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SSRQ ZH NF I/1/11 44-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger

Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 44-1

License: CC BY-NC-SA

Landschulordnung der Stadt Zürich

1744.

Die obersten Schulherren der Stadt Zürich erlassen eine erneuerte Landschulordnung mit 35 Artikeln. Verordnet wird, dass es in allen Gemeinden der Landschaft ganzjährige Schulen geben soll und dass sogenannte Nebenschulen ausser in begründbaren Fällen nicht erlaubt sind. Ausserdem müssen die Kinder die Schulen in ihrer Gemeinde besuchen, ausgenommen es gibt eine andere Schule, die näher liegt (I, II, XVI). Festgelegt werden die Unterrichtsmonate und die täglichen Unterrichtszeiten der Winter- und Sommerschulen (IV, V, VII). Die Stellen des Schulvorsingers und des Sigrists oder Mesmers sollen nicht getrennt bestehen, sondern zusammengeführt werden (XXVI). Der Schulmeister, der durch die verordneten Examinatoren gewählt wird, hat zahlreiche Aufgaben. So soll er zwar alle Kinder gleich behandeln, aber auf unterschiedliche Niveaus eingehen. Er ist auch dafür verantwortlich, dass die Kinder nicht fluchen, lügen oder sich schlagen. Fehlbare Kinder soll er mit der Rute bestrafen. Der Schulmeister muss ausserdem den Unterricht pflichtmässig und ehrbar durchführen, die anwesenden Kinder in einem Verzeichnis aufführen, die Hausaufgaben (Letzgen) unterschreiben und für den Unterhalt der Schulstube sorgen. Zudem muss er die Kinder jeweils zum Gottesdienst bringen und sie danach wieder abholen. In der Kirche erhält der Schulmeister einen festen Sitzplatz, von wo er die Kinder beaufsichtigen kann. Des Weiteren ist der Schulmeister für den Kirchengesang von Kindern und Erwachsenen zuständig (III, XIII-XV, XVII-XX, XXIII-XXV, XXVII-XXIX). Der Schulmeister hat ausserdem das Recht, dem Pfarrer zu melden, wenn er von den Schülern oder Eltern unrechtmässig behandelt wird (XXX). Es folgen Bestimmungen über den Unterricht. Der Anfang und das Ende erfolgen mit einem Gebet und es gibt jeden Samstag einen Schulbettag (VIII, XI). Die Kinder, die je nach Kenntnisse in drei Gruppen eingeteilt werden, sollen gedruckte und handschriftliche Texte lesen lernen und mithilfe vorgeschriebener Zettel Schreiben üben. Für diese Tätigkeiten dürfen jedoch nur die vorgesehenen Bücher verwendet werden (IX, X, XII, XXI). Verordnet wird des Weiteren, dass jährlich im Winter ein Examen durchgeführt werden soll, an dem alle Amtleute und Pfarrer anwesend sein müssen. Der Pfarrer und der Schulmeister werden dazu aufgefordert, ein Verzeichnis über die Prüfungsergebnisse zu führen (VI, XXXIII). Für ältere Schüler und Erwachsene werden zur Repetition des Schulstoffs die sogenannten Nachtschulen eingerichtet (XXII). Für die Aufsicht über die Schulen sind neben den Examinatoren auch die Land- und Obervögte, der Dekan und die Pfarrer zuständig. Die Pfarrer müssen zudem die Schulen wöchentlich visitieren. Tun sie dies nicht, ist der Schulmeister verpflichtet, dies dem Dekan zu melden (XXXI, XXXII, XXXV). Zuletzt wird verordnet, dass die Ordnung zunächst in allen Kirchen und Gemeinden öffentlich, danach jährlich in den Schulen sowie alle sechs Jahre in den Kirchen verlesen werden soll.

Im Unterschied zu den städtischen Schulen, zu denen es bereits im 16. Jahrhundert Ordnungen gab (beispielsweise die Ordnung von 1532, SSRQ ZH NF I/1/3 149-1), wurden für die Schulen der Landschaft erst im 17. Jahrhundert Ordnungen erlassen. Die erste Landschulordnung wurde vom Antistes Johann Jakob BreitingerPerson: 1637 verfasst und existiert nur in handschriftlicher Form (StAZH E I 21.1). Gedruckt wurde die Landschulordnung erstmals 1658 (StAZH III EEa 1). Im Jahre 1684 wurde die Ordnung stark erweitert, sodass sie sich durch eine höhere Regeldichte und einen stärker organisatorischen Inhalt auszeichnete (ZBZ 18.2027,3). Die Version von 1684 wurde schliesslich in den Jahren 1719 und 1744 ohne grosse inhaltliche Neuerungen gedruckt. Erst in der Schul- und Lehrordnung von 1778, die als Folge der Reformbemühungen der 1770er Jahre erlassen wurde, kam es zu grundlegenden Veränderungen. So wurde die Landschulordnung neu in die Teile Schulordnung und Lehrordnung gegliedert und die Artikel zeugen von einer pädagogisch und methodisch differenzierteren Sicht auf den Schulunterricht (StAZH III AAb 1.14, Nr. 85 und SSRQ ZH NF I/1/11 78-1).

Seit etwa Mitte des 17. Jahrhunderts gab es in fast allen ZürcherPlace: Dörfern Landschulen, was unter anderem auf die Initiative von Antistes BreitingerPerson: zurückzuführen ist. BreitingerPerson: setzte sich zudem für den ganzjährigen Unterricht auf der Landschaft ein. Da jedoch viele Kinder im Sommer für landwirtschaftliche Tätigkeiten und in der Heimarbeit eingesetzt wurden, war der Sommerunterricht selbst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch nicht überall etabliert. Mit dem Ausbau der Landschulen seit dem 17. Jahrhundert erfolgte eine Dogmatisierung und Kanonisierung des Lehrstoffs. Die Schule wurde als Garantin des gesellschaftlichen Zusammenlebens gesehen. Grundsätzlich gab es im Schulwesen des 17. und 18. Jahrhunderts eine enge Verflechtung zwischen religiösen und zivilen Bereichen, was sich auch an den biblisch geprägten Unterrichtstexten erkennen lässt.

Die Leitung und Aufsicht über das Schulwesen oblag dem sogenannten ExaminatorenkonventOrganisation: , der aus zwölf Geistlichen und je zwei Ratsherren aus dem Kleinen und Grossen RatOrganisation: bestand. Der ExaminatorenkonventOrganisation: hatte zahlreiche Kompetenzen. Neben der Vorbereitung der Pfarrerwahlen, der Aufsicht über die Pfarrer, der Redaktion von Gutachten über Liturgie, Katechismus und von Gesangsbüchern war dieses Gremium auch für die Wahl der Schulmeister sowie für die Ausarbeitung von Landschulordnungen zuständig.

Zum ZürcherPlace: Schulwesen im 17. und 18. Jahrhundert vgl. HLS, Breitinger, Johann Jakob; HLS, Schulwesen; Berner 2010; De Vincenti-Schwab 2008; Maissen 2004; Stucki 1996, S. 246-249; Wyss 1796, S. 409-413.

Edition Text

Satzungen Den Land-Schulen, von den obersten Schul-Herren der Stadt ZuͤrichPlace: fuͤrgeschrieben

Woodcut

Gedruckt zu ZuͤrichPlace of origin: , Bey Heidegger und CompagnieIn the original: CompOrganisation: Im Jahr 1744.

[p. 2]Page break [p. 3]Page break

Satzungen Der Land-Schulen der Stadt ZuͤrichPlace:

Weilen zu Ausbreitung der Ehr Gottes, und Befoͤrderung des Heils und Wohlstands eines Volcks, naͤchst der Gnad Gottes das beste Mittel ist, die gebuͤhrende Auferziehung und unversaumte Unterweisung der zarten lieben Jugend, in der Gottseligkeit, deren Fundament gelegt werden muß in den Schulen, als haben die verordneten Obersten Schulherren, die alte Schul-Ordnung1 wiederum uͤbersehen, und von neuem in folgende Gestalt und Form abgefaßt:

I. Sollen in allen Gemeinden gute und wolbestellte Haupt-Schulen seyn, und dieselbe in bester Obacht, [p. 4]Page break Schutz und Schirm gehalten, auch an keinem Orth von den Gmeinden selbs, sonder allein von den verordneten ExaminatoribusFont change von beyden StaͤndenOrganisation: geordnet, gut geheissen, und bestaͤtiget werden.

II. Neben denselben sollen keine andere sogenannte Nebenschulen an keinem Ort gedultet noch zugelassen werden, es seye dann, daß die Begehrende einerseits die unvermeidenliche Nothwendigkeit darthun, und dann anderseits zeigen koͤnnind genugsame Mittel zu Unterhaltung einer solchen Schul; (betreffend das Schulhauß, die gebuͤhrende und billiche Besoldung eines Schulmeisters, und was dergleichen mehr:) ohne Beschwerd einiches gemeinen Guts, und geringsten Abzugs der Hauptschul, oder anderen benachbarten, welches alles allzeit fuͤr unsere ExaminatoresOrganisation: Font change gebracht, und von denselben reiflich erwogen, und [p. 5]Page break endlich in den einen als anderen Weg ausgesprochen werden soll.

III. Wo aber dann solche Schulen sind, da soll die Erwehlung der Schulmeistern in denselben bey niemand anderst als den Herren ExaminatoribusFont change von beyden StaͤndenOrganisation: stehen, jedoch mit der Erlaͤuterung, wann viel in einer Gemeind, die um einen solchen Dienst anhalten, sollen dieselbe mit vorwissen der Fuͤrgesetzten oder der Gemeind allhero fuͤr die Herren ExaminatoresOrganisation: Font change gewisen a–we denCorrected from: werden–a, der sie der beste zu seyn dunken wird, daraus zu erwehlen.

IV. Was dann die Schulen betreffen thut, waͤre wol zu wuͤnschen, daß dieselbe aller Orthen SommerDuration: summer und WinterDuration: winter gehalten werden koͤnnen, da dann diejenigen Gemeinden, bey welchen es allbereit eingefuͤhrt, nicht allein billich zu ruͤhmen, und andern zum Exempel vorzustellen, sonder auch freundlich zu er[p. 6]Page breakinneren, in ihrem loblichen Gebrauch fortzufahren.

V. In welchen Orthen aber die Schulen bisher zu SommerszeitDuration: summer nicht gehalten werden, sollen die Winter-Schulen nicht erst gegen MartiniPerson: Date: 11. November, sondern so bald der Kindern Sommer- und Herbstwerck fuͤruͤber sind, angehen, und wenigst bis mitten in MertzenDate: 16. March hinaus gezogen werden, darauf dann soll den gantzen SommerDuration: summer durch aller Orthen der SamstagRepeated duration: 7 weeks gesezt seyn zu einem Tag, an welchem aufs wenigst mit Beten, Lesen, Singen, Schriften liferen, und anderen repetiert oder widerhollet und erhalten werden soll, was durch den WinterDuration: winter erlehrnet worden, und so an etlichen Orthen neben dem SamstagRepeated duration: 7 weeks noch ein anderer darzu anzuwenden gebraͤuchlich gewesen, soll darmit ordenlich fortgesezt werden.

VI. Und weilen uns Gott uͤber[p. 7]Page breakaus grosse Gnad und Gutthat des Fridens und guter Zeiten so vaͤterlich gont und gibt, sollen billich zu den Schulen gehalten und geschickt werden alle junge Kinder, Knaben und Toͤchtern, und das so lang, bis sie in den ExaminibusFont change, so alle JahrRepeated duration: 1 year einmal in Beyseyn der Pfarreren, und Fuͤrgesezten gehalten werden sollen, von eben denselben der Fragstuͤcklen, des Catechismi, schoͤner Gebetten und Psalmen, insonderheit der nothwendigen Hauß-Morgen- und Abend- auch auf allerley andere Nothfaͤhl gerichteten, und eben zu diesem Ende in Druck verfertigten Gebetten und Segens-Spruͤchen, und wenigst des Lesens halber im Gedruckten werden koͤnnen entlassen werden: Zu welchem End dann der Pfarrer und Schulmeister an jedem Orth aller Kinderen eine gute Wuͤssenschafft und Verzeichnuß haben, die Saͤumigen [p. 8]Page break freund-ernstlich darzu mahnen, in fehrnerer Ausbleibung aber, den DecanumFont change zum Gehuͤlffen nehmen, und endlich, so es nicht verfienge, an hoͤhere Orth bringen sollen.

VII. So dann die Schul des TagsDuration: day gehalten wird, soll sie waͤhren WinterszeitDuration: winter VormittagDuration: morning dreyDuration: 3 hours, und NachmittagDuration: afternoon auch drey StundDuration: 3 hours: zu SommerszeitDuration: summer zwahr VormittagDuration: morning auch dreyDuration: 3 hours, und NachmittagDuration: afternoon aber zwey StundDuration: 3 hours.

VIII. VorDuration: morning- und NachmittagDuration: afternoon soll allwegen der Anfang und Beschluß gemachet werden mit dem darzu dienstlichem Gebett, welches die Kinder die darzu tuͤchtig, eines um das ander deutlich und verstaͤndlich zu sprechen gewehnt werden sollen, darum es der Schulmeister vielmahlen selber verrichten und vorsprechen soll, insonderheit da es die Kinder noch nicht recht klar und verstaͤndlich koͤnnen.

[p. 9]Page break

IX. Darnach soll von dem Schulmeister ein vernuͤnfftiger Unterscheid beobachtet und gehalten werden. 1. Deren die in den Anfaͤngen begriffen im Betten und Lesen. 2. Der mittelmaͤßigen. 3. Der Vollkommneren, und unter allen dreyAmount: 3 Gattungen deren die schlechtere und deren die bessere Gaben des Verstands und Gedaͤchtnuß haben, und sich also nach allen mit Gebuͤhr und Bescheidenheit richten, jedoch also, daß ein jedes nach seiner Beschaffenheit und Vermoͤgen VorDuration: morning- und NachmittagDuration: afternoon jedesmahl seine 2 Letzgen2 aufsage, und darmit soll der Schulmeister steiff anhalten, und nicht Gewalt haben, eine oder die andere nachzulassen, geb wie viel Kinder in der Schul seynd; damit er aber desto besser fortkommen moͤge, kan er die auch zum Behoͤren anstellen und gebrauchen.

X. Welche Kinder aus dem Taͤf[p. 10]Page breakfel und Namenbuͤchlein sind, die sollen in dem grossen Lehrmeister3, und in dem gedruckten VorDuration: morning- und NachmittagDuration: afternoon zu lesen angehalten, und also noch zu keinem Geschriebnen zu lesen angefuͤhrt werden, bis sie das Gedruckte um etwas ergriffen, darauf sie dann in beyden zusamen, und mit Namen VormittagDuration: morning in dem gedruckten, NachmittagDuration: afternoon aber in dem Geschriebenen, so sie woͤllen, geuͤbt werden moͤgen.

XI. An dem wochentlichenRepeated duration: 1 week Schul-Bettag, welcher der SamstagRepeated duration: 7 weeks seyn soll, oder wo noch einerAmount: 1 oder ein halberAmount: 0.5 in der WochenRepeated duration: 1 week je nach Beschaffenheit der Schulen und gut befinden eines jeden Pfarrers an seinem Orth, darzu gezogen wird, sollen die Kinder vom juͤngsten an bis auf die groͤsten im HeiligenIn the original: Heil Vater Unser; in den XIIAmount: 12 Articklen des Christlichen Glaubens; in HeiligenIn the original: H XAmount: 10 Gebotten, in Fragstuͤcklenen4; und Ca[p. 11]Page breaktechismo gegruͤndet werden. Nach demselben sollen die Fehrigeren huͤbsche Gebett und Psalmen lehrnen, die sie auch in den Kinderlehren aufsagen und erzehlen koͤnnen. Sonderlich aber sollen sie auswendig lehrnen, diejenigen Psalmen, welche vor den Kinderlehren gesungen werden, dann dieselbe vast Lehr- und Trostreich sind. Darbey aber wohl zu gewahren, daß die Kinder grad vom Anfang verstaͤndlich und deutlich zu betten angehalten werden.

XII. Welche sich in dem Schreiben uͤben, deren soll auch eine gute Rechnung gehalten werden, und soll der Schulmeister einem jeden Kind, das schreibt, seinen besonderen Zedel und Zedelbuͤchli (doch um den gebuͤhrenden Pfenning) machen, den Schreibenden mithin die Hand ziehen, alle TagRepeated duration: 1 day die Schrifften fleißig beschauen, und alle Mo[p. 12]Page breaknatRepeated duration: 1 month neue Zedel fuͤrschreiben. In den Fuͤrschrifften der Zedlen sollen schoͤne Spruͤch des Alten und Neuen Testaments, und mit Namen aus unser der ZuͤricherPlace: Bibel fuͤrgeschrieben werden.

XIII. Der Schulmeister soll auch verschaffen, daß die Erwachßne sich mit Gesaͤnge oder Psalmen-Buͤchlein, Zeugnussen, etcAbbreviation versehen, in der Kirchen bey dem Gesang einstellen, und wo es gelegen ist, sich in der Schul im Gesang uͤben, besonderbar in den Psalmen und Gesaͤngen, die am SonntagRepeated duration: 1 week und ZinstagRepeated duration: 3 weeks, wo es braͤuchig, und in den Kinderlehren sollen gesungen werden.

XIV. Alle Schul-Kinder soll der Schulmeister ordenlich in einem Catalogo verzeichnet haben, und zusehen, daß sie auf ihre gesetzte Stunden fleißig verhanden seynd, keins ohne sein wuͤssen ausbleibe, darum er auch den Ausbleibenden [p. 13]Page break mit Ernst nachfragen solle; Es soll auch dasjenige, so in der WochenRepeated duration: 1 week einen TagDuration: 1 day in die Schul gegangen, den gantzen Wochenlohn schuldig seyn, es gange gleich die uͤbrigen Tag oder nicht, es seye dann Sach, daß es von Kranckheit, Ungewitters, oder anderer Ehehaffte wegen daheimen bleiben muͤsse: ausgenohmen die kleinen Kinder, die etwann nur an den wochentlichenRepeated duration: 1 week Bettagen in der Schul sich einfinden; so fehr aber diese auch an den uͤbrigen Lehrtagen kommen woͤllen, moͤgen sie wol auch, allein dannzumal um ihr gebuͤhrend Loͤhnlein zugelassen werden, und noch mit dem Anhang, so sie still, und anderen nit verhinderlich zu seyn begehren, auch fuͤrnemlich erst gegen dem End kommen, wann das Betten angeht.

XV. Der Schulmeister soll auch alle TagRepeated duration: 1 day den Kindern alle und jede Letzgen, was sie auch lehrnen oder [p. 14]Page break thun, fleißig von Stund zu Stund unterzeichnen, damit nicht allein sie ihn desto minder betriegen koͤnnen, sondern auch die verordnete Aufseher sehen und wuͤssen moͤgen, wie weit die Kinder gelehrnet haben, ja eben dieselbe ordenliche Verzeichnuß vom Zunemmen aller seiner Lehrkinderen, soll er allezeit bereit haben seinem Pfarrer nicht nur zu zeigen, sondern auch, wann ers begehrt, zuzustellen.

XVI. So sollen auch weder die Kinder noch ihre Eltern befuͤgt seyn, diejenige Schul, in die sie eigentlich gehoͤren, zu verlassen, und ein andere zu besuchen, es waͤre dann, daß sie einerseits wegen der allzuweiten und hoͤchst beschwerlichen Entlegenheit, anderseits wegen viel besseren und komlicheren Naͤhe mit deßwegen guter Einwilligung des Schulmeisters selbs, unter den sie eigentlich gehoͤrten, die Erlaubnuß von [p. 15]Page break ihrem Pfarrer, und so es vonnoͤthen dem DecanoFont change desselben Capitels, haben koͤnten.

XVII. Der Schul fleißig abzuwarten, soll der Schulmeister verpflichtet seyn, und kein einige Stund niemahl versaumen, so er gesund ist, oder ohne Verwilligung des Pfarrers und der Verordneten zur Schul, sich von der Schul nicht abziehen, es seynd gleich wenig oder viel Kinder verhanden.

XVIII. Gegen den Kinderen soll er kein Gefahr brauchen, nicht ansehen Liebe, Freundschafft, weder Reichthum noch Armuth, sondern ein jedes achten und halten wie sein eigen Kind. Soll auch auf die Arten gute Achtung geben, dann etliche woͤllen mit Gelinde, etliche aber mit Strenge gezogen seyn, als mit Worten, Traͤuen, mit Ruthen oder mit spath heim lassen, und sollen die Liederlichen und Fehlbaren je [p. 16]Page break nach verbrechen gezuͤchtiget werden, allwo in der Zuͤchtigung die Ruhten zu gebrauchen, hergegen alle Instrument und Streich zu unterlassen, welche gefaͤhrlich und boͤse Lezenen nach sich ziehen moͤchten.

XIX. Den Lehrkinderen soll er mit allem Ernst abwehren alles Liegen, Schweeren, uͤbernamen, muthwilliges und gottloses Geschwaͤtz und Geschrey auf der Gassen; daß sie auch keine Guͤter geschaͤnden, oder schaͤdigen, mit einandern nicht rauffen und schlagen, auch im WinterDuration: winter niemand mit Schneeballen werffen; hingegen sie vermahnen, fromm und gottsfoͤrchtig, den Eltern gehorsam, auf der Gassen zuͤchtig zu seyn, und vor ehrlichen Leuthen den Hut abzuziehen. Wo sich eins in dem oder diesem uͤbersehe, soll es mit der Ruthen gestrafft werden.

XX. In den Schulstunden, alldieweil die Kinder in der Schul [p. 17]Page break sind, soll der Schulmeister sich alles Schreibens, Lesens und anderer ihme verhinderlicher Geschaͤfften enthalten, den Kinderen mit allem Fleiß abwarten, und dieselbigen, so weit moͤglich, selbs behoͤren, hergegen die Zedel und anders aussert den Schulstunden schreiben.

XXI. In der Schul sollen die Kinder zum Lehrnen, Lesen, Beten und Schreiben nichts anders als die ordenlichen gesetzten und fuͤrgeschriebene Buͤcher brauchen; darum die Schulmeister genaue Achtung geben sollen, daß sie keine andere oder froͤmde, vilweniger gefaͤhrliche oder schaͤdliche weder getruckte noch geschriebne Buͤcher und Sachen mit sich bringen, ja auch die Schulmeister selbs sollen nicht befuͤgt seyn etwas einzufuͤhren, es sey von ihnen selbs, oder jemand anderem aufgesezt, geschrieben oder sonst getruckt.

XXII. Wann nun etwas erwach[p. 18]Page breaksene Knaben oder Toͤchteren NachtsDuration: night in den so genannten Nachtschulen, darzu aber weder SamstagsRepeated duration: 7 weeks noch SonntagsRepeated duration: 1 week NaͤchteDuration: night gebraucht werden sollen, im Schreiben, Lesen, Rechnen, oder Gesang, gegen gebuͤhrendem Lohn sich wolten unterrichten lassen, ist schwerlich zu gedencken, daß es ohne Ungelegenheit, still und zuͤchtig solte zugehen koͤnnen, darum es dann an einem jeden Orth dem Pfarrer und StillstandOrganisation: heimgestellt seyn soll, so sie es befinden, und zugleich vergaumen woͤllen, daß es in der Schul, welche nicht uͤber 9 UhrenNot after: 21:00 ausgestreckt werden soll, und auf dem Heimweg in aller Zucht und Ehrbarkeit zugange, soll es zugelassen seyn, wo aber nicht, so soll der SonntagRepeated duration: 1 week AbendDuration: evening, oder andere gelegne und beliebige Tagszeit darzu gesucht werden.

XXIII. Alle SamstagRepeated duration: 7 weeks soll der Schulmeister seine Lehrkinder auch [p. 19]Page break vorbereiten zum heiligen Gottesdienst, zu dem Abendgebett, und folgenden Sonntags-Predigten, mit Vorlesung des heiligen Biblischen Texts, und deren Capitlen die in den Abendgebetten werden verlesen werden; Er soll auch die Kinder nicht verlauffen lassen, sondern sie bis auf die Stund des Abendgebetts in der Schul aufbehalten, und sie selbs auch in die Kirchen fuͤhren, wann es moͤglich.

XXIV. Alle SonntagRepeated duration: 1 week und ZinstagRepeated duration: 3 weeks soll der Schulmeister, wo es zuerhaben ist, die Kinder vor und nach der Predig in der Schul versamlen, auch vor der Kinderlehr den Catechismum und das Gesang mit ihnen uͤben, sie in die Kirchen und daraus fuͤhren, aus der Predig behoͤren, und das mit solchem Ernst, daß er erscheine, wie hoch ihm die liebe Jugend zu fleißigem Gottesdienst anzuhalten angelegen sey.

XXV. In der Kirchen soll er sein besonder Orth und Sitz haben, und denselben nicht leicht oder eigenwillig aͤnderen, damit er auf die Schuler selber sehen koͤn[p. 20]Page breakne; Er soll auch andere bestellen, die auf sie Achtung haben, und die Fehlbaren zunaͤchst darauf in der Schul gebuͤhrlich abstraffen. In der Kirchen soll er auch wo seine Pflicht das erforderet, vor und nach der Predig vorsingen, und das Gesang ohne wichtige Ursach niemahl unterlassen.

XXVI. Bey diesem Anlaß soll fleißig gewahret werden an denjenigen Orthen, bey welchen der Schul-Vorsinger- und auch der Meßmer- oder Sigrist-Dienst abgesoͤnderet, und aber keiner allein genugsame Besoldung hat, fuͤr sich selbs zubestehen, daß die Gemeinden trachten dieselbe zusammen zu fuͤgen, und ihr Gutbefinden den verordneten ExaminatoribusOrganisation: Font change zu hinterbringen.

XXVII. Die Schulstuben soll im WinterDuration: winter zu rechter Zeit gewaͤrmt werden, damit die Kinder eine warme Stuben finden, und nicht frieren muͤssen; Es soll auch der Schulmeister die Stuben alle TagRepeated duration: 1 day VorDuration: morning- und NachmittagDuration: afternoon mit Feur von Reckholteren wol beraͤucheren, den uͤblen Schulgeruch zu vertreiben, und allezeit des WintersDuration: winter, wann man anhebt zu heitzen, und so lang dasselbe waͤhret, ein jedes Kind alle Tag ein gewohnlich Scheit mit sich brin[p. 21]Page breakgen, auch neben demselben wochentlichRepeated duration: 1 week seinen gewuͤssen Schul-Lohn; Wo unterdessen fuͤr einiche Hauß-Arme der Schul-Lohn von der Kirchen bezahlt wird, gegen denselben soll sich der Schulmeister bescheidenlich und mitleidenlich verhalten.

XXVIII. Das Schulhauß betreffend, soll der Schulmeister fuͤr dasselbe gute Sorg tragen, und zusehen, daß es in seinen Gebaͤuen wol erhalten werde; Was er aber selbst an Oefen, Fensteren, und dergleichen brechen oder verwahrlosen wurde, soll er in seinem Kosten verbesseren lassen, das Hauß sauber und rein, auch vor Feur und Faͤulung fleißig bewahren. Wo auch ein Schulkind ein Scheiben oder anders brechen wurde, soll es dasselbe auch bezahlen, und der Schulmeister nichts dergleichen den Gemeinden oder Kirchen zu verrechnen haben.

XXIX. Endlich soll der Schulmeister im Wandel und Leben fuͤr sich selbs und die seinen, wie es Kirchen- und Schuldieneren gezimt, ehrbar und zeugsam ohne Anstoß, so viel menschliche Schwachheit zulaßt, sich erzeigen, nachdem er aber in ein als anderen Weg Aegernuß geben wurde, [p. 22]Page break nach dem muͤßte die Straff selbs gegen ihm von Oberkeit wegen fuͤrgenommen werden.

XXX. Wann aber dann dem Schulmeister bey getreuer Verrichtung aller seiner Beruffs-Pflichten etwann wegen gebuͤhrenden angewendten Ernst und Fleisses, oder sonst, von seinen Schuleren, oder derselben Elteren etwas Undancks und Leids (das doch Gott verhuͤten wolle,) zugefuͤgt wurde, soll ers bey seinem Pfarrer ablegen, der dann nach dem die Fehler seyn werden, die GradusFont change zu gebrauchen wohl wuͤssen wird.

XXXI. Der Pfarrer soll wochentlichRepeated duration: 1 week einmahl, und wann es sonst vonnoͤthen, die Schulen, so viel in seiner Pfarr, besuchen, und auf den Schulmeister und Lehrkinder genaue Achtung geben, damit alles ordenlich und erbaulich zugange. Dazu soll er verschaffen, daß ihme fromme und ernsthaffte Maͤnner zugegeben werden, welche mit und ohn ihn die Schulen auf gleiche Weise besuchen, sonderlich sollen darzu gebraucht werden die Ehegaumer, welche ohne das auf Zucht und Ehrbarkeit zu gewahren, ihren Eyd haben.

[p. 23]Page break

XXXII. So aber der Pfarrer, oder solche Verordnete zur Schul in Besuchung derselben saͤumig waͤren, soll der Schulmeister dasselbe dem DecanoFont change, oder, wo vonnoͤthen, an anderen gebuͤhrenden Orthen anmelden.

XXXIII. Alle Jahr soll ein gemein Examen aller Schul-Kinderen nach dem WinterDuration: winter gehalten werden, zu erfahren, was fuͤr Frucht der Schulmeister bey der lieben Jugend geschaffet, und was sie erlehrnet, wie sie sich verhalten, und demselben sollen beywohnen die Land- und Obervoͤgt, wie auch Amtleut selbs, an denen Orthen wo sie wohnhafft sind, der Pfarrer und uͤbrige Vorgesetzte, welche dann auch nach gehaltenem Examen mit dem Schulmeister nach Beschaffenheit in bester Wolmeynung handlen, und ihne in seinem Beruff und Amt weiters sein bestes zu thun anmahnen; unter den Kindern aber den Fleiß ruͤhmen, den Unfleiß und Liederlichkeit aber gebuͤhrlich tadlen und straffen sollen.

XXXIV. Und damit diese unsere gute und heilsame Meynung jedermaͤnniglich Vor- und Nachgesetzten, Elteren und Kinderen kundt und bekannt gemacht wer[p. 24]Page breakde, so sollen diese erneuerte Schul-Satzungen fuͤr das erstemahl in allen Kirchen und Gemeinden offentlich fuͤrgelesen, nachgehends alle JahrRepeated duration: 1 year in dem Schulhauß, in beyseyn der Schul-Vorgesezten widerholet, und jederzeit zu 6 JahrenDuration: 6 years um in den Kirchen vor den gantzen Gemeinden die Vorlesung derselben widerholet werden.

XXXV. Damit auch allen disen Ordnungen und Satzungen treulich statt gethan, und fleißig nachgelebt werde, sollen nicht allein die Land- und Obervoͤgt, wie auch DecaniFont change und Pfarrer daruͤber ein fleißiges Aufsehen haben, sondern auch die verordnete ExaminatoresFont change von beyden StaͤndenOrganisation: zu ernstlicher Handhab aller derselben geordnet und gesezt seyn; darzu dann Gott seinen Geist, Gnad und Segen geben wolle!

Actum den 13. Tag Augustmonats, 1719Date: 13.8.1719.

Oberste Schulherren der Stadt ZuͤrichPlace: .

Notes

  1. Corrected from: werden.
  1. Gemeint ist die Schulordnung von 1684 (ZBZ 18.2027,3).
  2. Mit der «Letzge» ist das Pensum gemeint, das jedes Kind individuell zum auswendig Lernen auferlegt hielt (De Vincenti-Schwab 2008, S. 20, Anm. 16).
  3. Gemeint ist der zweite Teil des ZürcherPlace: Katechismus (Idiotikon, Bd. 4, Sp. 518).
  4. Hier wird auf die gedruckten «Fraagstücklin» von Johann Jakob BodmerPerson: von 1652 Bezug genommen (ZBZ 5.442,3).