SSRQ ZH NF II/3 intro
Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil:
Rechte der Landschaft. Band 3: Die Landvogtei Greifensee, by Rainer Hugener
Citation: SSRQ ZH NF II/3 intro
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Table of Contents
- Vorwort des Präsidenten der Rechtsquellenstiftung und des Staatsarchivars des Kantons Zürich
- Vorwort des Bearbeiters
- Einleitung
Vorwort des Präsidenten der Rechtsquellenstiftung und des Staatsarchivars des Kantons Zürich
Die Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins und das
Staatsarchiv des Kantons Zürich freuen sich, mit dem vorliegenden Band und vier
weiteren, gleichzeitig erscheinenden Editionseinheiten einen wertvollen Beitrag
zum Verständnis der Geschichte von Stadt und Territorialstaat Zürich im
Mittelalter und in der Frühen Neuzeit zu leisten. Unter der Leitung von
Christian Sieber haben insgesamt sechs Bearbeiterinnen und Bearbeiter die
Quellen zu den Städten Zürich und Winterthur, zur Landvogtei Greifensee sowie zu
den Obervogteien rund um die Stadt Zürich gesichtet, zentrale Stücke ausgewählt
und wissenschaftlich kommentiert. Die Quellenstücke wurden in digitaler Form
nach den Grundsätzen der Text Encoding Initiative (TEI) aufbereitet und online
publiziert. Die gedruckte Fassung dient demgegenüber als
Referenzpublikation.
Unser Dank gebührt zuallererst den Bearbeiterinnen und Bearbeitern der fünf
Editionseinheiten, Dr. des. Michael Schaffner (Stadt und Territorialstaat
Zürich), Sandra Reisinger (Gedruckte Mandate), Dr. Bettina Fürderer (Stadt
Winterthur), Dr. Rainer Hugener (Landvogtei Greifensee) sowie Dr. Ariane Huber
Hernández und Michael Nadig (Obervogteien um die Stadt Zürich). Dr. Pascale
Sutter hat das Projekt als wissenschaftliche Leiterin der Rechtsquellenstiftung
begleitet und zusammen mit den Bearbeiterinnen und Bearbeitern neue Richtlinien
für die digitale Edition erarbeitet. Unterstützt wurde sie im Bereich der
Informatik und Computerlinguistik durch Dr. Bernhard Ruef. Im Staatsarchiv
wurden entsprechende Arbeiten durch Rebekka Plüss durchgeführt.
Bei der Erfassung und Verwaltung der Literatur hat sich die Zusammenarbeit mit
der Schweizerischen Nationalbibliothek bewährt, indem alle verwendeten
Publikationen in der Bibliographie der Schweizergeschichte (BSG) verzeichnet
werden. Unterstützung in linguistischen Fragen erhielt das Projektteam durch Dr.
Hans-Peter Schifferle vom Schweizerischen Idiotikon sowie durch Dr. Philipp
Roelli, Darko Senekovic und Severin Hof von der Fachstelle Latein der
Universität Zürich.
Zu danken haben wir ausserdem den beteiligten Stadtarchiven von Zürich und
Winterthur, die Arbeitsplätze für unsere Bearbeiterinnen und Bearbeiter
bereitgestellt und sie bei ihrer Arbeit tatkräftig unterstützt haben. Für das
Erstellen von Digitalisaten ausgewählter Quellenstücke bedanken wir uns bei
Romano Padeste, bei der Zentralbibliothek Zürich und bei der Fotografin
Christine Seiler, Zürich. Die Satzarbeiten haben Dr. Pascale Sutter und Dr.
Bernhard Ruef übernommen, den Druck hat in bewährter Manier die Dike-Verlag AG
durchgeführt. Ermöglicht wurde dieses Vorhaben dank der massgeblichen
Unterstützung durch den Gemeinnützigen Fonds (ehemals Lotteriefonds) des Kantons
Zürich sowie die Städte Zürich und Winterthur. Ihnen allen sei an dieser Stelle
herzlich gedankt.
Prof. Dr. Lukas Gschwend, Präsident der Rechtsquellenstiftung
Dr. Beat Gnädinger, Staatsarchivar des Kantons Zürich
St. Gallen/Zürich, im Frühling 2021
Vorwort des Bearbeiters
Schon als Kind habe ich meine Freizeit gern am Greifensee zugebracht und neben
der lieblichen Landschaft auch die Burg und das Städtchen Greifensee bewundert.
Wie die Menschen hier früher gelebt haben, welche Herausforderungen sich ihnen
stellten und wie sie ihr Zusammenleben organisierten, hat schon damals mein
Interesse geweckt. Für mich war es daher eine grosse Freude und Ehre, mich über
mehrere Jahre hinweg intensiv mit der Geschichte dieser Region zu befassen und
sie im Rahmen der vorliegenden Quellenedition für ein grösseres Publikum
zugänglich zu machen. Sie bildet Teil eines gemeinsamen Projekts der
Rechtsquellenstiftung des Schweizerischen Juristenvereins und des Staatsarchivs
des Kantons Zürich, in dessen Rahmen neben dem vorliegenden Band auch noch vier
weitere Editionseinheiten zur Geschichte des vormodernen Stadtstaats Zürich
erarbeitet wurden. Ermöglicht wurde dies dank der grosszügigen Finanzierung
durch den Gemeinnützigen Fonds (ehemals Lotteriefonds) des Kantons Zürich.
Seit dem Beginn meiner Arbeit an den Rechtsquellen der Landvogtei Greifensee hat
sich einiges verändert. Gerade im Bereich der Editionstätigkeit haben sich neue
Technologien etabliert, die nicht nur für die Bearbeitung, sondern auch für die
Publikation von historischem Quellenmaterial erhebliche Vorteile mit sich
bringen – die es aber auch erforderlich machen, althergebrachte Standards der
Editionsphilologie zu überdenken. Die Rechtsquellenstiftung hat es geschafft,
die neuen technischen Möglichkeiten nutzbar zu machen und das
Editionsunternehmen von einer individualistisch geprägten Arbeitsweise in ein
stark vernetztes, kollaboratives Projekt umzuwandeln. Dies ist vor allem der
administrativen und wissenschaftlichen Leiterin, Dr. Pascale Sutter, zu
verdanken. Sie hat die bewährten Transkriptionsrichtlinien der
Rechtsquellenstiftung im Hinblick auf die digitale Publikation überarbeitet,
dokumentiert und gemeinsam mit den Bearbeiterinnen und Bearbeitern
weiterentwickelt sowie die Entwicklung interoperabler Datenbanken und die
Vernetzung mit anderen Institutionen entscheidend vorangetrieben. Nicht zuletzt
hat sie auch sämtliche Texte lektoriert, wofür ich mich herzlich bedanke. Für
das Lektorat der lateinischen Quellenstücke danke ich Dr. Philipp Roelli und
Darko Senekovic von der Fachstelle Latein der Universität Zürich. Die Karte der
Landvogtei Greifensee hat Alexander Hermann vom Geographischen Institut der
Universität Bern erstellt. Die verwendete Literatur wurde durch die
Schweizerische Nationalbibliothek in die Bibliographie der Schweizergeschichte
(BSG) aufgenommen, was eine professionelle und nachhaltige Lösung
gewährleistet.
Auch die Zusammenarbeit in einem Team von Editorinnen und Editoren hat sich als
sehr vorteilhaft erwiesen. Das gegenseitige Kollationieren der Texte sowie das
gemeinsame Erarbeiten von Werkzeugen und Richtlinien tragen wesentlich zur
Qualität der vorliegenden Editionseinheit bei. Hierfür habe ich vor allem Dr.
Ariane Huber Hernández, Dr. Bettina Fürderer, Dr. des. Michael Schaffner, Sandra
Reisinger und Michael Nadig sowie dem Projektleiter Christian Sieber zu danken.
Zweifellos hat sich die enge Anbindung an das Staatsarchiv des Kantons Zürich
bewährt, indem dadurch die notwendigen Überlegungen vorangetrieben wurden, wie
historische Quellen im digitalen Zeitalter künftig am besten präsentiert werden
können. Staatsarchivar Dr. Beat Gnädinger ist es zu verdanken, dass das Archiv
seine diesbezüglichen Anstrengungen fortsetzt und weiterhin spannende Dokumente
zur Zürcher Geschichte für eine breitere Öffentlichkeit aufbereitet.
Tessa Krusche hat als studentische Mitarbeiterin von diversen Quellenstücken
Rohtranskriptionen erstellt und die Registerdaten aufbereitet, was es mir und
den übrigen Bearbeiterinnen und Bearbeitern ermöglicht hat, uns stärker auf die
Kommentierung und Kontextualisierung der Stücke zu fokussieren. Mit Hilfe
unserer Informatikspezialistin Rebekka Plüss konnten wir diverse Arbeitsschritte
automatisieren und somit erheblich vereinfachen. Sehr wertvoll war ausserdem der
Austausch mit Prof. Dr. Tobias Hodel, der parallel zu unserem Projekt die
digitale Edition der Urkunden des Klosters Königsfelden betreut und im Rahmen
eines europäischen Grossprojekts die maschinelle Erkennung von Handschriften
erprobt hat. Dass ich meine Überlegungen zur Erforschung von materiellen
Aspekten im digitalen Zeitalter im Rahmen einer gross angelegten Tagung im
Herbst 2014 an der Universität Zürich präsentieren konnte, ist der
Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte (SGG) zu verdanken. Erste Resultate
unsere Editionstätigkeit durfte ich ausserdem im Herbst 2015 beim
Cappelli-Hackathon an der Universität Zürich sowie im Sommer 2016 anlässlich der
4. Schweizerischen Geschichtstage an der Universität Lausanne vorstellen.
Herzlich bedanken möchte ich mich abschliessend auch bei meiner Partnerin Kerstin
Seidel, die mich nicht nur auf diverse Wanderungen und Velotouren durch die
ehemalige Landvogtei Greifensee begleitet hat, sondern mit der ich mich auch
über jegliche Fragen betreffend Geschichte, Archivpraxis und Digitalisierung
austauschen konnte.
Rainer Hugener
Zürich, im Frühling 2021
Einleitung
Den geographischen Rahmen für die vorliegende Edition bildet die Landvogtei
GreifenseePlace: . Diese war aus einem
hochmittelalterlichen Konglomerat adliger Besitzansprüche hervorgegangen, das
als Verwaltungseinheit bis zum Untergang des Ancien Régime Bestand hatte und das
Leben der Leute vor Ort neben der Familie, der Gemeinde und der nahen Stadt
ZürichPlace: massgeblich geprägt haben
dürfte. Viele Belange waren auf dieser Ebene geregelt, insbesondere die
gerichtliche Zugehörigkeit und der Instanzenzug, aber auch persönliche Rechte
und Pflichten wie die Allmendnutzung sowie Abgaben, Kriegs- und Frondienste.
Nichtsdestotrotz ist gerade diese Zwischeninstanz verhältnismässig schlecht
untersucht: Während es auf den Ebenen darunter und darüber diverse Orts- und
Kantonsgeschichten gibt, bieten ehemalige Verwaltungseinheiten, die nicht länger
fortbestehen, einen schlechten Anknüpfungspunkt für die territorial orientierte
Geschichtsschreibung. Die meisten Orts- und Kantonsgeschichten beschränken sich
darauf aufzuzählen, wann welches Gebiet zum betreffenden Kanton
«hinzugekommen» ist; unterbelichtet bleiben sowohl die
«Vorgeschichte» als auch die lange Entwicklung innerhalb der neuen
Obrigkeit, im vorliegenden Fall der Stadt ZürichPlace: mit ihrem wachsenden Herrschaftsgebiet, aus dem der
heutige Kanton hervorgegangen ist.1
Vor diesem Hintergrund bietet die vorliegende Quellenedition einen neuen,
detailreichen Einblick in die Geschichte einer solchen vormodernen
Verwaltungseinheit. Die Herrschaft GreifenseePlace: bietet sich hierfür besonders an, weil es sich um
das erste Territorium handelt, welches die Stadt ZürichPlace: durch einen Vogt vor Ort als sogenannte äussere Vogtei
oder Landvogtei verwalten liess.2 An diesem Beispiel lässt sich
somit untersuchen, wie die Stadt ZürichPlace:
ihre Herrschaft über die Landschaft ausweitete und verdichtete, wie sie ihre
Machtausübung delegierte, wie sie die Verwaltung ihres wachsenden Territoriums
konkret organisierte, wie sie dabei mit ihren Untertanen kommunizierte und wie
letztere ihre Handlungsspielräume ausgestalteten, um ihr Zusammenleben zu
regeln. Die nachfolgenden Ausführungen gehen diesen Fragen nach und sollen damit
zu einem besseren Verständnis der hier präsentierten Quellenstücke beitragen,
indem sie diese kontextualisieren und in grössere Zusammenhänge einbetten. Damit
soll zugleich verdeutlicht werden, dass die ausgewählten Quellenstücke nicht nur
aus rechtshistorischer Perspektive, sondern auch für sozial-, wirtschafts- und
kulturgeschichtliche Fragestellungen von Interesse sein können.
Nach einem Überblick über die historische Entwicklung der Herrschaft GreifenseePlace: und der darin begüterten
Herrschaftsträger folgen Erläuterungen zum zugehörigen Gebiet, zu den
Herrschafts- und Verwaltungsstrukturen, zur Gerichtsorganisation, zu den
kirchlichen Verhältnissen und zum Wirtschaftswesen. Erläuterungen zur
Quellenlage und zu den Auswahlkriterien für die vorliegende Editionseinheit
schliessen die Einleitung ab und leiten zu den edierten Stücken über.
1Historischer Überblick
Die Ufer des GreifenseesPlace: waren bereits in
der Steinzeit besiedelt. Von neolithischen Ufersiedlungen zeugen die Funde von
Hausfundamenten, Keramik, Korbgeflechten, Werkzeugen, Waffen, Schmuck und
Knochen bei BöschenPlace: , FurenPlace: und StorenPlace: , am RietspitzPlace: bei
FällandenPlace: , in RiedikonPlace: sowie bei der Schifflände in MaurPlace: und bei UessikonPlace: . Bei RiedikonPlace:
wurden ausserdem bronzezeitliche Grabhügel gefunden. Römische Gutshöfe sind in
NänikonPlace: und RiedikonPlace: nachgewiesen.3
Im Mittelalter waren verschiedene Herrschaftsträger rund um den GreifenseePlace: oder «Glattsee»Place: , wie er ursprünglich noch genannt
wurde, begütert. Über einen relativ geschlossenen Herrschaftskomplex verfügten
die Herren und nachmaligen Grafen von RapperswilOrganisation: . Deren Verwaltungsmittelpunkt stellte die Burg
GreifenseePlace: dar, die urkundlich
1260/1261 erstmals erwähnt wird.4 Bereits damals
ist von einem Ammann beziehungsweise «minister» die Rede, der die
Burg, das Städtchen und die zugehörigen Güter im Auftrag der RapperswilerOrganisation: verwaltete.5 Man nimmt an, dass der Name GreifenseePlace: in Analogie zur rapperswilischen Burg GreifenbergPlace: bei BäretswilPlace: im Zürcher
OberlandPlace: gewählt wurde, nach der sich einzelne
Familienmitglieder benannten.6 Wohl aus dem
Umfeld der Grafen von RapperswilOrganisation: wurde im
ersten Drittel des 13. Jahrhunderts, sicher vor 1250, auch das Lazariterhaus im GfennPlace: Organisation: gegründet, das mit verstreutem Besitz in
der näheren und weiteren Umgebung ausgestattet wurde.7
Nach dem Tod des letzten Grafen Rudolf von
RapperswilPerson: im Jahr 1283 erbte dessen Tochter ElisabethPerson: den Besitz am GreifenseePlace: , doch musste sie aufgrund akuter
Geldnot im Jahr 1300 ihre Herrschaftsrechte rund um den GreifenseePlace: an die aufstrebenden Herren von
LandenbergOrganisation: verpfänden, die sich fortan
auch nach GreifenseePlace: benannten.8 Die LandenbergerOrganisation: erweiterten den Besitzkomplex um Güter aus ihrem
ehemaligen Stammgebiet im Zürcher
OberlandPlace: , sahen sich aber 1369 ihrerseits gezwungen, die
Herrschaft GreifenseePlace: an die Grafen von
ToggenburgOrganisation: zu verkaufen.9 Von diesen kam GreifenseePlace: 1402 an die Stadt ZürichPlace: .10 Mit diesem Pfand, das nicht mehr
eingelöst wurde, erweiterte die Stadt ihre Herrschaft erstmals auf ein
Territorium, das sie von einem Vogt direkt vor Ort verwalten liess.11 In
den folgenden Jahrzehnten erwarb ZürichPlace:
sukzessive auch die Herrschaft GrüningenPlace:
(1408), das Amt RegensbergPlace: (1409), die
Grafschaft KyburgPlace: (1424), die Herrschaft
AndelfingenPlace: (1434) sowie weitere
Territorien, die sodann wie GreifenseePlace:
als Landvogteien durch einen städtischen Vogt verwaltet wurden.12
Neben den Grafen von RapperswilOrganisation: und ihren
Nachfolgern, den Herren von LandenbergOrganisation: , den
Grafen von ToggenburgOrganisation: sowie der Stadt
ZürichPlace: , verfügten noch weitere
geistliche und weltliche Herrschaftsträger über Besitz am GreifenseePlace: . Übergeordnete Rechte machten auf der
einen Seite die Inhaber der Grafschaft KyburgPlace: , auf der anderen Seite die Inhaber der Burg GrüningenPlace: geltend; dies hatte zur Folge, dass
die hochgerichtliche Zugehörigkeit umstritten blieb, bis GreifenseePlace: 1498 direkt dem Zürcher RatOrganisation: unterstellt wurde.13
In SchwerzenbachPlace: war vor allem das
Kloster EinsiedelnPlace: Organisation: begütert, dessen Kastvögte die Herren
von RapperswilOrganisation: waren. Insbesondere verfügte
das Kloster noch bis 1834 über den Kirchensatz, was nach der Reformation immer
wieder zu Auseinandersetzungen mit der nunmehr protestantischen Zürcher ObrigkeitOrganisation: führte.14 Weitere geistliche Herrschaftsträger waren
das GrossmünsterstiftOrganisation: und die FraumünsterabteiOrganisation: in ZürichPlace: . Zum GrossmünsterOrganisation:
gehörte unter anderem die Kirche in FällandenPlace: , wobei die Gemeinde 1492 das Recht erhielt, ihren
Pfarrer selbst zu wählen.15 Das FraumünsterOrganisation:
verfügte über ausgedehnten Grundbesitz in FällandenPlace: und MaurPlace: , der
durch lokale Amtsträger, die Meier, verwaltet wurde.16 Während die Äbtissin das
Meieramt von FällandenPlace: an die Inhaber der
Burg GreifenseePlace: verlieh, was die
Integration in die Herrschaft GreifenseePlace:
förderte, lebte das Meieramt von MaurPlace: als
eigene Gerichtsherrschaft fast bis zum Untergang des Ancien Régime fort; nach
dem Erwerb durch den ehemaligen Landvogt Heinrich
AeppliPerson: verblieb sie über mehrere Jahrhunderte im Besitz seiner
Familie und wechselte danach noch mehrmals die Hand.17 Spezielle Wege ging das
benachbarte Dorf EbmatingenPlace: , dessen
östlicher oder vorderer Teil zur Herrschaft GreifenseePlace: gehörte, während der hintere, gegen WitikonPlace: gelegene Teil spätestens ab 1617 als
eigene Obervogtei direkt dem Bürgermeister von ZürichPlace: unterstand.18
In UsterPlace: verfügte unter anderem das
Kloster St.
GallenPlace: Organisation: über Besitz, den es an die Grafen von
KyburgOrganisation: und HabsburgOrganisation: weiterverlieh. Daneben beanspruchten die HabsburgerOrganisation: auch die Burg UsterPlace: , die sie vermutlich bereits ab 1267,
sicher aber ab 1320 an die Freiherren von BonstettenOrganisation: verliehen, die auch sonst über Güter in dieser Gegend
verfügten. Spätestens nach 1350, als ihre Stammburg in BonstettenPlace: durch zürcherische Truppen zerstört
worden war, verlagerten die Herren von BonstettenOrganisation: ihren Sitz vollends nach UsterPlace: und wählten die hiesige Kirche als Familiengrablege. Mit
der Burg UsterPlace: verbunden war eine kleine
Gerichtsherrschaft über Teile von KirchusterPlace: und NossikonPlace: ,
die 1544 an die Stadt ZürichPlace: verkauft
wurde, während die Burg im Privatbesitz verblieb und an die Freiherren von
HohensaxOrganisation: gelangte.19 Die Gerichtsherrschaft über
WermatswilPlace: hatte die Familie BonstettenOrganisation: bereits 1528 der Stadt ZürichPlace: geschenkt, die sie zur Grafschaft
KyburgPlace: schlug.20
In der Umgebung von UsterPlace: waren zudem
freie Bauern ansässig, die über ihr eigenes Gericht in NossikonPlace: verfügten, wo vor allem
Gütertransaktionen der zugehörigen Höfe verhandelt wurden.21 Geleitet wurde diese Gerichts-
oder Dingstatt zunächst vom Ammann, der die Herrschaft GreifenseePlace: im Auftrag der Herren von RapperswilOrganisation: , LandenbergOrganisation: und schliesslich ToggenburgOrganisation: verwaltete; ab 1402 übernahm diese Funktion der Vogt
der Stadt ZürichPlace: oder ein Untervogt als
dessen Stellvertreter. Obwohl dieses Gericht auch in der Frühen Neuzeit
gelegentlich noch einberufen wurde, verlor es zunehmend an Bedeutung, weil die
Inhaber der Güter ihre Geschäfte nun meistens vor dem regulären Gericht in
GreifenseePlace: abwickelten.22
FreudwilPlace: war entlang dem Bach geteilt: Die
drei südlichen Höfe gehörten zum besagten Freigericht NossikonPlace: und damit zur Herrschaft GreifenseePlace: , während der nördliche Hof zu einer Gruppe von
freien Gütern zählte, die ihre Gerichtsstätte in BrünggenPlace: hatten und somit zur Grafschaft KyburgPlace: gehörten. Die Vogtei über diesen
kyburgischen Teil ging 1471 als Lehen an die Familie BachofnerOrganisation: über, die sie bis 1798 als Gerichtsherrschaft
innehatte, die jeweils durch die ältesten männlichen Familienmitglieder ausgeübt
wurde.23 Wenig bekannt ist schliesslich, dass es
auch in HegnauPlace: eine kleine
Gerichtsherrschaft der Familie HegnauerOrganisation: gab,
die nach der Reformation jedoch vollständig in der Landvogtei GreifenseePlace: aufging.24
Nach dem Untergang des Ancien Régime bildete man 1798 aus der ehemaligen
Landvogtei GreifenseePlace: zusammen mit
WetzikonPlace: den Distrikt UsterPlace: und verlegte den Verwaltungssitz dorthin.
In der Restaurationszeit wurde ab 1815 wiederum GreifenseePlace: das Zentrum des nunmehr geschaffenen Oberamts
gleichen Namens. Am 22. November 1830 fand in UsterPlace: eine Volksversammlung statt, die eine neue Verfassung mit
der Gleichstellung der städtischen und ländlichen Bevölkerung forderte und als
Ustertag in die Geschichte einging. Diese Forderung resultierte schliesslich in
der liberalen Kantonsverfassung vom 23. März 1831. Seither ist UsterPlace: der Hauptort des gleichnamigen Bezirks,
der neben den Gemeinden der alten Herrschaft GreifenseePlace: auch noch DübendorfPlace: , Wangen-BrüttisellenPlace: , VolketswilPlace: , EggPlace: und
MönchaltorfPlace: umfasst.25
2Gebiet und Grenzen der Herrschaft GreifenseePlace:
Bei der Verpfändung durch Elisabeth von
RapperswilPerson: im Jahr 1300 werden erstmals die Gebiete umschrieben,
die zu ihrem Herrschaftskomplex am GreifenseePlace: gehörten, nämlich die Burg und das Städtchen
GreifenseePlace: mitsamt dem See, die Höfe
in FällandenPlace: , MaurPlace: , NiederusterPlace: ,
NossikonPlace: , NänikonPlace: , WerrikonPlace: ,
SchwerzenbachPlace: , HegnauPlace: und HofPlace: sowie das Meieramt von BertschikonPlace: und der Kirchensatz von UsterPlace: mit allen zugehörigen Äckern, Wiesen, Feldern und Wäldern
sowie Gerichtsrechten und Eigenleuten. Ebenfalls zum Pfand geschlagen werden
ausserdem Leute und Güter in DübendorfPlace:
sowie zwischen WetzikonPlace: , KaiserstuhlPlace: und BadenPlace: , die zur RapperswilerOrganisation:
Herrschaft gehören.26
Etwas ausführlicher beschreibt die Verkaufsurkunde von 1369 die Güter, Rechte und
Einkünfte der Herrschaft GreifenseePlace: .27 Aufgeführt werden die Abgaben der Vogteien
MaurPlace: , UessikonPlace: , SchwerzenbachPlace: ,
BinzPlace: , AuslikonPlace: , FällandenPlace: und
OberusterPlace: , des Widums in WinikonPlace: , der Mühlen in NiederusterPlace: , VolketswilPlace: und GreifenseePlace: , der Meierhöfe in BertschikonPlace: und FällandenPlace: , des Dinghofs NossikonPlace: , der Fischfanggebiete im See sowie weiterer Güter in
RumlikonPlace: , IrgenhausenPlace: , MaurPlace: und
HegnauPlace: . Ebenfalls spezifiziert werden
die Gerichtsrechte, welche die Vogteien FällandenPlace: , MaurPlace: ,
BinzPlace: , NiederusterPlace: , WilPlace: ,
OberusterPlace: , WerrikonPlace: , NänikonPlace: ,
HegnauPlace: , SchwerzenbachPlace: , IrgenhausenPlace: , AuslikonPlace: ,
SchalchenPlace: und HutzikonPlace: , die Hälfte der Vogteien in UessikonPlace: , KirchusterPlace: und FreudwilPlace:
sowie die Vogtleute in DübendorfPlace: und
sämtliche Eigenleute in den genannten Gebieten umfassen. Gemäss Urkunde handelte
es sich bei all diesen Gütern um freies Eigen, mit Ausnahme des UsterbachsPlace: , der ein Reichslehen war, und des
Meieramts FällandenPlace: , das Lehen der
FraumünsterabteiOrganisation: war. In UessikonPlace: war die Vogtei zwischen GreifenseePlace: und GrüningenPlace: geteilt, in FreudwilPlace: gehörten die drei südlichen Höfe zu GreifenseePlace: und der nördliche Hof zu KyburgPlace: , und in KirchusterPlace: besassen die Herren von BonstettenOrganisation: als Inhaber der Burg UsterPlace: die andere Hälfte der Vogtei.28
Aus der Auflistung in der Urkunde von 1369 geht hervor, dass die Rechte in
KaiserstuhlPlace: und BadenPlace: mittlerweile abgestossen und stattdessen
neue Güter im Zürcher OberlandPlace: , nämlich
in IrgenhausenPlace: , AuslikonPlace: , RumlikonPlace: , HutzikonPlace: und
SchalchenPlace: , hinzugefügt worden waren,
die vielleicht aus dem Besitz der Herren von LandenbergOrganisation: stammten, die dort ihren Stammsitz hatten. Ebenfalls
neu hinzugekommen waren ein Gut im SellholzPlace: bei HerrlibergPlace:
sowie weitere Weinberge am ZürichseePlace: ,
welche die Stadt ZürichPlace: nach dem
pfandweisen Erwerb der Herrschaft GreifenseePlace: im Jahr 1402 jedoch alsbald verkaufte.29
Als sich abzuzeichnen begann, dass das Pfand nicht mehr eingelöst würde,
erstellte ZürichPlace: um 1416 ein Urbar, das
die Einkünfte der Herrschaft GreifenseePlace:
und weiterer Herrschaftsgebiete detailliert auflistet.30 Die Einträge zu GreifenseePlace: stimmen weitgehend mit den Gütern aus der
Verkaufsurkunde von 1369 überein. Präzisiert werden die Vogteirechte, welche
lediglich die niedere und mittlere Gerichtsbarkeit ohne todeswürdige Vergehen
betreffen. Bezüglich der sogenannten Blut- oder Hochgerichtsbarkeit war
demgegenüber noch länger unklar, ob die Leute aus der Herrschaft GreifenseePlace: an den Landtagen in GrüningenPlace: oder KyburgPlace: teilnehmen mussten.31 Erst 1498 schuf der Zürcher
RatOrganisation: diesbezüglich Klarheit, indem er GreifenseePlace: hochgerichtlich direkt der Stadt unterstellte.32
Umstritten blieb hingegen der Grenzverlauf zwischen GreifenseePlace: , GrüningenPlace:
und KyburgPlace: , weswegen verschiedentlich
Grenzbegehungen durchgeführt wurden, bei denen man die Grenzen mit sogenannten
Marchsteinen kennzeichnete, deren Standorte genau protokolliert wurden.33 Einen besonderen Anlass für Grenzkonflikte bot die Situation auf
dem GreifenseePlace: : Weil dessen oberer Teil
mit den Dörfern RällikonPlace: und RiedikonPlace: in den Hof MönchaltorfPlace: und damit zur Herrschaft GrüningenPlace: gehörte, kam es im 14. Jahrhundert sogar zu einem
tätlichen Angriff, bei dem mehrere Fischer von GreifenseePlace: auf der Burg GrüningenPlace: eingesperrt und ihre Netze zerschnitten wurden.34 Ohnehin stellte der See einen
eigenen Rechtsbereich dar, der insbesondere im Hinblick auf die Fischerei und
die Schifffahrt regelungsbedürftig war.35
Während die übrigen Vogteien der Stadt ZürichPlace: meist ein relativ geschlossenes, zusammenhängendes
Gebiet darstellten, verfügte die Herrschaft GreifenseePlace: über die bereits erwähnten Exklaven im Zürcher OberlandPlace: , die mitten in der Grafschaft
KyburgPlace: beziehungsweise in der
Herrschaft GrüningenPlace: lagen. Weil es an
diesen Orten immer wieder zu Streit über die Gerichtszugehörigkeit kam, mussten
hier die Grenzen besonders ausführlich dokumentiert werden. Gut dokumentiert ist
beispielsweise ein Konflikt aus dem Jahr 1563, der sich auf dem Weg von
TurbenthalPlace: nach SeelmattenPlace: in NeubrunnPlace: zutrug: Der Konflikt hatte zur Folge, dass man rund um
das Dorf herum Marchsteine mit der Aufschrift G für GreifenseePlace: auf der einen und K für KyburgPlace: auf der anderen Seite setzte.36
Die Aussenwachten am PfäffikerseePlace:
(AuslikonPlace: , IrgenhausenPlace: , OberwilPlace: ,
RobenhausenPlace: und RobankPlace: ) wurden in der Frühen Neuzeit im
sogenannten OberamtPlace: zusammengefasst, jene
im TösstalPlace: (HutzikonPlace: , SchalchenPlace: ,
TösseggPlace: und NeubrunnPlace: ) im HinteramtPlace: . Im Jahr 1685 liess vermutlich der damalige Landvogt
Hans Hartmann Escher vom LuchsPerson: eine
Karte erstellen, auf der neben den Dörfern am Nordufer des GreifenseesPlace: auch die zugehörigen Exklaven im
OberlandPlace: eingezeichnet waren und zu
jedem Ort vermerkt wurde, wie lang die Reise dorthin dauerte: Für einen Ritt von
GreifenseePlace: nach FreudwilPlace: benötigte man demnach etwas weniger als
eine Stunde, nach TösseggPlace: ungefähr drei
Stunden und bis nach NeubrunnPlace: an der
Grenze zur Landgrafschaft ThurgauPlace: vier
Stunden.37
Neben diesen Exklaven verfügte die Herrschaft GreifenseePlace: noch über weitere verstreute Güter, Einkünfte und
Rechte in der näheren und weiteren Umgebung, vor allem in DübendorfPlace: , VolketswilPlace: , ZimikonPlace: ,
BertschikonPlace: sowie in RumlikonPlace: oberhalb von PfäffikonPlace: . Weitere Zinsen stammten aus der Gegend von
WetzikonPlace: , nämlich aus MedikonPlace: , SeegräbenPlace: und StegenPlace: .38 Ausserdem besass das Haus
GreifenseePlace: Eigenleute, die über das
gesamte Zürcher HerrschaftsgebietPlace: von
WildbergPlace: im OberlandPlace: bis nach AndelfingenPlace: im WeinlandPlace:
verstreut waren, was gelegentlich zu Konflikten mit anderen Herrschaftsträgern
führte.39
Ab dem 17. Jahrhundert liess der Zürcher RatOrganisation:
sehr detaillierte Landkarten ihres Herrschaftsgebiets erstellen. Als Meisterwerk
der zeitgenössischen Kartographie gilt insbesondere die Grosse Landtafel von
Hans Conrad GygerPerson: aus dem Jahr 1667,
die nachmals immer wieder kopiert wurde.40 Darauf sind die Grenzen der verschiedenen
Landvogteien und Obervogteien als rot gepunktete Linien deutlich markiert, was
davon zeugt, dass die Obrigkeit ihre Landvogteien nunmehr territorial als
Ansammlung von Dörfern und Höfen in einem abgrenzbaren Gebiet unter der
gemeinsamen Verwaltung und Gerichtsbarkeit eines Landvogts konzipierte.
Mit grosser Zuverlässigkeit lassen sich auf diesen Karten die historischen
Grenzen der Landvogtei GreifenseePlace:
einschliesslich der Exklaven am PfäffikerseePlace: und im TösstalPlace: erkennen: Als Zeichen ihrer Zugehörigkeit sind die
extraterritorialen Gebiete ebenfalls mit dem Wappen von GreifenseePlace: , einem steigenden roten Greif im
gelben Feld, markiert. Ergänzt werden können diese kartographischen
Darstellungen durch Angaben aus den Grundprotokollen, die für die Herrschaft
GreifenseePlace: im Jahr 1662
einsetzen.41 Bereits im ersten
Band werden sämtliche zur Herrschaft gehörenden Dörfer und Höfe aufgelistet und
angegeben, welchem Untervogt oder Weibel sie unterstanden.42