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SSRQ ZH NF I/1/11 42-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger

Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 42-1

License: CC BY-NC-SA

Ordnung der Stadt Zürich betreffend Gerichtsverwaltung

1716 February 4.

Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt Zürich erlassen eine Ordnung betreffend Gerichtsverwaltung für die Stadt und Landschaft mit 10 Artikeln. Verboten wird das Bestechen der Obervögte, Landvögte, Landschreiber und Richter vor, während und nach den Gerichtsverhandlungen mit Geschenken (Miet und Gaben) (1). Geregelt werden des Weiteren die Entschädigungen bei Gerichtsverhandlungen, die nicht mehr als freiwillige Gaben (discretion) der Parteien bezahlt werden dürfen, sondern als ordentliche Sitzungsgelder entrichtet werden müssen. Vögte dürfen, wenn sie nur um Rat gefragt werden, keine Audienzgelder annehmen (2). Bei Erbteilungen werden die Entschädigungssummen für anwesende Obervögte, Landvögte, Landschreiber, Untervögte und Richter festgelegt. Falls der Erblasser Güter in mehreren Herrschaften hinterlassen hat, ist jeweils die Obrigkeit des Ortes, wo er mit Feuer und Licht sesshaft war, zuständig. Künftig dürfen Gerichtsherren und Landschreiber ausser im Beisein eines Obervogts oder Landvogts nicht mehr als Schiedsrichter bei Teilungen hinzugezogen werden (3). Geregelt werden ausserdem Entschädigungsgelder von Obervögten, Landvögten, Landschreibern, Untervögten und Richtern für Augenscheine und Besiegelungen (4, 5). Die kostspieligen Mahlzeiten bei Teilungen, Besichtigungen, Ausrichtungen, Gemeinde- und Kirchenrechnungen sollen künftig bescheidener gehalten werden. Die Morgenessen sind in den inneren Vogteien nicht mehr, in den äusseren Vogteien nur noch in beschränktem Masse erlaubt (6). Es folgen Bestimmungen zu den Wahlen von Untervögten, Richtern, Weibeln und Dreiern (7). Bei Appellationen, die an die städtische Obrigkeit gelangen, soll der Obervogt oder Landvogt sein Urteil erst nach den Argumenten und Gegenargumenten der Parteien vorbringen (8). Bürger und Landleute dürfen wie bisher ihre Anliegen vor dem Stadtgericht ohne Redner vortragen (9). Aufgeführt werden des Weiteren die Löhne für Redner bei Vorträgen, Weisungen, Appellationen, kleineren Frevelsachen und bei Besichtigungen auf der Landschaft. Die Redner dürfen nicht mehr als die genannten Beträge fordern. Die Annahme von freiwilligen Gaben ist hingegen erlaubt. Die Besoldungsansätze gelten nur für Zürcher Bürger und Untertanen sowie Untertanen der Gemeinen deutschen und welschen Herrschaften (10). Zuletzt wird verordnet, dass die Ordnung zur allgemeinen Kenntnis öffentlich gedruckt werden soll.

Edition Text

[Dorsal notation above the line in a hand of the 18th century:] 1716Date: 1716.

Satz- Und Ordnungen Meiner Gnaͤdigen Herren Klein- Und Grosser Raͤthen Der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: , Wie es fuͤrohin und bestaͤndig bey Verwaltung der Rechten und Gerichts, zu Stadt nndCorrected from: unda Land, zu Verhuͤtung viler Ohnordnungen, gehalten werden solle

In offentlichen Truck gegeben, Dienstags den 4. Februarii Anno 1716.Date of origin: 4.2.1716

[p. 2]Page break

Wir Burgermeister, Klein und Grosse Raͤthe der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: , Thun kund hiemit offentlich; demnach Wir in sorgfaͤltige Berhertzigung gezogen, wie die liebe Gerechtigkeit zu Stadt und Land zu Trost Unserer getreuen lieber Verburgerter und Angehoͤriger, und ohne derer billicher Beschwerd verwalthet, auch denen vilen eingeschlichenen Mißbraͤuchen abgeholffen werden koͤnne, haben Wir zu koͤnfftig immerwaͤhrender Beobachtung gesetzet und geordnet.

[Marginal note on the left margin:] Mieth- und Gaaben nemmen verbotten.

1. Alles Mieth- und Gaaben nemmen und geben, solle gaͤntzlich und zwahren vor- in- und nach dem Rechten, gegen Ober- und Landvoͤgten, Landschreiberen und Richteren, auch allen denen Ihrigen, gaͤntzlich abgekennet seyn, und so einer seinem Richter, ehe Er Ihme seinen Rechtshandel anhaͤngig gemachet, einiche Verehrung geben wurde, der Geber, weilen Er hierdurch seinen Richter zugefahren und zubelisten gesuchet, mit ernstlicher Straff angesehen, gegen dem Entpfaher je nach beschaffenheit der Sach verfahren werden.

[p. 3]Page break
[Marginal note on the right margin":] Bestimmung der Sitz-Gelteren.

2. Belangende die Sitz-Gelder, sollen selbige 1. nach Bescheidenheit, auch der Sachen und Faͤhlen Bewandtnuß eingerichtet werden. 2. In das Koͤnfftige keiner Parthey mehr in DiscretionFont change gestellet, sondern wie obbedeutet, ein bescheidenliches Sitz-Gelt von einCurrency: 1 lb bis vier PfundCurrency: 4 lb (je nach Beschaffenheit der Sach) abgeforderet werden. 3. Die Ober- und Landvoͤgte, von denen, so sich nur Raths zuerhollen anmelden, keine AudienzFont change-Gelter an n[e]Damage through faded ink, restored by analogybmmen oder nemmen. 4. Keine Sitz-Gelter, es werde dann in denen Sachen nach beyder Partheyen verhoͤren Guͦt oder Rechtlich abgesprochen, genommen werden.

[Marginal note on the right margin":] Wie bey Theilungen sich zuverhalten.

3. Was ansihet die Theilungen, ist denen Landleuthen weiters uͤberlassen, selbige, bey welchen kein Vogt-Kind, oder abzuͤgig Gut ist, ohne Beyseyn eines Ober- oder Landvogts vorzunemmen. Wann aber ein Ober- oder Land-Vogt zu einer solchen Theilung beruffen wird, mag Er Selbiger wohl beywohnen, und eine billiche DiscretionFont change nemmen. Wofehrn Er aber Amts halber sich darbey einfinden muß, solle Er von HundertCurrency: 100 guilders bis zu FunfhundertCurrency: 500 guilders eingeschlossen, mehr nicht als einen GuldenCurrency: 1 guilder , von FuͤnffhundertCurrency: 500 guilders bis ZweytausendCurrency: 2000 guilders , zween GuldenCurrency: 2 guilders , von ZweyCurrency: 2000 guilders bis ViertausentCurrency: 4000 guilders , vier GuldenCurrency: 4 guilders , und von VierCurrency: 4000 guilders - bis Zehentausent GuldenCurrency: 10000 guilders , sechs GuldenCurrency: 6 guilders , zuempfahen haben, wann aber die Sach sich daruͤber erstreckete, mag Er hoͤchstens zwoͤlfCurrency: 12 thalers bis fuͤnfzehen ThalerCurrency: 15 thalers , ein Landschreiber, neben dem gewohnlichen Schreiber-Tax, den halbenAmount: 0.5 Theil so vil, ein Untervogt einen GuldenCurrency: 1 guilder vier und zwanzig SchillingCurrency: 24 shillings , ein Richter zwey und dreyssig [p. 4]Page break SchillingCurrency: 32 shillings von einer solchen Theilung nemmen, jedoch mit der Erlaͤuterung, daß in denen inneren Vogteyen jeglicher Obervogt eben das zubeziehen haben solle, was ein Ausserer Vogt. Auch solle in das Koͤnfftige, ohngeachtet der Erblaͤssige in underschiedlichen Herrschafften Guͤter hinderlassen, nicht mehr als diejennige Oberkeit, unter welcher Er mit Feur und Liecht seßhafft gewesen, darbey seyn. Und weilen theils Ohrten die Gerichts-Herren und Landschreiber, unter dem Titul der Schi[e]Damage through faded ink, restored by analogycd-Richteren zu denen Theilungen gezogen worden, oder von selbsten sich darzu verfuͤgen, als solle Ihnen, insonderheit denen Landschreiberen, ein solches vor das Koͤnfftige, unter dem Titul Falls oder anderen Vorwands, (es geschehe dann Amts- und Pflichten wegen in Beyseyn eines Ober- oder Landsvogts) gaͤntzlich verbotten seyn.

[Marginal note on the left margin:] Was von Augenscheinen zunemmen.

4. Von einem Augenschein solle einem Ober- oder Land-Vogt, uͤber die billiche Koͤsten, hoͤchstens vier GuldenCurrency: 4 guilders , einem Landschreiber zweenCurrency: 2 guilders , einem Untervogt ein GuldenCurrency: 1 guilder vier und zwanzig SchillingCurrency: 24 shillings , und einem Richter zwoͤlf BatzenCurrency: 12 batzen bezahlet werden.

[Marginal note on the left margin:] Sigel-Gelter.

5. Bey denen Sigel-Gelteren, da in einer Ober- oder Landvogtey oder Herrschafft, ein BatzenCurrency: 1 batzen , in anderer aber zweenCurrency: 2 batzen , einen Brieff zu siglen, genommen worden, solle es fuͤrohin sein Bewenden hab[e]Damage through faded ink, restored by analogydn.

[Marginal note on the left margin:] Wie bey Mahl-Zeiten sich zuverhalten.

6. Weilen in Haltung der Mahl-Zeiten, bey Theilungen, Augenscheinen, Ausrichtungen, Gemeind- und Kir[p. 5]Page breakchen-Rechnungen bißharo grosse und ohnnoͤthige Koͤsten verursachet worden, als solle man in das Koͤnfftige sich bey dergleichen Anlaͤsen, die Bescheiden- und Sparsamkeit aͤusserst angelegen seyn lassen, und hoͤchstens ein PfundCurrency: 1 lb und zehen SchillingCurrency: 10 shillings zur Urthen vor die Persohn machen; Insonderheit sollen in denen inneren Vogteyen, die Morgen-Essen gaͤntzlich abgekennet, in denen ausseren Vogteyen aber der bescheidentliche Gebrauch derselben wol zugelassen seyn.

[Marginal note on the right margin":] Voͤgt-Richter- und Weybel-Wahlen.

7. a. Wann fuͤrohin Untervoͤgt, Richter und Weybel zuerwehlen, solle man sich alles Biethens, Treuwens, Mieth- und Gaaben nemmens und gebens, gaͤntzlich muͤssigen, und so einer desse oder anderen PracticiFont changerens wegen angeklaget, oder uͤberzeuget wurde, solle Er dannzumahlen selbiger Wahl nicht nur nicht faͤhig seyn, sondern, nach Beschaffenheit der Sach, mit einer Buß angesehen werden.

b. Die erwehlete Dreyer sollen sich des ohnanstaͤndigen Biethens gegen einem Ober- oder Landvogt, allen denen Seinigen und allen Beamteten und denen Ihrigen, wer sie seyen, gaͤntzlich enthalten, und wo solches beschehen wurde, die Ober- und Landvoͤgt sich obgelegen seyn lassen, selbiges Unserem Kleinen-RathOrganisation: bey Ihren Pflichten zu leyden.

c. Der vor RathOrganisation: erwehlte Unter-Vogt mag seinem Ober- oder Land Vogt, wol eine DiscretionFont change geben, jedoch, daß selbige nach Beschaffenheit des Amts eingerichtet seye.

d. Weilen die Mannschafft oͤffters von entfehrnten Orthen, zu disen Wahlen auf die zur Einnemmung der sogenannten Raunen, bestimmete Plaͤtze, sich verfuͤgen muß, ist nicht ohnbillich, daß einem Jeden ein Maß WeinVolume: 1 mass wine , und [p. 6]Page break ein halbes BrotUndefined measure/weight: 0.5 loaf bread , wie auch, wo es bis dahin in dem Brauch gewesen, denen Vorgesetzten derer Gemeinden, Suppen und Fleisch gegeben werde, welches der neuwerwehlte Untervogt zubezahlen auf sich nemmen solle.

e. Was aber ansihet die auf theils Schloͤsseren bis anhero gewohnet kostliche Mahl-Zeiten, soͤlle hinfuͤro die bescheidenliche TractiFont changerung fleissig beobachtet, bey sich ergebendem EccessFont change aber die Schuldige zur Verantwortung gezogen werden.

[Marginal note on the left margin:] Abstand der Herren Ober- und Land-Voͤgten bey AppellationsFont change-Sachen.

8. Wann in das Koͤnfftige von einem Ober- oder Land-Vogt vor Uns hiehar eine Streit-Sach appellirFont changeet wird, solle ein Ober- oder Landvogt, weder Schrifft- noch Mundlich, seine gefaͤllete Urtheil, zu dero Behaubtung zu recommendirFont changeen, bey zuerwarten habender Straff, befuͤget seyn, sondern, nachdeme die Partheyen Red und Wider-Red gethan, ohne anderes abtretten.

[Marginal note on the left margin:] Ein Burger und Landt-Mann kan ohne einen Redner seine Anligenheit vor dem Statt-GerichtOrganisation: vortragen.

9. Weilen einem Burger und Landtmann von Altem har frey stehet, vor dem Statt-GerichtOrganisation: seine Anligenheit selbsten ohne einen Redner vorzutragen, angesehen ein Jeder seinen Vorsprech bekommet, als hat es darbey fehrnerhin sein bewenden.

[Marginal note on the left margin:] Der Redneren Besoldungen.

10: Der Redneren Besoldungen betreffende sollen selbige hinfuͤro bestaͤndig seyn und beobachtet werden, wie hernach folget.1

a. Von einem Vortrag, der keinen Gegentheil oder Widerstand hat " " " " " fuͤnff SchillingCurrency: 5 shillings . Doch, so Sie armen Leuthen etwas anzubringen haͤtten, [p. 7]Page break sollen Sie denen gar nichts abnemmen, sondern vergebens Reden.

b. Von einer Weysung oder AppellationFont change, auch von Haͤndlen, so Eigen- und Erb- oder sonsten Namhafft und Ehehaffte, Hoͤff und Guͤter beruͤhren " " sechszehen SchillingCurrency: 16 shillings .

c. Aber von gemeinen taͤglichen schlechten Sachen, es seye um Frefel, Bussen, oder andere kleine Ding, ob Er schon einen Gegentheil hat, und die Widerparth zahlen muß " " " " " " " sechszehen SchillingCurrency: 16 shillings .

d. Item auf das Land in Untergaͤngen, oder Augen-Scheinen, oder anderen Geschaͤfften, darzu ein Redner erforderet wird, solle einer haben, jeden TagDuration: 1 day ein GuldenCurrency: 1 guilder , darzu Futher und Mahl, samt dem Roß-Lohn, Beschlag- und Sattel-Gelt, so Er desse bedoͤrffen, und etswasCorrected from: etwase außgeben wurde, darzu des Tags, so Er heimkomt, vor das Nacht-Mahl " " " " " " fuͤnff SchillingCurrency: 5 shillings .

e. Weiters, als wie obbestimmet, sollen die Redner nicht forderen, sondern Maͤnniglichem, auf Befragen, disen Ihren Lohn anzeigen, und sich desselben benuͤgen lassen, und so Jemand darwider handlete, solle so wol der Geber als der Nemmer zur Verantwortung gezogen werderCorrected from: werdenf, thaͤte Ihnen aber Jemand, uͤber Ihren bestimmten Lohn, freyen Willens eine Verehrung, also, daß Er vor sich selbsten erkennen moͤchte, daß der Redner solches wol verdienet haͤtte, stehet es zu desselben freyem Willen, der den Redner also gebraucht hat, und mag es der Redner wol nemmen: Jedoch solle diser ArticulFont change des Lohns halber sich allein erstrecken auf Unsere Burger und Unterthanen, wie auch die Unterthanen Gemein-Teutsch- und [p. 8]Page break WelscherPlace: HerrschafftenPlace: ; von denen gar Froͤmbden aber, in Bescheidenheit geforderet werden moͤgen, was ein Redner vermeint, daß Er verdienet habe.

Und welcher einem uͤber disere Ordnung mehr abnemmen wurde, der solle, so offt es geschihet, ein halb Mark SilbersCurrency: 0.5 mark silver zur Buß verfallen, und zu bezahlen schuldig seyn. So aber einem von seiner Parthey ohne sein Ansuchen, sondern freyen Willens eine Schencke uͤber Ihren bestimmten Lohn gegeben wurde, solle doch dasselbige dem verluͤrstigen Gegentheil in den Kosten nicht aufgerechnet werden, und auch Sie die Redner auf Niemand nichts Zehren.

f. Wann auch einer einen Redner anspraͤche, vor Ihne zu Reden, so solle dann der Redner nicht dem, so Ihne erst hernach ansprichet, sondern dem, der Ihne zu erst angesprochen, Reden.

Damit nun disere Unsere Satz- und Ordnung von Jedermaͤnniglich fuͤrohin bestaͤndig beobachtet werden koͤnne, haben Wir selbige zu Jedermanns Nachricht offentlich trucken lassen. So geschehen Dienstags den 4. FebruariiFont change von der Gnadenreichen Geburth Jesu Christi Unsers Heylands gezellet, Eintausent, Sibenhundert und Sechszehen JahreDate of origin: 4.2.1716.

Cantzley der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: .

Notes

  1. Corrected from: und.
  2. Damage through faded ink, restored by analogy.
  3. Damage through faded ink, restored by analogy.
  4. Damage through faded ink, restored by analogy.
  5. Corrected from: etwas.
  6. Corrected from: werden.
  1. In der Ratsrednerordnung von 1731 sind die Besoldungsansätze für die Ratsredner teilweise doppelt so hoch: SSRQ ZH NF I/1/11 49-1.