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SSRQ ZH NF I/1/11 33-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Erster Teil: Die Stadtrechte von Zürich und Winterthur. Erste Reihe: Stadt und Territorialstaat Zürich. Band 11: Gedruckte Mandate für Stadt und/oder Landschaft Zürich, by Sandra Reisinger

Citation: SSRQ ZH NF I/1/11 33-1

License: CC BY-NC-SA

Mandat der Stadt Zürich betreffend Verbot des Weinfürkaufs, Weinfärbens und Branntweinkonsums

1697 August 26.

Bürgermeister sowie Grosser und Kleiner Rat der Stadt Zürich erlassen aufgrund verschiedener nicht eingehaltener Verbote ein erneuertes Mandat. Das Weinfärben, das Hinzufügen von unerlaubten Produkten zum Wein und der Weinfürkauf führen dazu, dass die Konsumenten betrogen und ihrer Nahrungsgrundlage beraubt werden. Hinzu kommt, dass durch den Branntweinkonsum die Gesundheit und der Lebenswandel geschädigt werden (1). Deswegen wird der Weinfürkauf und das Weinfärben bei 100 Pfund Busse sowie der übermässige Konsum von gebrannten Wassern verboten (2). Da die Festsetzung des Weinpreises mit der sogenannten Weinrechnung erst am Vorabend des Martinstages im November erfolgt, ist der Kauf von neuem Wein davor nicht gestattet. Der Weinfürkauf ist bei 50 Pfund Busse verboten (3). Damit das Mandat eingehalten wird, sollen die Amtleute wachsam sein und Zuwiderhandlungen bestrafen. Es wird daran erinnert, dass von allen Bussen ein Viertel an die Obrigkeit geht. Zuletzt wird vermerkt, dass nicht gemeldete Übertretungen mit derselben Busse bestraft werden.

Jährlich am Abend vor dem Martinstag (10.11.) entnahm die ZürcherPlace: ObrigkeitOrganisation: vom Wein des ZürichseegebietsPlace: eine Probe, die sogenannte Weinrechnung, um den Weinpreis in Gulden pro Eimer zu bestimmen. Dies geschah zum einen deswegen, weil gemäss dem Halbpachtsystem die eine Hälfte des gekelterten Weins zu diesem Preis an die Obrigkeit verkauft werden musste (zur Halbpacht das Weinmandat von 1663 vgl.SSRQ ZH NF I/1/11 28-1). Zum anderen nahmen die Weinbauern oft Betriebskredite von reichen Stadtbürgern sowie von weltlichen und geistlichen Institutionen auf und zahlten den Kredit dann in Form von Wein nach der Weinlese zurück. Da die Qualität und der Preis des Weins bei Kreditabschluss noch nicht feststand, erfolgte mithilfe der Weinrechnung eine Preisschätzung. Der ZürcherPlace: RatOrganisation: konnte je nach Preis den Schuldner oder Gläubiger begünstigen. In der Regel entsprachen die Weinpreise in den Weinrechnungen jedoch weitgehend den tatsächlichen Preisbewegungen. Zur Weinrechnung vgl. Sulzer 1944, S. 75-77; Wyss 1796, S. 165.

Die Obrigkeit sorgte sich aber nicht nur um den Weinpreis, sondern auch um die Weinqualität. Neben der Anbaupflicht von qualitativ hochwertigen Weinreben (vgl. das Weinmandat von 1663, SSRQ ZH NF I/1/11 28-1) stellte auch der Kampf gegen das Weinfärben und das Hinzufügen von nicht erlaubten Stoffen in den Wein ein wiederkehrendes Thema in den Mandaten dar. Mit der Veränderung des Weins wurden die Konsumenten laut Ansicht der Ratsherren nicht nur betrogen, sondern auch gesundheitlich geschädigt. Wein war zwar als wichtiges und notwendiges Grundnahrungsmittel bekannt, der Konsum durfte aber nicht übermässig hoch sein. Ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde vermehrt das Herstellen und Trinken von Branntwein kritisiert. Insbesondere die sozioökonomischen Folgen des Branntweinkonsums, wie Nahrungsmittelmangel und Verarmung, wurde thematisiert (HLS, Branntwein). Diese Argumentationslinie verstärkte sich im 18. Jahrhundert, wie beispielsweise ein Mandat von 1785 zeigt (StAZH III AAb 1.15, Nr. 33). Hinzu kamen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch zahlreiche Warnungen vor der Schädlichkeit des Branntweins (beispielsweise die Anleitung von 1768, StAZH III AAb 1.13, Nr. 38).

Edition Text


Wir Burgermeister Klein und Groß Raͤht
so man nennt die Zwey-Hundert der Stadt ZuͤrichPlace:
Organisation:
: Entbieten hiemit allen und Jeden Unseren Angehoͤrigen in Unseren Staͤtten / Landen und Gerichten / Unseren goͤnstigen / geneigten Willen und geben anbey offentlich zuvernemmen: Demnach Uns / zu
hoͤchstem Unserem Mißfallen / der sichere Bericht einkommen / auch die eigene Erfahrung gezeigt hat / wie daß die Zeit haro mit schnoͤder Verachtung verschiedener
Unserer so ernsthafter publicieFont changerter Mandaten / das ungebuͤhrende und betrugenliche Färwen / Roͤthen und Ruͤsten der Weinen; Deßgleichen der unmaͤssige / aͤrgerliche Gebrauch des so genanten Kriesi- und anderen gebraͤnten starcken Wasseren, Wie auch der uͤberwaidige Fuͤr- und Aufkauff des lieben Wein-Gewaͤchs / darmit
Uns der Allerhoͤchst JaͤhrlichRepeated duration: 1 year unverdient / begnadet / je laͤnger je mehr zu Statt und Land uͤber Hand nemmen und zu einem Lands verderblichen Schaden sich anlassen und in Uebung kommen wollen:
Da doch erstens durch so thanes ungeziemendes Wyn-Faͤrben / Roͤthen und zuruͤsten der Wynen mit Kriesi / Wiechslen / Holder / Kerngerten / Alten-Beeren / Wißmet1 / schaͤdlichem Suͤßbrand ald anderen dergleichen Ungebuͤhren / die sonst Ihrer wahren Eigenschaft nach / so edle und zu Erhalt-
und Sterckung des menschlichen Leibs gewidmete und gereichliche Gaab Gottes schandlich entunehret / verfaͤlschet / unbleibenlich gemachet / auch der Naͤchste / auf eine untreue Weis angesetzet und betrogen; Ja gar an seiner Gesundheit empfindlich verletzet und geschaͤdiget wird: Demnach der uͤbermaͤssige Gebrauch und zu sich Nemmung erwehnten Kriesi- und anderer gebraͤnten starcken Wasseren und Getraͤncken / nicht allein den eigennuͤtzigen Aufkauff und Brennung dieser Frucht veranlasset
und folgends dem Armen die so naͤhrhafte und gesunde Speiß der Kriesenen unverantwortlich vor dem Mund abschneidet und vertheuret / sonderen zumahlen den
Menschen zu schuldiger Verrichtung seines Beruffs gantz untaugenlich machet und an Leib und Gemuͤht erschwaͤchet / auch zu einem heillosen verderblichen Leben
angewehnet deme auf dem Fuß Armuht und Krankheit folgen:
So danne in einer wol eingerichteten menschlichen Gesellschaft ein so liebloser und uͤberweidiger
Auf- und Fuͤr-Kauff der Wynen auf Mehr-Schatz / darum nicht zugestatten nach demme in die Harr zuzesehen ist / weilen dardurch der Preiß der Weinen zu wohlempfindlichem Nachtheil des Neben-Menschen | : Der in Christenlicher Leibes Uebung Uns Selbsten gleich seyn soll: | beschwerlich gesteigeret / und der freye Kauff
dessen / dergestalten ins stecken kommet / daß manchem ehrlichen Mann / durch dergleichen gewuͤnnsuͤchtige und uͤberweidige Wein-Haͤndler die Gelegenheit seine Haußhaltung mit einem noͤthigen und gesunden Trunck Wyn zuversorgen / vorgeloffen / entzogen und man Ihme darmit nicht unzeitigen Anlaaß zu schweren Seufzen
gibet. Als haben wir auß diesen jetz-erzehlten erheblichen Ursachen und obligender befindender Lands Vaͤtterlicher Vorsorg eine unentbehrliche Nohtwendigkeit seyn
befunden / vorbeschriebnen eingerissnen Ublen / alles Ernsts zusteuren / und derent-wegen Unseren Oberkeitlichen Befelch / bester Wohlmeinung dahin zuverschaͤrffen und
zuerfrischen / daß jedermaͤnniglich Unser Angehoͤrigen zu Statt und Land alles Faͤrbens / Roͤthens / Verfaͤlschens und Zuruͤstens der Wynen / mit Kriesenen und
Wiechslen / bey Ein Hundert PfundCurrency: 100 lb Gelt-Buß; Mit Holder / Kerngerten / Alten Beerenen / Wissmet / schaͤdlichem Suͤßbrand / ald anderem dergleichen Unrath aber /
bey Straf an Leib / Ehr und Guth / sich allenklichen muͤssigen; Wie nicht weniger auch des unmaͤssigen Gebrauchs und zu sich nemmens des gebraͤnten Kriesi- und
anderen starcken Wasseren und Getraͤncken / fuͤrnemlich vor und zwuͤschen den SonntaͤgRepeated duration: 1 week- und WochentlichenRepeated duration: 1 week Predigen / bey schwerer Unserer Buß sich vergaumen
und enthalten solle:
Und Drittens / gleichwie Wir jederzeit billich befunden und nach fuͤrther befinden / daß dem muͤhsamen Raͤbmann sein schwere Arbeit / saurer
Schweiß / und danahen fassende Hoffnung ehrlicher Loosung nicht benommen / sonderen vielmehr so wohl durch eine dem Jahrgang und Werth des Wyns nachstellende Rechnung / darzu wir gnaͤdig gesinnet / als in anderweg gebuͤhrend ergetzet werde; Daß zumahlen diejenige Raͤbleuth / welichen durch das gantze JahrDuration: 1 year mit
Vorsatz auf den HerbstDuration: fall hin / trostlich beygesprungen und unter die Arm gegriffen wird / Ihren Schuldglaͤubigen zu Fortsetzung solichen Ihres ehrbarlichen Diensts /
den einsamlenden HerbstDuration: fall-Segen / in allen Treuen / und ohne hochstraffbaren betrugenlichen Vor-Verkauff des besten Gewaͤchses und zeithigsten Trauben ab den Raͤben pflichtmaͤssig zukommen lassen moͤgen; Also ist hingegen Unser ernstlicher Will und Befelch / daß hinfuͤro maͤnniglich / Er seye Froͤmbd oder Heimsch darunter
Unsere Aussere Voͤgt / Amtleuth / Pfarrer und Landsaͤssen gleich verstanden seyn sich alles Bestellens des Weins; auch der / an den Raͤben stehenden Trauben vor dem
HerbstDuration: fall; Und hernacher alles vertheurenden Uberbiethens und uͤberweidigen Auf- und Fuͤrkauffs des Wyns auf Mehrschatz / in Unseren Gerichten und Gebiehten
sich gaͤnzlich muͤssigen und harrinn Jeglicher je nach Beschaffenheit seines Hauses und dessen vernuͤnftiger Vor- und Versehung aller wohlanstähndiger und Christenlicher Liebe gemesser Bescheidenheit und Theilsamme / wenigst bey Fuͤnfzig PfundenCurrency: 50 lb unnachlaͤßlicher Buß / und je nach befindenden Dingen ein mehrers / treulich und
ohn alle Gefahr befleissen solle.
Und damit Wir Dieß Unser best-gemeintes Lands-Vaͤtterliches Absehen in erstem / anderem und Dritten Puncten desto ehender
erreichen / und diesem Unserem Hoch Oberkeitlichem Ansehen die schuldige Folg erfinden koͤnnen. So haben Wir einige Unserer geliebten Mit-Raͤthen / neben mehrer anderen hierzu dienstlich befundenen Veranstaltungen / eigens verodnet / daß Sie auf alles hierwider vorlauffende in Unserer Statt allhier eine fleissige unpartheyische Acht halten / und die Befindende Fehlbahre zu obangesetzter Straf ziehen; Thun beneben alle Unsere Voͤgte / Amtleuth / Unter-Voͤgt / Geschworne / Weibel und
Nachgesetzte Beamtete / bey Ihren aufhabenden Pflichten / zu gleicher treuer Aufsicht / Handhab und Laͤidung diesese / alles Ernsts / und in der weitheren außgetrukten
Erklaͤhrung hiemit anmahnen und erinneren / daß von Denen hiervon wegen Uns fallenden Gelt-Bussen in der Statt der Vierte TheilAmount: 0.25 Unseren verordneten Mit-
Raͤthen / und auf der Landschaft Unseren Ober- und Land-Voͤgten; Demnach an Eim und Anderem Orth der Vierte TheilAmount: 0.25 dem oder denen / weliche mit Grund der
Wahrheit / die Fehlbahren ohne Ansehen der Persohn / zu gebuͤhrenden Oberkeitlichen Handen leiden und angeben / eigenthumlich gehoͤren / die aber so wuͤssentliche
Ubertrettere verschweigen / in gleicher Straf als die Taͤhtere Selbst stehen und seyn sollen. Warnach ein Jeder sich zurichten und Ihme vor Ungnad und Schaden zuseyn; Auch harinn die zu Ihm versehende Christenliche Liebe und schuldige Gehorsamme bestens angelegen zuhaben wohl wuͤssen wird.
Geben Donstags den
Sechs und Zwaͤnzigsten Tag Augstmonaths / von der Gnadenreichen Geburt Christi unsers lieben Herren und Heilands gezellet / Eintausent / Sechshundert / Neunzig und Sieben Jahr
Date of origin: 26.8.1697 ()
:
Canzley der Stadt ZuͤrichPlace: Organisation: .
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Notes

    1. Zum Pantschen des Weins wurden häufig Zusatzstoffe wie das Farbmittel Wismat oder verschiedene Sträucher mit dem Namen Kerngerten verwendet (vgl. Idiotikon, Bd. 16, Sp. 2076 und Idiotikon, Bd. 2, Sp. 441).