleuten um die Stadt, einige
Schwierigkeiten sich geaͤusseret, welche entweder den jeweiligen Verkaͤufern
der Fruͤchten, die den hiesigen Korn-MarktPlace: besuchen und unterhalten
muͤssen, oder aber den Einkaͤufern selbsten beschwerliche Folgen nach sich
ziehen koͤnnten, haben Unsere Gnaͤdigen HHohen Herren aus Landesvaͤtterlicher
Vorbetrachtung denenselben ehemoͤglichst vorzubiegen, und die so noͤthige
Zufuhr bestens zu befoͤrderen und zu erleichteren, mithin auch den Verbuͤrgerten und Landleuten, den ihnen selbst obligenden Einkauf desto bequemer zu machen, als eine noͤthige Verordnung angesehen und bestimmt:

Daß es

1. Einem jeden Verbuͤrgerten, Hintersaͤssen oder nahe bey der Stadt
gesessenen Landmann frey stehen solle, sich auf dem Korn-MarktPlace:
mit Frucht zu versehen; doch daß er weniger nicht fuͤr einmal als
6Volume: 6 mütt grain bis 8 MuͤttVolume: 8 mütt grain einkaufen, und auch nicht anderst als fuͤr dieses
Quantum zustehen solle. Wurde aber

2. Einem Verbuͤrgerten, Hintersaͤssen oder Landmann dieses Quantum von 6Volume: 6 mütt grain bis 8 MuͤttenVolume: 8 mütt grain zu stark seyn, so moͤgen 2Amount: 2 oder mehrere von ihnen sich miteinander zu Einkaufung, oder Zustehung
zu den Kaͤufen, eines solchen Quanti vereinbaren; doch daß fuͤr
solches Quantum von 6Volume: 6 mütt grain bis 8 MuͤttenVolume: 8 mütt grain nicht mehr als eineAmount: 1 Person, wann schon verschiedene sich darzu verstuhnden, beym Kauf
oder Zustehen, zu Vermeidung des Gedraͤngs, erscheinen solle. [fol. v]Page break
Damit aber

3. Denen, so weniger als 6 MuͤttVolume: 6 mütt grain , mithin nur einenVolume: 1 mütt grain oder zweyVolume: 2 mütt grain oder
auch noch weniger bedoͤrfen, auch geholfen, und dem Verkaͤufer
nicht die Beschwerd aufgelegt werde, das Geld so in kleinen Portionen zu beziehen, haben Unsere Gnaͤdigen HHohen Herren die Verordnung gemacht, daß das hierzu benoͤthigte Quantum sammenthaft
angekauft, und dann MorgensDuration: morning darauf, als jeden SamstagRepeated duration: 7 weeks
MorgensDuration: morning, einem jeden Verburgerten, Hintersaͤssen oder Landmann, was er bedarf, gegen baare Bezahlung an gutem Geldt,
darunter die Vierbaͤzner das kleinste seyen, uͤberlassen werden;
so daß also, wer nur ein geringes Quantum von Frucht bedarf,
nicht verbunden ist, den Korn-MarktPlace: zu besuchen, sondern seine
Beduͤrfnuß am SamstagRepeated duration: 7 weeks MorgenDuration: morning bey dem KornhausPlace: abholen mag.
Coram SenatuOrganisation: .
Actum Mittwochs den 24. OctobrOctobris
1770
Date of origin: 24.10.1770
.
Canzley der Stadt
ZuͤrichPlace:
Organisation:
.