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SSRQ ZH NF II/11 4-1

Sammlung Schweizerischer Rechtsquellen, I. Abteilung: Die Rechtsquellen des Kantons Zürich. Neue Folge. Zweiter Teil: Rechte der Landschaft. Band 11: Die Obervogteien um die Stadt Zürich, by Ariane Huber Hernández and Michael Nadig

Citation: SSRQ ZH NF II/11 4-1

License: CC BY-NC-SA

Rechte des Klosters St. Blasien in seinem Hof in Oerlikon

1359.

Es werden sowohl die Rechte des Klosters St. Blasien in seinem Hof in Oerlikon als auch Bestimmungen betreffend die Bauernschaft festgehalten. Die Artikel regeln folgende Punkte: Abhaltung der Gerichtstage im Mai und Herbst (1), Rechte und Aufgaben des Vogts (1-3, 6, 8, 10) und des Meiers (1, 2, 3, 8, 10), Heuzehnt (4-5), Bestimmungen betreffend entlaufenes Vieh und Festlegung der Bussen bei entstandenen Schäden (5, 6), Weiderecht (7), Einzäunung und Bussbestimmungen (8), Verbannung der Wiesen (9), Festlegung der gemeinsamen Zeit zum Mähen (10) und eine Regelung zur Heuausfuhr (12). Vergehen gegen die Rechte von Hof und Dorf von Seiten der Eigenleute oder anderer Personen sollen durch das Kloster und zwei Eigenleute geklärt werden (11). Ein Nachtrag im Anschluss an das Weiderecht regelt die Wässerung der Wiesen.

  • Shelfmark: StAZH C II 6, Nr. 1052 a (r)
  • Date of origin: 1362 (Die Vorlage entstand um 1359, diese Aufzeichnung nach 1362 (Datierung aufgrund der jüngeren makulierten Urkunde).)
  • Transmission: Aufzeichnung, Rodel (aus vier Stücken zusammengenäht)
  • Substrate: Pergament
  • Format h × w (cm): 13.5 × 77.0
  • Language: German
  • Edition
    Regest

  • Shelfmark: GLA Karlsruhe 66/7213, fol. 152v-153r
  • Date of origin: 1359 (Datierung aufgrund des Urbarteils, der sich auf das Amt Zürich (Stampfenbach) bezieht)
  • Transmission: Aufzeichnung
  • Substrate: Pergament
  • Format h × w (cm): 23.0 × 34.0
  • Language: German

  1. Die Rechte sind auf vier aneinander genähte Stücke unterschiedlicher Grösse aufgezeichnet worden. Bei den beiden grösseren Stücken handelt es sich um zwei makulierte Urkunden, datiert auf die Jahre 1360Date: 1360 respektive 1362Date: 1362 (StAZH C II 6, Nr. 1052 a v, Text 1; Regest: URStAZH, Bd. 1, Nr. 1381; StAZH C II 6, Nr. 1052 a v, Text 2; Regest: URStAZH, Bd. 1, Nr. 1548).

    Die wenig ältere Aufzeichnung im Urbar von St. BlasienPlace: (GLA Karlsruhe 66/7213, fol. 152v-153r) ist inhaltlich, abgesehen vom Nachtrag betreffend die Wässerung der Wiesen, mit dem vorliegenden Rodel identisch. Der spätere Rodel des 16. Jahrhunderts hat diese nachträgliche Ergänzung ebenfalls übernommen, ohne sie jedoch an der vorgesehenen Stelle einzufügen, die das Verweiszeichen markiert. Da diese spätere Abschrift an einigen Stellen von einer Falschlesung des Schreibers zeugt, wird hier auf die Angabe der abweichenden Stellen verzichtet (StAZH C II 6, Nr. 1052 b).

    Die Rechte sind auch in einer neueren Version, die um 1400Date: 1400 entstand, überliefert (SSRQ ZH NF II/11 14-1). Eine spätere, um ca. 1500 entstandene Aufzeichnung gibt lediglich Bestimmungen betreffend die Bauernschaft in OerlikonPlace: wieder (SSRQ ZH NF II/11 48-1).

  2. Die Äbtissin des FraumünstersOrganisation: hatte dem Kloster St. Blasien im SchwarzwaldPlace: Organisation: bereits 1224Date: 1224 Erblehengüter am StampfenbachPlace: in UnterstrassPlace: aufgrund einer Schenkung durch einen ZürcherPlace: Bürger verliehen (StAZH W I 1, Nr. 324; Edition: UBZH, Bd. 1, Nr. 424; KdS ZH NA V, S. 52; Bollinger 1983, S. 14). Ab 1275Date: 1275 weilte ein ständiger Amtmann auf den Gütern am StampfenbachPlace: (Nägeli 1992, S. 14). Im Jahr 1272Date: 1272 erwarb das Kloster St. BlasienOrganisation: einen Hof und zwei Güter in OerlikonPlace: und St. LeonhardPlace: (UnterstrassPlace: ), allesamt Erblehen des FraumünstersOrganisation: (StAZH C II 6, Nr. 993; Edition: UBZH, Bd. 4, Nr. 1478; Bauhofer 1943a, S. 142). Wahrscheinlich handelte es sich hier um den Meierhof, der ab 1450 als Dinghof und seit 1503 auch als Fronhof benannt wurde (Nägeli 1992, S. 20; zur Bedeutung der unterschiedlichen Bezeichnungen vgl. S. 19). Dieser ist identisch mit dem als «Bläsierhof» bezeichneten Hof, der im späteren Zentrum des Dorfes OerlikonPlace: stand und dessen Rechte im vorliegenden Stück festgehalten sind (KdS ZH NA V, S. 321).

    In OerlikonPlace: war hauptsächlich das GrossmünsterOrganisation: begütert. Nebst dem Kloster St. Blasien im SchwarzwaldPlace: Organisation: hatten auch das FraumünsterOrganisation: , die Prediger von ZürichPlace: Organisation: , das Kloster OetenbachOrganisation: sowie kleinere geistliche und weltliche Grundherren Güter inne, so etwa das Kloster St. Martin auf dem ZürichbergPlace: Organisation: oder die Familien KambliOrganisation: und SchwendOrganisation: (KdS ZH NA V, S. 52; Bollinger 1983, S. 14).

Edition Text


Dis sint des hoves recht ze OrlinkonPlace: :
Des
ersten ist des hoves recht, das ein meijer fu̍r
ein vogt1, beide ze meijenDate: May und ze herbstDuration: fall, ze
gericht gan sol2 und durch das jar niemer me,
ein meijer hab danne verschuldet etwas von
tu̍bText variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: erbena oder von freffin, dar umb er angesprochen
und beclegt wirt, so mag er sich vor einem
vogte wol versprechen und verstân. Aber umb
geltschulde noch umb ander sache ist er nicht gebunden, won vor eines gotzhus amptmanne.3

Ein vogt hat oͧch das recht, das man im us
dem dorf ze OrlinkonPlace: von zehen schuͦppossenArea: 10 schuppose
jerlichRepeated duration: 1 year ze sant MartinsPerson: tultDate: 11. November (period)4 iij mu̍t kernenVolume: 3 mütt spelt
und iij mu̍t habernVolume: 3 mütt oat geben sol, und dar zuͦ von
jeclicher fu̍rstat, âne den meijer hof5, einAmount: 1 vasnacht huͦnAddition below the lineb.6
Und dar u̍ber hat ein vogt eim meijer
nicht fu̍rbas ze gebienneCorrected: gebietennec, danne als vorgeschriben stat Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: nicht an den mayer zefordrend.
Wer oͧuch ze OrlinkonPlace: in dem
dorf gesessen ist mit husroͧk, âne allein den
meijer und den huͦber, der huͦb hat, du̍ gen
SwabendingenPlace: gehoͤret, der sol vor eim vogte
ze recht stan.
Es ist oͧch ein huͦb gelegen an
dem RestelbergPlace: , da der hoͤi zehende ze OͤrlinkonPlace: in gehoͤret.
Da ist des hoves und des
dorfs recht:
Wenne man da hoͤwen wil, so sol
der, so danne die selben huͦbe hat, dar gan ungevarlich uf die wisen und sol den selben hoͤizehenden ze samen tragen, und sol mit dem
vihe, da mit er die huͦbe bûwet, dar varn und
das vihe entwetten und verhuͤten, das jeman kein
schade von dem selben vihe geschehe, untz das
er wider ge[wett]Omission, restored following GLA Karlsruhe 66/Nr. 7213, fol. 152v-153rfText variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: gefertigt wirte, âne geverde. Dar nach sol
er das vich wider in wetten und dannan vareUncertain readinggn
und sol da mit menlich von im fu̍rbas umbeku̍mbert bliben.
Wer oͧch ußwendig dem dorf |Page break
ze OrlinkonPlace: gessessen ist und doch ackker und
wisen in dien bennen hat, ist, das dem von dekeinemUncertain readingh, so in dem dorf gesessen ist, in sinen
akkern oder in wisen von unserm vihe kein
schade geschicht, vindet der kein vihe uf dem
sinen, der sol es fuͤren zuͦ dem nechsten hus
in dem dorf, und sol oͧch im der das selbe vihe
behalten, untz das im aller der schade, so im
danne geschehen ist, abgeleit wirt, ane geverde.
Und wer im danne das selbe hoͧbt nicht behalten will, ê das es ze dem dritten huse gefuͤret wirt, der drijer sol es jeclicher eim vogt
bessern mit drin pfundenCurrency: 3 lb . Und wenne er daz vich
also von hûse ze hûse gefuͤret, u̍ber daz im es
nieman behalten wil, dannan hin mag er daz
selb hoͧbt selber mit im fuͤren und behalten,
untz daz im schade abgeleit wirt, als vorgeseit ist.

Were aber, das er daz selb hoͧpbt fu̍r sich mit im
dannan fuͦrte und es nicht an die gebursami vorderte ze behaltenne, als vorgeschriben stat, das
sol er oͧch danne eim vogt bessern mit drin pfundenCurrency: 3 lb
als oͧch du̍ gebursami. Und sol oͧch danne ein vogt
die selben buͦss uf dem sinen heften in dem gericht,
als er sin von im welle sicher sin.
Es su̍ln oͧch
die burger von Zu̍richPlace: noch nieman ir vich nicht
fu̍rbaz triben noch ze weide fuͤren, danne an
i–SwentzPerson: bivangText variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: seinen zwang–i.7 j–
Wenn oͤch dz zit kummt, dz man die wisen
weͣssern sol, so sol der meyer dz wasser des
ersten dry tag und dry naͤchtDuration: 3 days haben uff
des hoffs wisen und sols dar nach die
gebursami oͤch dry tag und dry naͤchtDuration: 3 days
haben, alles aͤn geverd. Dz der meyer dz wasser
je sol nuttzen als vil als du̍ gebursami,
aͤn geverd.
Addition on the bottom in another hand by insertion mark
–j
Oͧch hant der meijer hof und
das dorf das recht, daz si alle ir einung von
êvaden, von fridCorrection overwritten, replaces: bken und von graben selber under
in uf setzen und in nemen su̍ln, also mit namen,
das ein vogt dal mitteText variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: aincherlaym nicht ze schaffenne
haben sol. Were aber, daz sich von unser gebursami
dekeiner wêren wolte, die selben einung ze gebenne, daz sol uns ein vogt helfen ingewinnen
und sol oͧch daz danne mit uns verzêren und
nicht zerteillen noch mit im fuͤren.
Man sol
oͧch die feissen wisen jerlichRepeated duration: 1 year ze mittem abrellenDate: 16. April
bannen und die magern wisen jerlichRepeated duration: 1 year an dem
meijen abendeDate: 30. April.
Es ist oͧch des hoves recht, |Page break
das nieman meigen sol, ê daz sin du̍ gebursami
gemeinlich ze râte wirt, daz man meigen sol.
Und danne sol ein meijer eim propst ku̍nden durch
daz, daz gotzhûs eins tages vor menlichem gemeget habe. Were aber, daz jeman daru̍ber
vormals uf brêche, ê daz sin du̍ gebursami gemeinlich ze rate wurde, der sol es eim vogt
bessern.
Were oͧch, das uns jeman an dez selben unsers
hoves und dorfes recht bekrenken wolte, es
wêre danne husgenosse oder uslender, so verre, daz
wir das mit zweinAmount: 2 unser hûsgenossen mit
geswornen eiden behaben soͤln und uns daru̍ber nieman fu̍rbas bewîsen sol.
Man sol oͧch
sunderlich wissen, daz nieman kein hoͤi sol fuͤren
won u̍ber mines herren wisen disent dem LoͤtschembachPlace: in dien emdwisen. Und haben oͧch |Page break
alle disu̍ vorgeschriben recht also her bracht.
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 19th century?:]
StfbStiftsbuch papagina 490
[Dorsal notation on the reverse side in a hand of the 19th century:]
ÖrlikonPlace:

Notes

  1. Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: erben.
  2. Addition below the line.
  3. Corrected: gebietenne.
  4. Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: nicht an den mayer zefordren.
  5. Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: gefertigt wirt.
  6. Omission, restored following GLA Karlsruhe 66/Nr. 7213, fol. 152v-153r.
  7. Uncertain reading.
  8. Uncertain reading.
  9. Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: seinen zwang.
  10. Addition on the bottom in another hand by insertion mark.
  11. Correction overwritten, replaces: b.
  12. Deletion by scraping: s.
  13. Text variant in StAZH C II 6, Nr. 1052 b: aincherlay.
  1. Die Grafen von KyburgPlace: Organisation: als Inhaber des Hochgerichts (KdS ZH NA V, S. 321).
  2. Ab 1450Date: 1450 sollten gemäss einem Schiedsurteil nicht nur die Eigenleute St. BlasiensPlace: in OerlikonPlace: , sondern auch jene aus der Stadt ZürichPlace: und dem ZürcherPlace: Herrschaftsgebiet zwischen LimmatPlace: und RheinPlace: das Dinggericht in OerlikonPlace: zum Jahrgericht im Mai aufsuchen; bei dieser Gelegenheit sollten die Eigenleute auch den Eid leisten. Ausserdem sollte am Jahrgericht der ZürcherPlace: Obervogt an der Seite des Amtmanns von St. BlasienOrganisation: zugegen sein. Das Urteil enthält auch Regelungen zu Fasnachtshuhn, Fall und Ehegenossame, die in den Hofrechten St. BlasiensPlace: Organisation: für OerlikonPlace: nicht aufgeführt werden (StAZH C V 6.2, Nr. 54; Edition: Thommen, Urkunden, Bd. 4, Nr. 118; Regest: URStAZH, Bd. 7, Nr. 9560; Bollinger 1983, S. 33; Bauhofer 1943a, S. 143). Für eine Urteilssprechung an diesem Gericht im Jahr 1465Date: 1465 vgl. StAZH C II 6, Nr. 1133.
  3. Der Amtmann von St. BlasienOrganisation: am StampfenbachPlace: , vgl. Kommentar.
  4. Gedächtnistag eines Heiligen, hier des heiligen MartinsPerson: (Idiotikon, Bd. 12, Sp. 1774).
  5. Dass der Meierhof von St. BlasienOrganisation: dem Vogt weder Dienste noch Abgaben schuldete, wird in der späteren Version noch deutlicher (SSRQ ZH NF II/11 14-1).
  6. Diese Stelle entspricht mit wenigen Abweichungen der Passage zu OerlikonPlace: im zwischen 1303 und 1307Date: 1303 – 1307 aufgezeichneten Habsburgischen Urbar. Dort ist die Rede von elf Schupposen, die Eigentum des Chorherrenstifts zum Grossmünter in ZürichPlace: Organisation: sind. Ferner wird neben dem Fasnachtshuhn noch ein Herbsthuhn aufgeführt (StAZH C I, Nr. 3289.3; Edition: Habsburgisches Urbar, Bd. 1, S. 241-256, hier S. 253).
  7. Um 1300 verkaufte Ritter Konrad SchwendPerson: dem PredigerklosterOrganisation: vier Äcker in OerlikonPlace: . Es wird sich bei diesem eingehegten Stück Land um ebendiese Güter handeln (Bollinger 1983, S. 14). Zu den im folgenden Nachtrag enthaltenen Bestimmungen betreffend die Wässerung vgl. SSRQ ZH NF II/11 48-1, Art. 6-7.